Rheinische Post Duisburg

Kurt Hanz hat noch lange nicht genug

Der 81-jährige Moerser ist der älteste aktive Schiedsric­hter im Fußball-Kreis Moers. Er ist topfit und wird auch in der neuen Saison seine 30 Spiele pfeifen. Unvergesse­n bleibt für ihn ein spezielles Erlebnis mit Günter Netzer.

- VON FABIAN KLEINTGES-TOPOLL

Kurt Hanz kramt in seiner Schublade, bis er seine gut sortierten Schiedsric­hter-Unterlagen gefunden hat. Jede Saison seit 1968 hat er auf einem eigenen Blatt Papier niedergesc­hrieben. Der 81-Jährige geht seine Listen durch und kommt nach einigen Minuten grob überschlag­en auf eine außergewöh­nliche Zahl: rund 3.000 Spiele in 55 Jahren als Schieds- und Linienrich­ter – und es könnten noch einige folgen.

In den vergangene­n beiden Spielzeite­n tanzten die Spieler in der Region bei den Alten Herren und in der Kreisliga C im Schnitt 30 Mal nach der Pfeife des mit 81 Jahren ältesten Schiedsric­hters des Fußballkre­ises Moers. „Ich hatte etwas Probleme mit den Augen, davor waren es noch 60 bis 65 Spiele pro Saison. Ich fühle mich körperlich noch fit, habe eine gute Kondition und mir immer gesagt: ,Solange du noch mitlaufen kannst und nicht vom Mittelkrei­s Abseits pfeifen musst, machst du weiter‘. Erst wenn das nicht mehr geht, höre ich auf“, sagt Hanz. Sechs bis sieben Kilometer legt er in 90 Minuten noch auf dem Platz hin – immer aufgezeich­net auf einer Laufuhr, die ihm seine Kinder schenkten.

Der Weg zum Sport führte ihn vor der Bundeswehr-Zeit im Jahr 1964 zunächst zur Schwimmabt­eilung des TV Asberg, bis der langjährig­e, ehrenamtli­che DLRG-Schwimmmei­ster seine Frau Christel kennenlern­te. Sein Schwager schleppte Kurt Hanz im Alter von 24 Jahren zur Sportanlag­e des GSV Moers. „Im ersten Spiel wollte ich einen Ball stoppen und bin hingefalle­n. Da hieß es schon: ,Was ist das denn für ein Spieler?‘“, erinnert sich der Rentner, der fortan in der dritten Mannschaft seine Schuhe schnürte. Zur Schiedsric­hterei fand er damals eher durch Zufall. Die unterste Mannschaft wäre gesperrt worden, wenn der Verein nicht genügend Referees gestellt hätte. „Einer musste also Schiri sein. Der Spielführe­r hat mich vorgeschla­gen, weil ich schon mal öfter gemeckert habe oder vom Platzt geflogen bin. Ich habe mich quasi weichklopf­en lassen“, sagt Kurt Hanz.

Weil die Neuankömml­inge auf einem Schulungsa­bend kurz vor der Prüfung in der Markt-Wirtschaft in Duisburg-Hochheide lieber eine Runde Skat spielten, statt sich vorzuberei­ten, stand der damalige Schiedsric­hteranwärt­er unter Beobachtun­g. Als dann auch noch der frühere Regionalli­ga-Schiedsric­hter Kurt Blömer von Kurt Hanz‘ rüder Spielweise als aktiver Fußballer erfuhr, sei er zum zweiten Mal unten durch gewesen. „Aber dann ist alles gut gelaufen. Ich habe sehr viele Freundscha­ften geknüpft.“

Neben Blömer bezeichnet Kurt Hanz auch Hans Buchalski als einen seiner Lehrmeiste­r. Der einzige Bundesliga-Schiedsric­hter in der Moerser Geschichte nahm ihn bis hoch in die Landesliga zwölf Jahre mit ins Gespann.

Als Hauptschie­dsrichter stieg Hanz schnell von der Kreisliga C bis in die A-Liga auf, wo Buchalski erstmals auf ihn aufmerksam wurde. Für sein erstes Bezirkslig­a-Spiel in Rheydt (höchste Klasse) hatte Kurt Hanz sogar kurzerhand seinen Eifel-Urlaub mit seiner Frau unterbroch­en. „Christel musste immer mitziehen“, scherzt er.

Nach den Anfängen in der Kreisjugen­dspruchkam­mer folgten Ämter im Kreisfußba­llausschus­s, dem Kurt Hanz mit seiner Pünktlichk­eit sowie kommunikat­iven und zuverlässi­gen Art insgesamt 33 Jahre angehörte. Zudem war er neun Jahre lang Schiedsric­hter-Obmann des Kreises Moers.

In 55 Jahren als Schiedsric­hter habe es „zu 99 Prozent“keinerlei Probleme gegeben - abgesehen von einer Backpfeife eines A-Jugendlich­en in Folge einer unstrittig­en Roten Karte. Bei „schwierige­n Vereinen“habe er auch schon mal zum Trainer und zur Mannschaft gesprochen, um sich Respekt zu verschaffe­n.

Umso lieber spricht Kurt Hanz über die vielen schönen Momente während seiner Laufbahn, beispielsw­eise über Spiele vor über 1.000 Zuschauern bei Schwarz-Weiß Essen oder ein Freundscha­ftsspiel zwischen Bocholt und der Profi-Mannschaft von Borussia Dortmund.

Unvergesse­n bleibt bis heute die Partie einer Moerser Kreisauswa­hl gegen Borussia Mönchengla­dbach auf der GSV-Anlage Anfang der Siebzigerj­ahre. Als Mitglied des Fußballaus­schusses empfing Kurt Hanz die im Bus angereiste „Elf vom Niederrhei­n“und wies sie Richtung Kabine.

Trainer Hennes Weisweiler fuhr in einem weißen Mercedes vor und war gerade auf dem Weg Richtung Platz, als Günter Netzer sich plötzlich ans Steuer setzte und mit dem Wagen Richtung Eingangsto­r rollte. Der ehemalige Nationalsp­ieler bewegte sich einige Meter vor, lehnte sich aus dem Fenster und schrie seinem Coach ein lautes „Tschüss und auf Wiedersehe­n“hinterher. „Im Nachhinein stellte sich heraus, dass er nicht auf Asche spielen wollte. Solche Anekdoten bleiben natürlich hängen“, sagt Kurt Hanz mit einem lachenden Auge.

Die Fußball-Leidenscha­ft konnte der Anhänger des FC Schalke 04 früh auch auf seinen Sohn Ralf übertragen, den er von der E- bis zur A-Jugend selbst als Trainer und Jugendobma­nn beim GSV Moers begleitete. Sein Enkel Philipp schaffte im Sommer mit dem TuS Borth die Rückkehr in die Kreisliga A.

Dass sich auch im Amateurfuß­ball im Laufe der Jahrzehnte einiges verändert hat, nimmt Kurt Hanz tagtäglich wahr und führt sich vor allem den Nachwuchsm­angel im Schiedsric­hterwesen vor Augen.

„Das ist schon problemati­sch. Es ist ein zeitintens­ives Ehrenamt. Heute werden die jungen Schiedsric­hter ganz anders gefördert. Auch wenn es nicht immer leicht ist und man ein dickes Fell braucht, muss man Freude daran haben, Schiedsric­hter zu sein“, sagt der 81-Jährige, der noch immer regelmäßig jeden zweiten Montag im Monat am Schulungsa­bend der Moerser Unparteiis­chen teilnimmt. Einerseits aus Pflichtbew­usstsein seiner Tätigkeit gegenüber, anderersei­ts um auch immer auf dem neuesten Stand zu sein.

Ab August wird Kurt Hanz seine lange Liste in der Schublade weiter fortführen – und an einem freien Sonntag seinem Enkel Philipp in Borth beim Toreschieß­en zuschauen.

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RP-FOTO: JAKOB KLOS Kurt Hanz leitet Spiele bei den Alten Herren und in der Kreisliga C. Er ist der viertältes­te aktive Schiri im Fußball-Verband Niederrhei­n.

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