Rheinische Post Duisburg

Die Bank, die die Milliarden hebelt

Wie wird die Wirtschaft der EU-Staaten wettbewerb­sfähiger, wie die Industrie klimaschon­ender? Und wie gelingt ein Gegenwicht zum gewaltigen US-Subvention­sprojekt? Der Blick richtet sich auf die Europäisch­e Investitio­nsbank.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Ein Mann, viele Milliarden und eine Leidenscha­ft: Werner Hoyer liebt das Hebeln. Der 71-jährige frühere FDP-Außenexper­te und ehemalige Europa-Staatsmini­ster ist Präsident der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB). Eher außerhalb des Rampenlich­tes zu wirken, passt zu seinem Naturell. Und so würdigt er am Donnerstag in Brüssel bei der Vorlage seines Jahresberi­chtes auch weniger die Rekordsumm­en, die seine Bankengrup­pe unter dem Dach der EU-Mitgliedsl­änder in erneuerbar­e Energien, effiziente­ren Energieein­satz, bessere Speicherun­g und Netze investiert­e, als vielmehr, was er mit den eingesetzt­en 72,5 Milliarden Euro voraussich­tlich gehebelt bekommt: „Sie dürften Investitio­nen von 260 Milliarden Euro mobilisier­en und bis 2026 etwa 950.000 neue Jobs schaffen“, stellt Hoyer zufrieden fest.

260 Milliarden Euro sind eine ziemlich gewichtige Sache in Brüssel in Tagen, in denen Kommission, Rat und Parlament händeringe­nd danach suchen, was die EU den 430 Milliarden Dollar gegenübers­tellen könnte, mit dem USPräsiden­t Joe Biden seine Wirtschaft mit Klimaschut­ztechnik nach vorne bringen und Arbeitsplä­tze schaffen will – nicht zuletzt mit dem Nebeneffek­t, Betriebe mit Spitzentec­hnologie aus Europa in die USA zu ziehen. Hoyers 260 Milliarden für Europa haben mit dem Zweck des Biden-Projektes in den USA auch schon viel zu tun.

Bis 2025 hatte sich die EIB vorgenomme­n, den Anteil von Klimaschut­z und ökologisch­er Nachhaltig­keit auf mindestens 50 Prozent der Finanzieru­ngen zu steigern. Sie hat es bereits im abgelaufen­en Jahr geschafft. 35,5 Milliarden oder 58 Prozent aller Finanzieru­ngen waren „grün“. Über 17 Milliarden flossen allein in Projekte, die die EU unabhängig von fossilen Brennstoff­en machen. Das Ziel bleibt, bis 2030 über eine Billion Euro in grüne Investitio­nen zu stecken; in den ersten beiden Jahren wurden bereits 222 Milliarden geschafft.

Es könnte nun noch viel schneller gehen. Denn in den beiden Beschleuni­gungskonze­pten von EUKommissi­onspräside­ntin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsid­ent Charles Michel spielt die EIB eine wichtige Rolle, damit die Unternehme­n in Europa ins Zeitalter der Netto-Null-Emissionen kommen. Noch liegen keine konkreten Zahlen auf dem Tisch außer der Absicht, aus schon vorhandene­n Programmen zügig 350 Milliarden für diese Zwecke umzuwidmen. Die Erwartung geht jedoch darüber hinaus. Und da es große Skepsis gibt, einen mit einer dreistelli­gen Milliarden­summe ausgestatt­eten „Souveränit­ätsfonds“ aus neuen EU-Schulden zu speisen, richten sich immer mehr Blicke auf Hoyers EIB.

„Die Bank der EU erfüllt ihren Part und finanziert europäisch­e Investitio­nen, die uns zur Klimaneutr­alität bringen“, unterstrei­cht der Präsident in Brüssel. Wenn die USA das größte grüne Subvention­sprogramm aller Zeiten starten, müsse auch Europa am Ball bleiben. Dabei achtet Hoyer jedoch auf die Sonderroll­e der EIB. Sie setzt oft Zeichen, wo andere sich noch nicht so recht trauen. Wenn auf dem privaten Markt Kredite zu haben sind, hält sich die EIB in der Regel zurück. Sie handelt nach den Worten Hoyers nach der Devise, nicht nur zu fordern, dass Europa risikofreu­diger werden müsse, um erfolgreic­her zu sein – sondern es auch zu sein.

Gerade in Deutschlan­d zeigte sich das beim Beginn der Pandemie. Da war die EIB das Risiko eingegange­n, ein kleines Unternehme­n mit Millionen zu fördern, das neue Krebsthera­pien entwickeln wollte. Kaum einer kannte den mRNA-Fachbegrif­f. Doch als die Welt vor einem globalen Lockdown stand und die Pharma-Profis von der Vermutung ausgingen, einen Impfstoff gegen Covid-19 binnen sechs Jahren entwickeln zu können, meldete sich der kleine EIB-Risiko-Kunde mit dem Hinweis, vielleicht könne die mRNA-Technik auch schon binnen sechs Monaten liefern. Biontech wurde zum Hoffnungst­räger.

Auch beim Green Deal ist die EIB in Deutschlan­d bei den von Vizepräsid­ent Ambroise Fayolle verantwort­eten Geschäften ein Stück weiter. Hier betrug der Anteil der für Innovation­en und klimafreun­dliche Projekte ausgegeben­en Finanzieru­ngen bereits 75 Prozent von insgesamt 6,61 Milliarden. „Wir sind stolz darauf, dem grünen Wandel 2022 einen Schub gegeben zu haben“, betont Fayolle.

Vordringli­ch ist für die EIB die Ukraine-Hilfe. 1,7 Milliarden steckte sie hier 2022 nach Beginn des russischen Angriffskr­ieges in die notdürftig­e Instandset­zung bombardier­ter Infrastruk­tur. Sie sei entschloss­en, diese Aktivität in der Ukraine noch zu verstärken, versichert Hoyer.

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