Rheinische Post Duisburg

Kaum ein Tierarzt bietet Notdienst an

Der tierärztli­che Notdienst soll nun Pflicht werden. Das birgt neue Probleme.

- VON JÖRG SCHÄFER FOTO: STEFAN AREND

In Duisburg bietet nur noch die Tierklinik Kaiserberg rund um die Uhr einen Notdienst an. Nachts brennt dort die Hütte. Die Patienten kommen von weit her. Tiere und Halter müssen viel Zeit mitbringen. Mitunter sehr viel Zeit. Denn die Duisburger Tierarztpr­axen haben sich lange auf die Tierklinik­en verlassen und ihren Notdienst eingestell­t. Auch die Kliniken in Asterlagen und Homberg stiegen aus dem 24-Stunden-Notdienst aus und gaben dafür sogar ihren Status als Tierärztli­che Klinik ab.

Das könnte sich bald ändern. Denn die Tierärztek­ammern Nordrhein und Westfalen-Lippe wollen künftig alle Praxen im Land verpflicht­en, Notdienste anzubieten. Beide Kammern haben in ihren Gremien einstimmig beschlosse­n, das Heilberufe­gesetz entspreche­nd zu ändern. Denn Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, in dem dieses Landesgese­tz keinen tierärztli­chen Notdienst vorschreib­t. „Unser Vorschlag liegt jetzt in den zuständige­n Ministerie­n für Landwirtsc­haft und Gesundheit in Düsseldorf. Die Gesetzesän­derung müsste dann vom Landtag beschlosse­n werden“, sagt Karl-Andreas Bulgrin, Präsident der Tierärztek­ammer Nordrhein. Er hofft, dass dies noch in diesem Jahr über die Bühne geht.

Ob allerdings die Gesetzesän­derung kommt, ist ungewiss. Also bleibt der Druck auf die Tierklinik in Duissern bestehen. Sie ist eine von nur noch neun in NRW. 30 bis 40 tierische Patienten behandeln die Ärzte an der Wintgensst­raße während des Notdienste­s zwischen 7

Uhr abends und 7 Uhr morgens im Schnitt. Am Wochenende sind es pro Tag rund 120 bis 140.

Das hört sich eigentlich machbar an. Aber die Notfall-Behandlung kann lange dauern, bis zu zwei Stunden. Beispiel: Ein Hund hat Rattengift geschluckt. Der Befund muss erstmal diagnostiz­iert werden. Dafür wird das Blut untersucht. Eine Ultraschal­l-Untersuchu­ng ist notwendig, gegebenenf­alls eine Operation. „Wir müssen die Blutung stoppen, sonst stirbt der Hund“, sagt Tierarzt Jochen Spennes. Gleiches gilt beim Unfall, bei einem Krampf, einer Magendrehu­ng oder einem Milztumor. Um diese Fälle kümmern sich nachts zwei Ärzte.

Jochen Spennes, der 46 Jahre alte Tierarzt, der auf seinem Hof in Meerbusch wie auf einer Arche Hund, Pony, Esel und Maulesel, Hühner und Gänse und selbst Bienen beherbergt, hat stets das Wohl des Tieres im Blick. Er lehnt es ab, Notfälle nur so zu behandeln, damit Tiere die Nacht überleben.

Auch der Ruf der Klinik spiele dabei eine Rolle. Verärgerte Tierbesitz­er

lassen gerne ihre Wut im Netz raus, begründet oder unbegründe­t. Da will kein Arzt Fehler machen.

Spennes, einer von fünf Geschäftsf­ührern der Tierklinik, hält den Notdienst für wichtig. Aber es wird schwierige­r, ihn anzubieten. Das liegt an fehlendem Personal. Es werden an den fünf tierärztli­chen Hochschule­n in Deutschlan­d einfach zu wenige Tierärzte ausgebilde­t. Und die weit überwiegen­de Zahl sind Frauen, die bei Schwangers­chaft ausfallen und häufig in Teilzeit zurückkehr­en. Gleichzeit­ig steigt die Zahl der Haustiere. Die Besitzer gehen häufiger zum Arzt. Die Behandlung­en und Beratungsg­espräche dauern länger.

Dann das Thema Arbeitszei­t: Die angestellt­en Ärzte, und das ist die Mehrheit, müssen akribisch Buch führen. Nach der Arbeit ist eine Ruhezeit von elf Stunden Pflicht. Das wird von Gewerbeauf­sicht und Zoll überprüft. Bei Verstoß drohen saftige Strafen. „Eine Klinik musste knapp 20.000 Euro zahlen“, weiß Spennes zu berichten. Die Arbeitszei­tregelung macht es kleinen Tierarztpr­axen mit wenigen Mitarbeite­nden fast unmöglich, Notdienste zu machen. Selbst nach einer telefonisc­hen Beratung am Sonntagabe­nd fällt ein angestellt­er Arzt bis Montagmitt­ag aus.

Humanmediz­iner haben das Problem mit der Arbeitszei­t auch. Aber dort gibt es Tarifvertr­äge, die Ausgleichs­zeiten für Ärzte regeln. Und die existieren für Tierärzte nicht, weil es keine Tarifpartn­er gibt, die das in Verträgen regeln könnten. „Wir wollen dabei helfen, Tarifparte­ien zu schaffen“, sagt Kammerpräs­ident Bulgrin.

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Zwei Tierärzte kümmern sich in Duissern im Notdienst um die tierischen Patienten.

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