Die gequälten Seelen der Jagdhunde
Nach Saisonende werden in Spanien Zehntausende Galgos ausgesetzt. Tierschützer versuchen zu helfen.
CÓRDOBA/MADRID Die Zwinger sind voll mit Jagdhunden, die von ihren Besitzern ausgesetzt wurden. Hinter den Gittern befinden sich Galgos, auch Windhunde genannt. Sie heißen Arantxa, Helena oder Kayli. Viele sehen verängstigt aus, zittern und haben den Schwanz zwischen die Hinterbeine geklemmt.
Und sie sind leider nicht die einzigen. Allein im Januar rettete der spanische Tierschutzverein Galgos del Sur im südspanischen Córdoba fast 30 Galgos. Im ganzen Jahr sind es üblicherweise knapp 400 Jagdhunde, die in diesem privaten Auffangheim landen. Und die hier darauf warten, dass sich Tierfreunde ihrer erbarmen und ihnen ein neues und besseres Zuhause bieten.
Der gemeinnützige Verein ist die letzte Hoffnung für die Galgos, Podencos und andere Jagdhunderassen. Vierbeiner, die zur Hetzjagd oder auch zu Hundewettkämpfen benutzt und von ihren Eigentümern fortgejagt wurden, weil sie nicht mehr schnell genug waren: „Uns erwarten von Februar an fürchterliche Monate“, erklärt Patricia Almansa, Vorsitzende von „Galgos del Sur“. Warum? Weil im Laufe des Februars die Jagdsaison endet und die Schonzeit für viele Wildtiere beginnt, die in den nächsten Monaten ihren Nachwuchs aufziehen.
Mit dem Ende der Saison für die Jäger beginnt die Hochsaison der Tierschützer. Galgos del Sur schloss sich gerade mit vier weiteren spanischen Tierheimen zu einer gemeinsamen Plattform zusammen. Allein diese fünf Vereine nahmen im vergangenen Jahr 1625 herrenlose Jagdhunde auf. „Das ist eine unhaltbare Situation“, sagt Tierschützerin Patricia Almansa: „Und das wiederholt sich jedes Jahr. Unsere Auffangstation ist überfüllt.“Das massive Aussetzen der Galgos nehme kein Ende. Gerade erst seien wieder acht Windhunde aufgenommen worden. „Sie sind in einem bedauerlichen körperlichen Zustand, unterernährt und mit vielen Verletzungen.“
Wie viele Galgos und Hunde anderer Jagdrassen in ganz Spanien jedes Jahr ausgesetzt werden, weiß niemand. Halbwegs sicher ist nur, dass es Zehntausende sind, die jährlich in den mehr als 1000 spanischen Tierheimen, die meist von privaten Initiativen geführt werden, aufgenommen und gepflegt werden.
Die Stiftung Affinity, die mit der Universität Barcelona zusammenarbeitet und landesweit Daten sammelt, geht davon aus, dass in 2021 (neuere Zahlen liegen nicht vor) mindestens 22.000 verlassene Jagdhunde aufgegriffen wurden. Die Gesamtzahl der in Spanien ausgesetzten Vierbeiner betrug demzufolge 286.000 – davon waren 168.000 Hunde und 118.000 Katzen. Doch diese Zahlen spiegeln nur eine Seite des Dramas wider – denn mitgezählt werden nur jene Vierbeiner, die es noch bis in ein Tierheim schaffen. „Nur ein kleiner Teil der Jagdhunde hat das Glück, in eine private Auffangstation zu gelangen und dort von einer Familie adoptiert zu werden“, berichtet Galgos-del-Sur-Chefin Almansa.
Die Mehrheit der von den Jägern ausgemusterten Tiere überleben vermutlich nicht, glaubt Almansa. Viele werden auf Autobahnen und Landstraßen überfahren, sterben an Erschöpfung oder werden in öffentlichen Tierheimen getötet, weil es dort keinen Platz mehr gibt.
Vor diesem Hintergrund haben Tierrechtsorganisationen am Sonntag in Spanien gegen ein geplantes Tierschutzgesetz der Regierung demonstriert. Die Protestierenden kritisierten eine in letzter Minute erfolgte Änderung des Entwurfs, mit der Jagdhunde auf Druck der Jagdlobby vom Schutz im Rahmen des Gesetzes ausgenommen wurden. Unter dem Motto „Selbe Hunde, selbes Gesetz“gingen in der Hauptstadt Madrid und Dutzenden anderen Städten Tausende Menschen – wie zuvor in Berlin – auf die Straße, um die Regierung zu einer Wiederaufnahme der Jagdhunde in das Gesetz zu bewegen, nachdem die Jäger, von denen es in Spanien nahezu 700.000 gibt, Druck gemacht und den sozialdemokratischen Premier Pedro Sánchez dazu bewegt hatten, die Jagdhunde bei der Reform außen vor zu lassen.