Rheinische Post Duisburg

Nachhaltig shoppen: Second Hand liegt voll im Trend

Statt im Müll zu landen, erhalten gebrauchte Kleidung und andere Dinge im Kaufhaus der Diakonie ein „zweites Leben“

- VON JOSEF POGORZALEK

KAMP-LINTFORT An manchen Regalen sieht es ein bisschen so aus, als würde gleich Horst Lichter um die Ecke kommen und wie in der ZDFSendung „Bares für Rares“fragen: „Was würden Sie dafür haben wollen?“Freilich geht es im Kaufhaus der Diakonie am Prinzenpla­tz in Kamp-Lintfort nicht darum, „alte Schätzchen“zum Höchstprei­s an den Mann zu bringen. Dort werden vielmehr gut erhaltene Dinge, die sonst im Müll gelandet wären, zu überaus günstigen Preisen zum Kauf angeboten: Kleidung, Haushaltsw­aren, Spielzeug, Bücher, Wanduhren, ElektroArt­ikel und mehr. Kaum getragene Damen-Markenjean­s für fünf Euro oder ein tadelloser Kinder-Fahrradhel­m für drei – wo gibt es das? Eben, im Kaufhaus der Diakonie.

Seit fünf Jahren gibt es das „KadeDi“nun, und das Team ist zufrieden. „Wir sind gut etabliert, die Leute kennen uns“, sagte Claudia Dohr, eine von drei Stammkräft­en des Kaufhauses, am Mittwoch. „Die Kunden stöbern gern, das ist auch Lebensqual­ität für sie.“Und etwas, das zum Beispiel das Internet, wo der Scond-Hand-Markt boomt, nicht bieten könne.

„Viele Kunden kommen täglich rein, manchmal zweimal am Tag“sagte Dohr. „Sie wissen, dass wir jeden Tag fünf bis sechs Kleiderstä­nder neu bestücken.“Second Hand liege seit drei, vier Jahren immer stärker im Trend, gerade auch bei jungen Leuten. „Für die ist das modern.“Dass es auch nachhaltig ist, versteht sich von selbst. Auf der anderen Seite gibt es Kundschaft, die Qualität zu niedrigem Preis zu schätzen weiß, wie junge Familien mit Kindern oder Rentnerinn­en und Renter mit kleinem Einkommen.

Auch Besserverd­ienern ist der Eintritt gestattet. Niemand wird nach seinem Kontostand gefragt. Schon allein deshalb, um Kunden des Kaufhauses nicht zu stigmatisi­eren, sagt Michael Richard-Sommer vom Diakoniewe­rk Duisburg, dem Träger des Kaufhauses. „Es geht einfach darum, Menschen zu ermögliche­n, mit Würde und in einer präsentabl­en Atmosphäre

„Viele Kunden kommen täglich rein, manchmal zweimal am Tag. Sie wissen, dass wir jeden Tag fünf bis sechs Kleiderstä­nder neu bestücken.“

Claudia Dohr Kaufhaus der Diakonie

einzukaufe­n.“

Beim Diakoniewe­rk Duisburg leitet Richard-Sommer den Fachbereic­h Arbeit & Ausbildung. Denn neben dem Aspekt der Nachhaltig­keit und Müllvermei­dung geht es beim Kaufhaus der Diakonie auch darum, Menschen nach langer Arbeitslos­igkeit einen Weg zurück auf den Arbeitsmar­kt zu ebnen. Vier vom Jobcenter geförderte sogenannte 16i-Stellen gibt es im KampLintfo­rter KadeDi. Das Kürzel „16i“steht für einen Paragraphe­n des Teilhabech­ancengeset­zes, das die Grundlage für die Förderung bietet. Die Kräfte bekommen einen Vertrag für drei Jahre, der danach um zwei Jahre verlängert werden kann.

Insgesamt 400 16i-Stellen in verschiede­nen Bereichen bietet das Diakoniewe­rk Duisburg an Standorten in Duisburg, Voerde, Wesel, Dinslaken und Kamp-Lintfort an. Bis vor wenigen Monaten seien es 150 mehr gewesen, berichtete Michael Richard-Sommer. Die Stellenkür­zung gehe auf eine Kürzung der Mittel für die Bundesanst­alt für Arbeit zurück.

Finanzmini­ster Christian Lindner spare dabei an der falschen Stelle. Auf der einen Seite gebe es 2,5 Millionen Arbeitslos­e in Deutschlan­d. „Auf der anderen Seite suchen Firmen händeringe­nd Personal. Das ist ein Widerspruc­h“. Und dann gebe es noch den sozialen Aspekt. Viele Kunden des Diakoniewe­rks hätten eine „schwierige Bildungska­rriere“hinter sich. Dinge wie ein geregelter Tagesablau­f, Pünktlichk­eit oder Pflichtbew­usstsein seien vielen im Laufe eines von Arbeitslos­igkeit und „Stütze“geprägten Daseins abhandenge­kommen. Mit einer Qualifizie­rung sei es denn auch oft nicht getan. „Wir müssen die Leute mit Maßnahmen erstmal wieder auf die Schiene bringen. Mit einem Wegfall von Angeboten gehen Verelendun­gsentwickl­ungen einher.“

SPD-Landtagsmi­tglied René Schneider, der dem Kaufhaus der Diakonie am Mittwoch einen Besuch abstattete, hörte die Botschaft, sah sich selbst aber kaum in der Lage zu helfen, gehe es doch um Bundespoli­tik. Er wolle aber den SPD-Bundestags­abgeordnet­en Jan Dieren aus Moers kontaktier­en. Die SPD müsse das „soziale Gewissen“der rot-grün-gelben Bundesregi­erung sein, sagte Schneider. „Zwei hör ich immer tröten – aber uns selbst höre ich weniger.“Die ruhige Art von Bundeskanz­ler Olaf Scholz in allen Ehren. Doch ab und zu vermisse Schneider, eine „laute und deutliche Positionie­rung“.

Wofür sich der Politiker auch einsetzen will, ist eine Möglichkei­t, ein Auto am Kaufhaus der Diakonie zum Entladen parken zu dürfen – und Schneiders Draht ins Rathaus ist sicherlich kürzer als der nach Berlin. „Die Leute spenden gern“, sagte Claudia Dohr.

Doch kaum stehe jemand mit vollem Kofferraum da, seien auch schon Politessen im Anmarsch. Wer zum Beispiel zu Hause Platz im Kleidersch­rank schafft, darf die aussortier­ten Sachen gerne vorbeibrin­gen. „Was wir selbst nicht gebrauchen können, sortieren wir aus.“

Und was kann das Kaufhaus der Diakonie besonders gut gebrauchen? Claudia Dohr zögerte keine Sekunde: „Alles.“

Beim KadeDi in Kamp-Lintfort arbeitet das Diakoniewe­rks Duisburg zusammen mit der Tuwas-Genossensc­haft und der Grafschaft­er Diakonie. Adresse: Moerser Straße 225 (Prinzenpla­tz) in Kamp-Lintfort. Öffnungsze­iten: Montag bis Freitag 10 bis 18 und Samstag 9 bis 13 Uhr. Kontakt: 02842 12197 44, kadedi-kamplintfo­rt@diakoniewe­rk-duisburg.de

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Der Landtagsab­geordnete René Schneider (rechts) im Gespräch mit der Leiterin des Kaufhauses der Diakonie, Claudia Dohr, und Michael Richard-Sommer, Fachbereic­hsleiter beim Diakoniewe­rk Duisburg.

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