Schließungswelle bei Apotheken
Viele Apotheker finden keine Nachfolger. Für Kunden kann das längere Wege bedeuten – und dass es Probleme mit Notdiensten gibt.
DÜSSELDORF Das Apothekensterben erreicht in Düsseldorf ein dramatisches Ausmaß. Zum Ende des vergangenen Jahres gab es nur noch 157 Apotheken – zehn Jahre zuvor hatte es noch 182 gegeben. Das geht aus der jüngsten Statistik der Apothekerkammer Nordrhein hervor, die für den Kammerbezirk (die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln) erstellt wurde. Düsseldorf nimmt darin mit acht Schließungen und nur zwei Neueröffnungen den Platz als negativer Spitzenreiter ein. Zum Vergleich: Ähnlich dramatisch sieht es nur in der Nachbarstadt Köln aus (sieben Schließungen, zwei Neueröffnungen). Im gesamten Kreisbezirk standen 53 Schließungen nur elf Neueröffnungen gegenüber.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Die Bedingungen für Inhaberinnen und Inhaber öffentlicher Apotheken seien schwer, kritisiert die Apothekerkammer. Viele finden demnach keine Nachfolger, vor allem auf dem Land sei das ein großes Problem. Die Bereitschaft, eine Apotheke neu zu eröffnen oder zu übernehmen, sei gering wie nie. Die Politik müsse gegensteuern. „Es muss sich wieder lohnen, eine Apotheke zu übernehmen“, sagt Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein.
Eine immer mehr um sich greifende Bürokratie, das jüngste Spargesetz der Bundesregierung, akuter Fachkräftemangel und katastrophale Liefer- und Versorgungsengpässe bei Medikamenten und Wirkstoffen machten Inhabern das Leben schwer.
Janine Koch und Leo Mangartz sind in Düsseldorf die große Ausnahme. Sie sind junge Apotheker – und seit kurzem auch Inhaber der Albert-Schweitzer-Apotheken an der Uhlandstraße und Grafenberger Allee und der Düsseldorf Apotheke, die sie nun gemeinsam führen. Der Beruf und die Selbstständigkeit bieten viele Chancen, Perspektiven und Gestaltungsmöglichkeiten, finden die beiden. „Heutzutage sind Apotheker nicht nur in der pharmazeutischen Beratung tätig. Wir sind in erster Linie Problemlöser – wenn wir Lieferengpässe sehen oder bei Fragen wie Zuzahlungen, Rabattverträge, Genehmigungen bei Krankenkassen“, sagt Mangartz. Es gelte dann, pragmatische Lösungen für die Patienten zu finden und auch schon mal da zu helfen, „wo eigentlich durch das Gesundheitssystem, durch bürokratische Hindernisse ein Problem gewesen wäre.“Zu wissen, dass man vielen Menschen helfe, gebe ihnen ein gutes, erfüllendes Gefühl und zeige, welche Bedeutung ihre Arbeit und die ihres Teams habe. „Wir wollen den pharmazeutischen Fortschritt mitgestalten und an der Weiterentwicklung und Zukunft der Apotheken mitwirken“, sagt die 28-Jährige, die den Beruf in einer alternden Gesellschaft auch als einen mit großer Zukunft betrachtet.
Der Druck in der Branche sei aber groß: Das Führen einer Apotheke gehe mit einem hohen finanziellen Risiko, einer hohen Arbeitsbelastung
und viel Bürokratie einher, sagt Koch. „Dazu noch explodierende Energiepreise, Inflation, steigende Mietkosten und der Preisdruck durch Online-Apotheken.“Auch nach den Öffnungszeiten der Apotheke gebe es noch viel zu tun, zudem Arbeitszeiten an Samstagen und die Übernahme von Notdiensten an Feiertagen oder Wochenenden.
Ein Job in der Industrie wirke auf junge Pharmazie-Absolventinnen und –absolventen mit besseren Gehältern und Arbeitszeiten vermutlich attraktiver, sagt die Tochter eines Apothekers, der mehrere Filialen führte. Wichtig sei eine hundertprozentige Identifikation mit dem Apothekerberuf, findet Mangartz, „dass der Beruf so in Fleisch und Blut übergeht, dass man das alles nicht als Belastung, sondern Erfüllung sieht“. Für Koch und Mangartz war der Sprung in die Selbstständigkeit die beste Entscheidung. Und sie hoffen, dass auch andere diesen Weg einschlagen werden.
Dass es immer weniger Nachwuchs für Apotheken gibt, hat Folgen für Kundinnen und Kunden. Das Netz wohnortnaher Apotheken
wird dünner, im Einzelfall kann das längere Wege bedeuten. Die Apothekerkammer befürchtet durch die sinkende Zahl der Apotheken auch Folgen für den Nachtund Notdienst. Ein rasches Handeln sei erforderlich: Noch könne die flächendeckende Versorgung sichergestellt werden. „Setzt sich der Trend über die nächsten Jahre fort, müssen wir wohl umdenken“, befürchtet der Kammerpräsident. Liefer- und Versorgungsengpässe, Corona, Impfstoffe – die Situation für die Teams vor Ort sei fordernd wie nie.
Die Schließungswelle zeichnet sich seit Ende der 1990er-Jahre ab. Jahr für Jahr schließen im Kammerbezirk mehr Apotheken, als dass neue eröffneten – und das bei einer wachsenden Bevölkerung. In Düsseldorf versorgt eine Apotheke inzwischen durchschnittlich 3985 Menschen, in Bonn ist die Apothekendichte besonders hoch (3653). Im Durchschnitt versorgt eine Apotheke aber 4772 Einwohner in Nordrhein. Besonders schlecht ist das Verhältnis in Wuppertal (5870), Kleve (6007) und Remscheid (6259).