Nachhaltig shoppen: Second Hand liegt voll im Trend
Statt im Müll zu landen, erhalten gebrauchte Kleidung und andere Dinge im Kaufhaus der Diakonie ein „zweites Leben“
KAMP-LINTFORT An manchen Regalen sieht es ein bisschen so aus, als würde gleich Horst Lichter um die Ecke kommen und wie in der ZDFSendung „Bares für Rares“fragen: „Was würden Sie dafür haben wollen?“Freilich geht es im Kaufhaus der Diakonie am Prinzenplatz in Kamp-Lintfort nicht darum, „alte Schätzchen“zum Höchstpreis an den Mann zu bringen. Dort werden vielmehr gut erhaltene Dinge, die sonst im Müll gelandet wären, zu überaus günstigen Preisen zum Kauf angeboten: Kleidung, Haushaltswaren, Spielzeug, Bücher, Wanduhren, ElektroArtikel und mehr. Kaum getragene Damen-Markenjeans für fünf Euro oder ein tadelloser Kinder-Fahrradhelm für drei – wo gibt es das? Eben, im Kaufhaus der Diakonie.
Seit fünf Jahren gibt es das „KadeDi“nun, und das Team ist zufrieden. „Wir sind gut etabliert, die Leute kennen uns“, sagte Claudia Dohr, eine von drei Stammkräften des Kaufhauses, am Mittwoch. „Die Kunden stöbern gern, das ist auch Lebensqualität für sie.“Und etwas, das zum Beispiel das Internet, wo der Scond-Hand-Markt boomt, nicht bieten könne.
„Viele Kunden kommen täglich rein, manchmal zweimal am Tag“sagte Dohr. „Sie wissen, dass wir jeden Tag fünf bis sechs Kleiderständer neu bestücken.“Second Hand liege seit drei, vier Jahren immer stärker im Trend, gerade auch bei jungen Leuten. „Für die ist das modern.“Dass es auch nachhaltig ist, versteht sich von selbst. Auf der anderen Seite gibt es Kundschaft, die Qualität zu niedrigem Preis zu schätzen weiß, wie junge Familien mit Kindern oder Rentnerinnen und Renter mit kleinem Einkommen.
Auch Besserverdienern ist der Eintritt gestattet. Niemand wird nach seinem Kontostand gefragt. Schon allein deshalb, um Kunden des Kaufhauses nicht zu stigmatisieren, sagt Michael Richard-Sommer vom Diakoniewerk Duisburg, dem Träger des Kaufhauses. „Es geht einfach darum, Menschen zu ermöglichen, mit Würde und in einer präsentablen Atmosphäre
„Viele Kunden kommen täglich rein, manchmal zweimal am Tag. Sie wissen, dass wir jeden Tag fünf bis sechs Kleiderständer neu bestücken.“
Claudia Dohr Kaufhaus der Diakonie
einzukaufen.“
Beim Diakoniewerk Duisburg leitet Richard-Sommer den Fachbereich Arbeit & Ausbildung. Denn neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit und Müllvermeidung geht es beim Kaufhaus der Diakonie auch darum, Menschen nach langer Arbeitslosigkeit einen Weg zurück auf den Arbeitsmarkt zu ebnen. Vier vom Jobcenter geförderte sogenannte 16i-Stellen gibt es im KampLintforter KadeDi. Das Kürzel „16i“steht für einen Paragraphen des Teilhabechancengesetzes, das die Grundlage für die Förderung bietet. Die Kräfte bekommen einen Vertrag für drei Jahre, der danach um zwei Jahre verlängert werden kann.
Insgesamt 400 16i-Stellen in verschiedenen Bereichen bietet das Diakoniewerk Duisburg an Standorten in Duisburg, Voerde, Wesel, Dinslaken und Kamp-Lintfort an. Bis vor wenigen Monaten seien es 150 mehr gewesen, berichtete Michael Richard-Sommer. Die Stellenkürzung gehe auf eine Kürzung der Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit zurück.
Finanzminister Christian Lindner spare dabei an der falschen Stelle. Auf der einen Seite gebe es 2,5 Millionen Arbeitslose in Deutschland. „Auf der anderen Seite suchen Firmen händeringend Personal. Das ist ein Widerspruch“. Und dann gebe es noch den sozialen Aspekt. Viele Kunden des Diakoniewerks hätten eine „schwierige Bildungskarriere“hinter sich. Dinge wie ein geregelter Tagesablauf, Pünktlichkeit oder Pflichtbewusstsein seien vielen im Laufe eines von Arbeitslosigkeit und „Stütze“geprägten Daseins abhandengekommen. Mit einer Qualifizierung sei es denn auch oft nicht getan. „Wir müssen die Leute mit Maßnahmen erstmal wieder auf die Schiene bringen. Mit einem Wegfall von Angeboten gehen Verelendungsentwicklungen einher.“
SPD-Landtagsmitglied René Schneider, der dem Kaufhaus der Diakonie am Mittwoch einen Besuch abstattete, hörte die Botschaft, sah sich selbst aber kaum in der Lage zu helfen, gehe es doch um Bundespolitik. Er wolle aber den SPD-Bundestagsabgeordneten Jan Dieren aus Moers kontaktieren. Die SPD müsse das „soziale Gewissen“der rot-grün-gelben Bundesregierung sein, sagte Schneider. „Zwei hör ich immer tröten – aber uns selbst höre ich weniger.“Die ruhige Art von Bundeskanzler Olaf Scholz in allen Ehren. Doch ab und zu vermisse Schneider, eine „laute und deutliche Positionierung“.
Wofür sich der Politiker auch einsetzen will, ist eine Möglichkeit, ein Auto am Kaufhaus der Diakonie zum Entladen parken zu dürfen – und Schneiders Draht ins Rathaus ist sicherlich kürzer als der nach Berlin. „Die Leute spenden gern“, sagte Claudia Dohr.
Doch kaum stehe jemand mit vollem Kofferraum da, seien auch schon Politessen im Anmarsch. Wer zum Beispiel zu Hause Platz im Kleiderschrank schafft, darf die aussortierten Sachen gerne vorbeibringen. „Was wir selbst nicht gebrauchen können, sortieren wir aus.“
Und was kann das Kaufhaus der Diakonie besonders gut gebrauchen? Claudia Dohr zögerte keine Sekunde: „Alles.“
Beim KadeDi in Kamp-Lintfort arbeitet das Diakoniewerks Duisburg zusammen mit der Tuwas-Genossenschaft und der Grafschafter Diakonie. Adresse: Moerser Straße 225 (Prinzenplatz) in Kamp-Lintfort. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 18 und Samstag 9 bis 13 Uhr. Kontakt: 02842 12197 44, kadedi-kamplintfort@diakoniewerk-duisburg.de