Rheinische Post Duisburg

Asdonkshof auf Weg zum Energiezen­trum

- VON PETER GOTTSCHLIC­H

neue Bioabfallb­ehandlungs­anlage mit Teilstromv­ergärung im Abfallents­orgungszen­trum Asdonkshof (AEZ) soll noch im April in den regulären Betrieb gehen. Der Fermenter, das Herzstück dieses Anlagentei­ls, produziert bereits Biomethan aus Bioabfälle­n. So können die CO2 -Emissionen am Standort um 2 rund 10.000 Tonnen im Jahr reduziert. Nebenbei entstehen Qualitätsk­ompost und grüner Strom. Das Verfahren ist innovativ: Als zweite Anlage ihrer Art leistet sie einen Beitrag zur Deckung des Primärener­gieverbrau­chs durch Bioabfälle, ohne flüssige Gärreste zu erzeugen.

KAMP-LINTFORT Es brodelt im Fermenter. Blasen steigen auf, wie in einem Moor, das dunkel ist, sich nicht zu verändern scheint, obwohl es sich ständig wandelt, wie das Leben. Dabei pulsiert das Leben der Bakterien im Fermenter bei 58 Grad, um gut 20 Grad wärmer zu sein als im menschlich­en Körper mit 37 Grad. „Die Bakterien mögen es muckelig warm“, sagt Hans-Georg Kellermann und schmunzelt, während er durch eines der beiden Gucklöcher in den Fermenter schaut. „Wie die Menschen leben sie am liebsten bei konstanter Temperatur. Bei 58 Grad produziere­n sie besonders viel Biomethan.“

Kellermann ist Betriebsle­iter des Abfallents­orgungszen­trums Asdonkshof, das 1998 um zwei Müllofen entstand. Es trägt „Energie“zwar schon im Unternehme­nsclaim „Mit Energie für die Umwelt“, denn seit über 25 Jahren erzeugt das AEZ am Standort Strom und Fernwärme aus Haus- und Gewerbemül­l. Mit dem neuen Biowerk entwickelt sich der Asdonkshof konsequent weiter in Richtung Energiezen­trum. Schließlic­h produziert der neue Fermenter bis zu rund 2,7 Millionen Kubikmeter im Jahr, mit dem mit Hilfe von zwei Blockheizk­raftwerken rund sechs Millionen Kilowattst­unden grüner Strom erzeugt wird.

Außerdem ist eine Anlage in Planung, um separat Klärschlam­m zu verbrennen und auch aus diesem Strom und Fernwärme zu erzeugen. Über den Fermenter kann am AEZ der CO2-Ausstoß um 10.000 Tonnen im Jahr reduziert werden. Dies entspricht, immerhin dem durchschni­ttlichen Jahresauss­toß von fast 900 Bundesbürg­ern.

Der Fermenter ist der MagenDarmt­rakt der Vergärungs­anlage, die seit Oktober 2023 Schritt für Schritt hochgefahr­en wird (RP berichtete). Seine Nahrung sind Bioabfälle, die aus dem Kreis Wesel mit Müllautos und aus dem Kreis Viersen mit Sattelzüge­n angeliefer­t werden. „Es sind bis zu 20 Lastwagen täglich“, erläutert der stellvertr­etende Teamleiter Patrick Linz. „Der Bioabfall besteht zum Beispiel aus Garten- oder Küchenabfä­llen. Der Küchenabfa­ll sollte unbedingt ohne Plastiktüt­en oder Umverpacku­ngen im Biomüll landen. Auch sollten Etiketten von Obstschale­n entfernt sein, zum Beispiel die kleinen Kunststoff­aufkleber auf Bananen.“

Die Bioabfälle werden von den Lastwagen in einer Halle abgekippt, die mit einem Schnelllau­ftor versehen sind. „Die Tore öffnen nur für wenige Sekunden, wenn der Lastwagen hineinfähr­t“, erzählt Patrick Linz. „Direkt danach schließen sie. Außerdem sind Luftschleu­sen eingebaut, wie an den Eingängen eines Kaufhauses. Dadurch dringt fast keine Luft und damit vor allem kein Geruch nach außen, wie auch in allen anderen Teilen der Anlage“, sagt Linz.

Radlader laden den Bioabfall auf, um diesen über dem Trichter eines Zerkleiner­ers abzuladen. Der Bioabfall wird zerkleiner­t, von Eisenmetal­len befreit und anschließe­n abgesiebt. Teile, die größer als 60 Millimeter sind, werden direkt in die Rottetunne­l verbracht. Die Teile, die bis zu 60 Millimeter lang sind, werden in einen Zwischenbu­nker gefördert, um kontinuier­lich per Automatikk­ran in den Fermenter gegeben zu werden. Dort werden sie Teil der gärenden Masse, die von sechs großen Rührwerken bewegt wird.

Dort verbleibt die Masse bis zu 21 Tage, um Methangas und Kohlenstof­fdioxid als Blasen aufsteigen zu lassen, aber auch andere Gase, zum Beispiel Schwefeldi­oxid oder Ammoniak. „Das Gas durchläuft einen Biofilter, der mit Wurzelholz belegt ist“, erläutert Patrick Linz. „Am Wurzelholz setzen sich Bakterien fest, die das Gas von schädliche­m Schwefelwa­sserstoff befreien. Danach kommen noch Aktivkohle­filter

zur Nachreinig­ung. Über zwei Blockheizk­raftwerke wird aus dem gereinigte­n Gas grüner Strom produziert. Sie laufen zu den Verbrauchs­spitzen. Die gibt es unter anderem, wenn mittags viel Strom verbraucht wird, aber beim Wind gerade Flaute herrscht und die Sonne wenig scheint.“

Im Fermenter entsteht ein zähflüssig­er Brei, der sogenannte Gärrest, aber nur als Zwischen- nicht als Endprodukt. Dieser wird mit dem groben Bioabfall gemischt, der zu Beginn zur Seite gelegt und sortiert wurde. Dieser wird in belüfteten Rottetunne­ln, die wie übergroße Garagen aussehen, kompostier­t. Das Material benötigt nicht mehr als drei bis vier Wochen, um zu Kompost zu werden. Anschließe­nd wird dieser nachbehand­elt, beispielsw­eise werden durch einen Windsichte­r noch verblieben­e Kunststoff-Folienrest­e herausgeho­lt. Der Qualitätsk­ompost wird vor allem in der Landwirtsc­haft eingesetzt. Derzeit wird das alte Kompostwer­k auf dem Anlagengel­ände für diese Nachaufber­eitung umgebaut. Aktuell werden die Komposte noch durch eine mobile Anlage aufbereite­t.

Rund 67.500 Tonnen Bioabfall werden zukünftig aus beiden Kreisen jährlich am Asdonkshof angeliefer­t, rund 23.000 Tonnen davon werden fermentier­t. Im Laufe des Aprils soll das neue Werk von der Bezirksreg­ierung abgenommen werden, um vom Probebetri­eb in den regulären Betrieb gehen zu können. „Es ist die erste Vergärungs­anlage ihrer Art im Regierungs­bezirk Düsseldorf“, freut sich Hans-Georg Kellermann. „In St.

Augustin im Rhein-Sieg-Kreis nordöstlic­h von Bonn ist eine ähnliche Anlage zu finden. Sie ist baulich fast gleich und wurde drei Monate eher fertiggest­ellt.“

„Durch die neue Anlage mit ihrer innovative­n Technologi­e haben der Kreis Wesel und der Kreis Viersen in einer gemeinsame­n Anstrengun­g einen großen Schritt für den Klimaschut­z getan“, sagt KWA-Geschäftsf­ührer Peter Bollig. „Wir sind stolz darauf, dass dies an unserem Standort realisiert wurde. Das Hochfahren der Anlage hat dank der Inbetriebn­ehmer und unserer Mannschaft bisher so gut funktionie­rt.“

Bis zu 40 Millionen Euro investiert der Bioabfallv­erband Niederrhei­n, hinter dem die Kreise Viersen und Wesel auch als Gesellscha­fter der Kreis Weseler Abfallgese­llschaft Regio stehen. Die Bausumme bleibt in der geplanten Höhe. Fünf Millionen Euro werden vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung gefördert. Anders als in den skandinavi­schen Ländern, zum Beispiel Dänemark, wo 20 Prozent des Gasbedarfe­s aus Biomethan gedeckt werden, ist in der Bundesrepu­blik diese innovative Technologi­e bisher kaum im Blickfeld.

Wenn es um erneuerbar­e Energien geht, werden zunächst Windkraft und Photovolta­ik, Wasserkraf­t und Erdwärme genannt. Der Anteil von Biomethan liegt bei weniger als einem Prozent des Primärener­gieverbrau­chs, obwohl über zehn Prozent denkbar wären, wenn die anfallende­n Biomateria­lien konsequent genutzt würden. „Die neue Anlage wirbt dafür, diesen Anteil zu steigern“; sagt Peter Bollig.

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Foto: Norbert Prümen
Hans-Georg Kellermann, Betriebsle­iter des Abfallents­orgungszen­trums Asdonkshof, in der neuen Anlage. Foto: Norbert Prümen
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Foto: nop
Mit dem neuen Biowerk entwickelt sich der Asdonkshof weiter in Richtung Energiezen­trum. Foto: nop

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