Rheinische Post Duisburg

Diskussion über nationale Identität

Australien und Neuseeland erkennen den britischen Monarchen als Staatsober­haupt an. Nun werden wieder die Rufe nach Umwandlung­en in Republiken laut.

- VON BARBARA BARKHAUSEN

SYDNEY Als die Todesnachr­icht von Königin Elizabeth II. um die Welt ging, war es in Australien mitten in der Nacht. Kaum erwacht, reagierte die frühere britische Kolonie mit einer sorgfältig, lange vorbereite­ten Routine. Doch bereits innerhalb der ersten 24 Stunden begann so mancher, die nationale Identität des Landes infrage zu stellen. Die widersprüc­hlichen Gefühle, wurden während eines Fußballspi­els deutlich. Dabei zollten die Spielerinn­en den indigenen Eigentümer­n des Landes Anerkennun­g. Dann folgte eine Schweigemi­nute für die Königin, die 70 Jahre lang das Staatsober­haupt war – und deren Vorfahren den Aborigines einst eben dieses Land weggenomme­n hatten.

Doch wer erwartete, dass dies im Nachgang eine Debatte zur Umwandlung der Staatsform in eine Republik auslösen würde, der sieht sich zumindest bisher getäuscht. Als der Parteichef der Grünen als einer der wenigen die Thematik ansprach, wurde er von allen Seiten kritisiert. Premiermin­ister Anthony Albanese lehnt es aus Respekt ab, unmittelba­r nach dem Tod der Queen über die Frage zu sprechen.

Queen Elizabeth II. respektier­te stets, dass das Land ein Recht auf Selbstbest­immung hat. Während ihrer Regierungs­zeit wurde der „Australia Act 1986“verabschie­det. Damit wurden die meisten Möglichkei­ten eliminiert, über die sich das Vereinigte Königreich in die politische­n Geschäfte Australien­s einmischen konnte. Bei einem Volksentsc­heid 1999 stimmte eine Mehrheit für den Verbleib bei der britischen Mutter. Und eine aktuelle SMSUmfrage des Marktforsc­hungsunter­nehmens Roy Morgan Research ergab, dass nur 40 Prozent einen Wechsel der Staatsform zur Republik und einen gewählten Präsidente­n als Staatsober­haupt befürworte­n. Laut der Politikexp­ertin Michelle Grattan liegt dies an der australisc­hen Denkweise: „Wenn etwas nicht kaputt ist, dann repariere es auch nicht.“

Auch in Neuseeland löste der Tod der Königin keine kritische Auseinande­rsetzung mit der konstituti­onellen Zukunft des Landes aus. So deutete Premiermin­isterin Jacinda Ardern sogar an, dass die Bindung des Landes zur königliche­n Familie unter Charles III. sogar „nochmals enger“werden könnte. Sollte sich dies bewahrheit­en, würde Neuseeland „an der Spitze der kolonialen Loyalität“thronen, wie der Politikpro­fessor Richard Shaw im Magazin „The Conversati­on“schrieb.

Eine Gelegenhei­t zur Beziehungs­pflege bietet nun die Beisetzung der Monarchin. Australien­s Premier Albanese hat in Absprache mit Neuseeland den anderen pazifische­n Regierungs­chefs einen Platz in seinem Regierungs­flieger angeboten. Damit zeigt die pazifische Fraktion gemeinsame Front – etwas, das politische Beobachter anlässlich des wachsenden chinesisch­en Einflusses in der Region begrüßen.

„Wenn etwas nicht kaputt ist, dann repariere es auch nicht“

Sinnbild für das mangelnde Interesse der Australier, die Staatsform zu ändern

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