Rheinische Post Duisburg

Kunst oder das Ende einer 15-jährigen Freundscha­ft

Theaterfre­unde erlebten am Mittwoch die hoch gelobte Komödie „Kunst“der Gegenwarts­autorin Yasmina Reza. Wie das Stück beim Publikum ankam.

- VON JUTTA LANGHOFF

KAMP-LINTFORT „Was ist Kunst?“Ist sie das Ergebnis höchsten Könnens oder einfach nur die Laune eines kreativen Scharlatan­s? Dieser Frage ging am Mittwoch eine Komödie in der Kamp-Lintforter Stadthalle nach. Unter dem Titel „Kunst“konnten die Zuschauer dort erleben, was ein 1,20 mal 1,60 Meter großes Gemälde mit der 15-jährigen Freundscha­ft dreier Männer anzurichte­n in der Lage sein kann.

Nun zugegeben, das Bild war alles andere als gewöhnlich, zeigte es auf einer rein weißen Leinwand doch lediglich einige, nur bei ganz genauem Hinsehen zu erkennende weiße Streifen. Mit anderen Worten, es war rein weiß, oder wie es der Dichter Alphonse Allais in seinem vor 100 Jahren erschienen­en Roman „Album Primo-Avrilesque“beschrieb, die Darstellun­g einer „Erstkommun­ion junger, bleichsüch­tiger Mädchen

bei Schneetrei­ben“. Das allein wäre für den gestandene­n Ingenieur Marc (Martin Molitor) noch hinnehmbar gewesen, aber dass sein bisher bester Freund Serge (Luc Feit), ein gesellscha­ftlich hoch geachteter Hautarzt dafür 200 000 Franc auf den Tisch geblättert hatte, konnte Marc nun wirklich überhaupt nicht verstehen. Das wiederum beleidigte Serge zutiefst, hielt er sich im Grunde seiner Seele doch für einen exzellente­n Kunstkenne­r und fiand sich auch sonst sehr avantgardi­stisch: „Du bist zwar wohlhabend, aber du schwimmst doch nicht in Geld. Außerdem hast du auf dem Gebiet doch gar keine Ahnung“, musste er sich er sich von Marc sagen lassen, was ihn verständli­cherweise nicht sonderlich begeistert­e.

Auch Freund Yvan (wunderbar verletzlic­h und hektisch gespielt von Heinrich Schafmeist­er), ein eher schlichter Zeitgenoss­e, zeigte sich wenig beeindruck­t von dem weißen Kunstwerk, wollte es sich aber weder mit Serge noch mit Marc verderben, als ihn beide als Schiedsric­hter für sich zu gewinnen bemühten.

„Ich mag das Bild zwar nicht besonders, lehne es aber auch nicht ab“, versuchte er sich möglichst geschickt aus der Sache heraus zu halten, woraufhin die beiden Streithähn­e nun über ihn herfielen. So eskalierte der Streit immer weiter, bis das Ganze schließlic­h mit einer handfesten Schlägerei endete, und nachdem Yvan dabei schmerzhaf­t verletzt worden war, in Serges Frage gipfelte: „Ist das jetzt das Ende einer 15-jährigen Freundscha­ft?“„Und warum haben wir uns bisher getroffen, wenn wir uns doch so sehr hassen?“, wollte Yvan wissen. Ja, warum? Unter diesen Umständen hielten wohl die meisten Zuschauer eine Versöhnung zwischen den Freunden für kaum noch möglich, doch sie gelang. Nachdem Marc mit der Zustimmung von Serge das weiße Gemälde mit einem roten Filzschrei­ber bemalt, und alle drei die kunstfeind­liche Verzierung anschließe­nd gemeinsam wieder abgewasche­n hatten, einigte man sich schließlic­h darauf: „Dieses Bild ist nur weiß, sondern zeigt eigentlich einen Skifahrer, der gerade am Horizont einer schneebede­ckten Landschaft verschwund­en ist.“

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PRÜMEN ?? Die Schauspiel­er überzeugte­n in ihren Rollen. Im Stück wird das labile Gleichgewi­cht von Männerfreu­ndschaften entlarvt.
FOTO: NORBERT PRÜMEN Die Schauspiel­er überzeugte­n in ihren Rollen. Im Stück wird das labile Gleichgewi­cht von Männerfreu­ndschaften entlarvt.

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