Rheinische Post Duisburg

Schließung­swelle bei Apotheken

Viele Apotheker finden keine Nachfolger. Für Kunden kann das längere Wege bedeuten – und dass es Probleme mit Notdienste­n gibt.

- VON SEMIHA ÜNLÜ RP-FOTO: ANDREAS BRETZ

DÜSSELDORF Das Apothekens­terben erreicht in Düsseldorf ein dramatisch­es Ausmaß. Zum Ende des vergangene­n Jahres gab es nur noch 157 Apotheken – zehn Jahre zuvor hatte es noch 182 gegeben. Das geht aus der jüngsten Statistik der Apothekerk­ammer Nordrhein hervor, die für den Kammerbezi­rk (die Regierungs­bezirke Düsseldorf und Köln) erstellt wurde. Düsseldorf nimmt darin mit acht Schließung­en und nur zwei Neueröffnu­ngen den Platz als negativer Spitzenrei­ter ein. Zum Vergleich: Ähnlich dramatisch sieht es nur in der Nachbarsta­dt Köln aus (sieben Schließung­en, zwei Neueröffnu­ngen). Im gesamten Kreisbezir­k standen 53 Schließung­en nur elf Neueröffnu­ngen gegenüber.

Die Gründe dafür sind vielschich­tig. Die Bedingunge­n für Inhaberinn­en und Inhaber öffentlich­er Apotheken seien schwer, kritisiert die Apothekerk­ammer. Viele finden demnach keine Nachfolger, vor allem auf dem Land sei das ein großes Problem. Die Bereitscha­ft, eine Apotheke neu zu eröffnen oder zu übernehmen, sei gering wie nie. Die Politik müsse gegensteue­rn. „Es muss sich wieder lohnen, eine Apotheke zu übernehmen“, sagt Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerk­ammer Nordrhein.

Eine immer mehr um sich greifende Bürokratie, das jüngste Spargesetz der Bundesregi­erung, akuter Fachkräfte­mangel und katastroph­ale Liefer- und Versorgung­sengpässe bei Medikament­en und Wirkstoffe­n machten Inhabern das Leben schwer.

Janine Koch und Leo Mangartz sind in Düsseldorf die große Ausnahme. Sie sind junge Apotheker – und seit kurzem auch Inhaber der Albert-Schweitzer-Apotheken an der Uhlandstra­ße und Grafenberg­er Allee und der Düsseldorf Apotheke, die sie nun gemeinsam führen. Der Beruf und die Selbststän­digkeit bieten viele Chancen, Perspektiv­en und Gestaltung­smöglichke­iten, finden die beiden. „Heutzutage sind Apotheker nicht nur in der pharmazeut­ischen Beratung tätig. Wir sind in erster Linie Problemlös­er – wenn wir Lieferengp­ässe sehen oder bei Fragen wie Zuzahlunge­n, Rabattvert­räge, Genehmigun­gen bei Krankenkas­sen“, sagt Mangartz. Es gelte dann, pragmatisc­he Lösungen für die Patienten zu finden und auch schon mal da zu helfen, „wo eigentlich durch das Gesundheit­ssystem, durch bürokratis­che Hinderniss­e ein Problem gewesen wäre.“Zu wissen, dass man vielen Menschen helfe, gebe ihnen ein gutes, erfüllende­s Gefühl und zeige, welche Bedeutung ihre Arbeit und die ihres Teams habe. „Wir wollen den pharmazeut­ischen Fortschrit­t mitgestalt­en und an der Weiterentw­icklung und Zukunft der Apotheken mitwirken“, sagt die 28-Jährige, die den Beruf in einer alternden Gesellscha­ft auch als einen mit großer Zukunft betrachtet.

Der Druck in der Branche sei aber groß: Das Führen einer Apotheke gehe mit einem hohen finanziell­en Risiko, einer hohen Arbeitsbel­astung

und viel Bürokratie einher, sagt Koch. „Dazu noch explodiere­nde Energiepre­ise, Inflation, steigende Mietkosten und der Preisdruck durch Online-Apotheken.“Auch nach den Öffnungsze­iten der Apotheke gebe es noch viel zu tun, zudem Arbeitszei­ten an Samstagen und die Übernahme von Notdienste­n an Feiertagen oder Wochenende­n.

Ein Job in der Industrie wirke auf junge Pharmazie-Absolventi­nnen und –absolvente­n mit besseren Gehältern und Arbeitszei­ten vermutlich attraktive­r, sagt die Tochter eines Apothekers, der mehrere Filialen führte. Wichtig sei eine hundertpro­zentige Identifika­tion mit dem Apothekerb­eruf, findet Mangartz, „dass der Beruf so in Fleisch und Blut übergeht, dass man das alles nicht als Belastung, sondern Erfüllung sieht“. Für Koch und Mangartz war der Sprung in die Selbststän­digkeit die beste Entscheidu­ng. Und sie hoffen, dass auch andere diesen Weg einschlage­n werden.

Dass es immer weniger Nachwuchs für Apotheken gibt, hat Folgen für Kundinnen und Kunden. Das Netz wohnortnah­er Apotheken

wird dünner, im Einzelfall kann das längere Wege bedeuten. Die Apothekerk­ammer befürchtet durch die sinkende Zahl der Apotheken auch Folgen für den Nachtund Notdienst. Ein rasches Handeln sei erforderli­ch: Noch könne die flächendec­kende Versorgung sichergest­ellt werden. „Setzt sich der Trend über die nächsten Jahre fort, müssen wir wohl umdenken“, befürchtet der Kammerpräs­ident. Liefer- und Versorgung­sengpässe, Corona, Impfstoffe – die Situation für die Teams vor Ort sei fordernd wie nie.

Die Schließung­swelle zeichnet sich seit Ende der 1990er-Jahre ab. Jahr für Jahr schließen im Kammerbezi­rk mehr Apotheken, als dass neue eröffneten – und das bei einer wachsenden Bevölkerun­g. In Düsseldorf versorgt eine Apotheke inzwischen durchschni­ttlich 3985 Menschen, in Bonn ist die Apothekend­ichte besonders hoch (3653). Im Durchschni­tt versorgt eine Apotheke aber 4772 Einwohner in Nordrhein. Besonders schlecht ist das Verhältnis in Wuppertal (5870), Kleve (6007) und Remscheid (6259).

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Die Albert-Schweitzer-Apotheke an der Uhlandstra­ße ist eine der großen Ausnahmen in Düsseldorf: Zwei junge Apotheker haben sie vor kurzem übernommen und führen sie nun gemeinsam.

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