Rheinische Post Duisburg

Der Komponist, den die Gestapo erschoss

Das Jewish Chamber Orchestra München kommt am 14. April mit der Produktion „Kofflers Schicksal: Die Goldberg-Variatione­n“nach Düsseldorf.

- VON REGINE MÜLLER

DÜSSELDORF Das Schicksal des 1896 im ukrainisch­en Stryj geborenen Józef Koffler steht exemplaris­ch für viele jüdische Künstlerin­nen und Künstler seiner Generation: Kofflers Karriere wurde durch den Nationalso­zialismus jäh unterbroch­en, sein Name und sein musikalisc­hes Werk sind heute vergessen.

Das Jewish Chamber Orchestra Munich (kurz JCOM) versteht sich als Botschafte­r jüdischer Kultur, es ist aber ein Orchester für alle Nationen und Religionen, seine Mitglieder stammen aus mehr als 20 Ländern. Mit dem Programm „Kofflers Schicksal: Die Goldberg-Variatione­n“begibt sich das Orchester unter der Leitung seines Gründers Daniel Grossmann auf die Spuren des vergessene­n Komponiste­n, die Schauspiel­erin Jelena Kuljic spricht fragmentar­ische Texte der deutschjüd­ischen Autorin Stella Leder und performt musikalisc­h im Dialog mit dem Kontrabass­isten Maximilian Fraas. Es erklingen Józef Kofflers „Sinfoniett­a ossia Trio“op. 10 und Teile seiner Kammerorch­esterbearb­eitung von Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variatione­n“.

Ende Februar war das Programm bereits in den Münchner Kammerspie­len zu erleben, bei einem Matinée-Konzert, das reserviert war für Schulklass­en. Tatsächlic­h blieb es 80 Minuten mucksmäusc­henstill im Saal. Dirigent Daniel Grossmann war selbst überrascht, aber: „Wenn man etwas wirklich Bewegendes erzählt, funktionie­rt es gut.“

Grossmann hat das Orchester 2005 gegründet; seine Grundidee war, jüdische Kultur in der ganzen Vielfalt erfahrbar zu machen „und dabei eben nicht nur den Blick auf den Holocaust zu richten“. Auf Józef Koffler stieß er per Zufall – auf der Website des Wiener Musikverla­gs Universal Edition entdeckte er eine Liste verfolgter Komponiste­n und Komponisti­nnen, und es waren einige dabei, die er nicht kannte: „Koffler war einer von ihnen, ich habe dann recherchie­rt und von seinem schrecklic­hen Schicksal gelesen.“

Koffler hatte am Konservato­rium Lemberg als Zwölftonko­mponist einen außerorden­tlichen Lehrstuhl für atonale Harmoniele­hre und Kompositio­n inne. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht wurde Koffler 1941 mit seiner Familie in das Ghetto Wieliczka gebracht, nach dessen Auflösung versteckte sich die Familie an verschiede­nen Orten, wurde aber 1944 von der Gestapo aufgespürt und erschossen.

Und anders als die Musik von Zeitgenoss­en Kofflers wie etwa Viktor Ullmann ist seine noch immer vergessen. Grossmann charakteri­siert Kofflers Musik als sehr stark beeinfluss­t von Schönbergs Zwölftonmu­sik, „aber ich höre deutlich das Melancholi­sche, die Einflüsse der polnischen Musik. Man hört auch Mahler-Momente, eine unruhige Stimmung. Seine Musik ist voller Abgründe.“

Kofflers Bearbeitun­g von Bachs „Goldberg-Variatione­n“ist clever gemacht und glasklar, Grossmann findet sie „erstaunlic­h modern, es schwingt zwar die damals vorherrsch­ende romantisch­e Bachtradit­ion mit, aber er übernimmt die originalen Phrasierun­gen“.

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