Selbstbestimmungsgesetz in der Kritik
Mit der Neuregelung soll geschlechtliche Vielfalt ohne Gerichtstermin möglich werden. CDU-Politikern geht das zu weit.
BERLIN Wer aktuell sein Geschlecht im Pass ändern will, muss sich zunächst einer Begutachtung unterziehen. Mithilfe von zwei psychiatrischen Gutachten wird schließlich in einem Gerichtsverfahren über den beantragten Personenstandswechsel entschieden – ein teures und langwieriges, aber vor allem nicht mehr zeitgemäßes Verfahren, wie viele Betroffene kritisieren. Sie müssten sich sehr intimen Fragen stellen, die als übergriffig und diskriminierend empfunden werden.
Deshalb will die Bundesregierung das aktuell geltende Transsexuellengesetz von 1980 abschaffen und durch ein neues Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Nach Angaben von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sind die
Arbeiten am Gesetzesentwurf bereits weitgehend abgeschlossen.
Demnach soll jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht und seinen Vornamen künftig selbst festlegen können. Dafür werde eine Erklärung darüber, dass die selbst empfundene geschlechtliche Identität nicht mit dem eingetragenen Geschlecht übereinstimmt, ausreichen. Ein Vorhaben, das vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) begrüßt wird: „Es gibt keinen anderen Beweis für die geschlechtliche Identität als die Auskunft der Person selbst. Das muss sich auch in der Gesetzeslage widerspiegeln“, wie Sprecherin Kerstin Thost unserer Redaktion sagte. Ein Termin vor Gericht sei auch nicht mehr nötig, ein Besuch beim Standesamt soll künftig ausreichen.
Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz will die Regierung eine einheitliche Regelung für transgeschlechtliche sowie nicht-binäre und intergeschlechtliche Personen jeglichen Alters schaffen. Für Minderjährige soll allerdings das Einverständnis der Sorgeberechtigten notwendig sein. Sollten diese nicht zustimmen, kann das Familiengericht über die gewünschte Änderung des Geschlechtseintrags von Jugendlichen ab 14 Jahren entscheiden.
Kritik kommt aus den Reihen der CDU: „Besonders problematisch ist hier, wenn der Staat Kinder und Jugendliche mit dieser Wechselmöglichkeit alleine lässt, und sie ermuntert werden, diese auch gegen den Elternwillen durchzusetzen“, wie Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU, sagte. Seine
Fraktion stehe dem Abbau von Regelungen, die als belastend wahrgenommen werden, offen gegenüber. Das geplante Selbstbestimmungsgesetz bezeichnet Krings aber als „grundfalschen Reformansatz“.
Das Bundesjustizministerium verweist jedoch auf die zentrale Rolle der Eltern und die Beratungsangebote: Minderjährige und ihre Eltern bekämen die Möglichkeit, sich vorab kostenlos von Experten beraten zu lassen. Ist der Geschlechtseintrag geändert, gilt eine Sperrfrist von einem Jahr für eine erneute Änderung. Auch die Bedenken bezüglich unüberlegter geschlechtsangleichender Operationen hat Buschmann bereits ausgeräumt. Medizinische Fragen seien kein Teil des neuen Gesetzes.
Noch größer sind die Sorgen aber im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch des Gesetzes. Kritiker fürchten, dass Frauen dadurch Schutzräume verlieren könnten und mehr Gewalt ausgesetzt wären. Thost hält es für abwegig, dass eine Person extra den Geschlechtseintrag ändert, nur um eine Frauentoilette oder Umkleide zu betreten. „Die häufig geäußerten, als Sorgen getarnten Diskriminierungen zeigen, dass es massiven Aufklärungsbedarf in der ganzen Gesellschaft gibt“, sagt Thost. Auch im Bundesverband Trans* (BVT*) nimmt man Unsicherheiten in der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz wahr. Laut Kalle Hümpfner, Fachreferent*in für gesellschaftspolitische Arbeit beim BVT*, würden viele Fehlinformationen verbreitet und teilweise Ängste bewusst geschürt. Daher haben die Verbände den Minister um ein Gespräch gebeten.