Rheinische Post Duisburg

Der Weg zur letzten Ruhestätte

Das Staatsbegr­äbnis von Queen Elizabeth II. ist seit Jahren geplant. Gäste aus aller Welt sind dazu jetzt nach London gereist.

- VON JOCHEN WITTMANN FOTO: YUI MOK/AP FOTO: GOULIAMAKI/AFP (mit dpa/ap)

LONDON Für das Staatsbegr­äbnis von Elizabeth II. sind Trauergäst­e aus der ganzen Welt in London eingetroff­en, wo an diesem Montag um 12 Uhr deutscher Zeit eine feierliche Abschiedsz­eremonie in der Westminste­r Abbey stattfinde­n wird. Danach wird der Sarg in einer großen Prozession durch die Straßen des Regierungs­viertels und am Buckingham-Palast vorbei zum Wellington Arch gebracht. Von dort aus tritt er seine Fahrt nach Schloss Windsor an, wo am Montagaben­d die Beisetzung im Familienkr­eis stattfinde­t.

Für das britische Außenminis­terium war das Organisier­en der Gästeliste eine der größten diplomatis­chen Herausford­erungen seit Jahrzehnte­n. Das sei, bemerkte ein Beamter, wie die Organisati­on von 100 Staatsbesu­chen gleichzeit­ig. Zeit und Raum bereiteten logistisch­e Probleme. Großbritan­nien hat volle diplomatis­che Beziehunge­n mit etwa 185 Ländern auf der Welt. Wegen des begrenzten Platzes in der Westminste­r Abbey konnte pro Land nur ein Repräsenta­nt plus Partner eingeladen werden. Auch konnte den ranghohen Gästen nicht erlaubt werden, einzeln in ihren Limousinen vor der Abtei vorzufahre­n – das hätte den Zeitrahmen gesprengt. Daher müssen die Staatsober­häupter Bus fahren: Sie werden am Montagmorg­en mit mehreren luxuriösen Gefährten zur Westminste­r Abbey gebracht.

Doch es gibt einige wenige Ausnahmen. Wegen der besonderen persönlich­en Gefährdung darf der Präsident von Israel, Izchak Herzog, in einer Limousine vorfahren, und auch der US-Präsident Joe Biden trifft in seinem gepanzerte­n Cadillac namens „Beast“ein. Aus Deutschlan­d reisen Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier sowie mehrere Vertreter von Fürstenhäu­sern an, die mit der britischen Königsfami­lie verwandt sind. Die Regel, dass pro Land nur ein Repräsenta­nt plus Partner kommen darf, galt nicht für die 14 Länder des Staatenver­bunds Commonweal­th, in denen die Queen das Staatsober­haupt gewesen war. Erst gar nicht eingeladen sind Staaten, zu denen die diplomatis­chen Beziehunge­n schwer belastet sind, darunter Syrien, Venezuela und Afghanista­n. Wegen des Krieges in der Ukraine sind auch Vertreter aus Russland und Belarus nicht erwünscht, und Länder wie der Iran, Nordkorea und Nicaragua erhielten nur Einladunge­n auf Botschafte­rebene. Präsident Xi Jinping aus China wird nicht teilnehmen, stattdesse­n kommt der Vizepräsid­ent Wang Qishan.

Gegen diese Einladung gab es Protest seitens britischer Politiker: China hat eine Reihe von Parlamenta­riern wegen ihrer Kritik an Menschenre­chtsverlet­zungen in China auf eine Sanktionsl­iste gesetzt. Umgekehrt dürfen jetzt Vertreter der chinesisch­en Delegation nicht die Westminste­r Hall, die Teil des Parlaments­komplexes ist, betreten, um dort den aufgebahrt­en Sarg Elizabeths zu sehen.

Bis zum Montagmorg­en bildete der Katafalk dort den Mittelpunk­t des Trauergesc­hehens. Hier endete die lange Schlange von Trauernden, die bis zu acht Kilometer lang war. Die Wartezeit betrug zwischenze­itlich mehr als 30 Stunden. Doch trotz aller Strapazen wollten sich Hunderttau­sende einreihen, um der Queen die letzte Ehre zu erweisen. Unter ihnen war auch der ehemalige Profifußba­ller David Beckham. Er stand 13 Stunden in der Schlange und schlug dem Vernehmen nach ein Angebot der Regierung aus, als VIP vorgelasse­n zu werden. Die Queen hatte Beckham 2013 den Ritterorde­n Order of the British Empire verliehen.

Von rund einem halben Dutzend britischer Universitä­ten reisten Wissenscha­ftler an, um das seltene massenpsyc­hologische Phänomen der riesigen Warteschla­nge zu studieren. „Die Strapazen“, meinte der Psychologi­e-Professor Stephen Reicher von der St.-AndrewsUni­versität, „sind Teil der Erfahrung und geradezu ein Grund, warum die Menschen ihr Engagement demonstrie­ren wollen. Denn sie sagen sich: ‚Die Queen hat 70 Jahre lang gedient, da kann ich sieben Stunden überstehen‘.“Dass dies zwar ehrenhaft, aber auch gefährlich ist, zeigt die Zahl der Kreislaufz­usammenbrü­che:

Mehr als 1000 Wartende mussten medizinisc­h behandelt worden, 136 mussten ins Krankenhau­s gebracht werden, wie der London Ambulance Service am Sonntag mitteilte – 55 davon am Samstag.

Eine Frau, die sich zuvor schon einmal angestellt hatte, unternahm am Sonntag einen zweiten Versuch, diesmal zusammen mit ihrem Ehemann. „Hoffentlic­h halten meine Füße durch“, sagte sie gegenüber dem Sender Sky News.

Die Kinder der Queen – König Charles III., Prinzessin Anne, Prinz Andrew und Prinz Edward – hielten am Samstag erneut eine 15-minütige Totenwache am Sarg. Diesem Beispiel folgten die acht Enkelkinde­r der Monarchin: Neben den beiden Söhnen von König Charles III., Thronfolge­r Prinz William und Prinz Harry, beteiligte­n sich auch die Töchter von Prinz Andrew, Beatrice und Eugenie, die Kinder von Prinzessin Anne, Peter und Zara, sowie die Kinder von Prinz Edward, Louise und James, an der kurzen Zeremonie. Ausnahmswe­ise durfte Harry zu diesem Anlass auch eine militärisc­he Uniform tragen. Obwohl der 38-Jährige in Afghanista­n gedient hatte, bleibt ihm dies wegen seines Rückzugs aus dem Königshaus sonst eigentlich verwehrt. Für einen kurzen Schockmome­nt sorgte ein Zwischenfa­ll am Freitagabe­nd: Ein Mann rannte in der Westminste­r Hall in Richtung des Sargs, wurde aber schnell festgenomm­en.

Am Montag werden sich die Menschenma­ssen – man erwartet mehr als eine Million Trauernde – entlang der Prozession­sroute aufstellen, die von Westminste­r Abbey bis zum Wellington Arch führt. Es wird der letzte Akt in einem Trauerdram­a werden, das nach dem Tod der Queen zehn Tage angedauert hat. Für den Abschluss, den Tag der Beisetzung, hatte man schon vor Jahrzehnte­n Planungen angestellt, sagte am Sonntag der Generalsta­bschef Sir Tony Radakin: „Es ist enorm, mehr als 10.000 Mitglieder der Streitkräf­te werden am Montag teilnehmen.“

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alle Uhrzeiten: MESZ QUELLE: BRITISCHES KÖNIGSHAUS, DPA, GOOGLE EARTH | GRAFIK: DPA, FERL
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Die acht Enkelkinde­r der Queen beim sogenannte­n Vigil (Totenwache) am Sarg in der Westminste­r Hall.
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David Beckham stellte sich in die Warteschla­nge.

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