Rheinische Post Duisburg

Neues Teleskop soll Weltall erforschen

Die Firma Vertex aus Duisburg hat mit Wessel aus Xanten und weiteren Partnern eines der modernsten Teleskope entwickelt und gebaut. Wissenscha­ftler wollen damit die Geburt von Sternen nach dem Urknall erforschen.

- VON MARKUS WERNING

XANTEN/HOMBERG In Xanten ist am Donnerstag ein neues Teleskop für die Erforschun­g des Universums vorgestell­t worden. Es wurde von Vertex Antennente­chnik entwickelt. Das Unternehme­n mit Sitz an der Baumstraße in Duisburg-Homberg hat es zusammen mit Zulieferer­n gebaut, unter anderem mit der Firma Wessel aus Xanten. Der mittelstän­dische Familienbe­trieb war für die Stahlarbei­ten verantwort­lich. Auf dem Betriebsge­lände von Wessel im Gewerbegeb­iet Birten wurde der 250 Tonnen schwere Koloss zusammenge­baut. Das neue Teleskop trägt den Namen Fred Young Submillime­ter Teleskops (FYST ), wie die Universitä­t Köln mitteilte. Wissenscha­ftler aus den USA, Kanada und Deutschlan­d wollen damit mehr über die Geburt der ersten Sterne nach dem Urknall und über die Entstehung von Sternen und Galaxien erfahren. Dafür arbeiten verschiede­ne Forschungs­einrichtun­gen zusammen: die Cornell University (USA), die Universitä­t Köln, die Universitä­t Bonn, das Max-Planck-Institut für Astrophysi­k in Garching sowie ein kanadische­s Konsortium aus mehreren Universitä­ten.

Das FYST sei eines der modernsten Teleskope seiner Art, erklärte die Universitä­t Köln weiter. Es habe einen Spiegeldur­chmesser von sechs Metern. Damit sei es für den Betrieb im Submillime­ter- bis Millimeter­Wellenläng­enbereich ausgelegt und könne Wellenläng­enbereiche beobachten, die nur wenige andere Teleskope überhaupt auffangen könnten. Dadurch werde es möglich sein, besser als bisher zu verstehen, was nach dem Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren passiert sei und wie Sterne, Galaxien, später die Sonne und die Erde entstanden seien, sagte Prof. Martha Haynes von der Cornell University in Ithaca (USA) am Donnerstag in Xanten. Mit dem Teleskop werde die Geschichte des Universums erforscht, ergänzte Prof. Dominik Riechers von der Universitä­t Köln. „Wir können die gesamte Evolution von Galaxien über mehr als 13 Milliarden Jahre studieren.“

Das Teleskop mache den Wissenscha­ftlern einen Wellenläng­enbereich zugänglich, „der uns sonst verschloss­en bleibt“, sagte Stefanie Walch-Gassner, Präsidenti­n der Astronomis­chen Gesellscha­ft. „Mit Spannung“erwarte sie die neuen Erkenntnis­se durch das FYST. Er sei Physiker, „mein Herz schlägt schneller“, wenn er sich vorstelle, welche Beobachtun­gen das Teleskop ermögliche, sagte Karsten Gerlof, Kanzler der Universitä­t Köln.

Dass dieses Teleskop in Xanten gebaut werde, sei „ein großer Moment für unsere kleine Stadt und ein starkes Zeichen für unseren Standort“, sagte Bürgermeis­ter Thomas Görtz. Er lobte alle Beteiligte­n – vom Finanzier bis zum Erbauer – für den Mut, zusammen dieses Projekt umgesetzt zu haben: „Sie haben etwas Großes geschaffen, im wahrsten Sinne des Wortes.“Edeltraud Klabuhn, Bürgermeis­terin der Stadt Duisburg, nannte es ein Verdienst von Vertex und der anderen Unternehme­n, dass Forscher in die Lage versetzt würden, „unsere Grenzen weiter zu stecken und auf das zu schauen, was hinter dem Horizont liegt“.

Am Teleskop sind noch Arbeiten erforderli­ch. Unter anderem fehlen die Spiegel. Es sind auch weitere Testläufe geplant. Ende des Jahres soll das Teleskop in Einzelteil­e zerlegt werden, um vom Niederrhei­n nach Südamerika transporti­ert zu werden. In der chilenisch­en Atacamawüs­te soll es in einer Höhe von 5600 Metern wieder aufgebaut werden. Für die Forschunge­n werde ein hoher und trockener Standort benötigt, erklärte die Universitä­t Köln. Die Beobachtun­gen des Weitwinkel-Teleskops würden durch den Wasserdamp­f in der Erdatmosph­äre leicht verzerrt. Deshalb werde das FYST auf dem Berg Cerro Chajnantor in der Atacamawüs­te aufgebaut. 2025 soll es in Betrieb gehen.

Vertex Antennente­chnik ist ein Entwickler und Hersteller von Antennen und Teleskopen. Mit Wessel haben die Duisburger vor wenigen Jahren den Bau von insgesamt zwei Teleskopen vereinbart. Die erste Anlage wurde 2022 vorgestell­t. Sie steht bereits in der Atacamawüs­te, ist aber noch nicht in Betrieb.

Die beiden Teleskope seien die erste Zusammenar­beit mit Wessel, sagte Vertex-Geschäftsf­ührer Peter Fasel. Das Unternehme­n habe sich einen Partner gesucht, der in der Nähe sei, wo das Teleskop aufgebaut und getestet werden könne, bevor es nach Südamerika transporti­ert werde. Und die Xantener hätten „die beste Qualität“geliefert, die Vertex bisher erlebt habe.

Wessel ist ein Druckteilb­auer für Industriea­nlagen. Stahlbau gehört zu den Kompetenze­n des Familienbe­triebs. Am Teleskop haben die Xantener den Stahlbau übernommen. „Jeder Stahlträge­r, den Sie am Teleskop sehen, ist von uns zugeschnit­ten, verschweiß­t und zusammenge­baut worden“, erklärte Wessel-Geschäftsf­ührer Patrick Lensing. Die Schweißarb­eiten hätten unter einem Millimeter genau sein müssen.

Die Herausford­erung bei dem Bau des Teleskops sei, dass es in einer Höhe von 5600 Metern funktionie­ren und für die Beobachtun­gen des Weltalls so genau ausgericht­et werden könne, als wenn von Xanten aus ein Spatz auf dem Kölner Dom getroffen werden müsse, erklärte Fasel. Es gebe weltweit nur wenige Firmen, die ein solches Instrument wie das FYST „von einer Idee bis zu einem funktionie­renden Teleskop in 5600 Metern Höhe“konstruier­en könnten.

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FOTOS: ARMIN FISCHER Das Teleskop wird auf dem Wessel-Firmengelä­nde in Xanten zusammenge­baut. Die beiden Spiegel fehlen noch, auch noch andere Bauteile.
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Nach dem ersten Testlauf wurden Führungen durch das mehrere Meter hohe Teleskop angeboten.
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Zum Testlauf waren Vertreter der beteiligte­n Forschungs­einrichtun­gen sowie Gäste angereist, zum Teil kamen sie aus den USA.

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