28-jähriger Student aus Duisburg für Anti-Israel-Parolen verurteilt
DUISBURG (bm) Am 7. Oktober erschütterte der Terrorangriff der Hamas auf Israel die Welt. Zwei Tage später fand in Duisburg eine „Solidaritätskundgebung“für Gaza statt. Ein Student (28) aus Duisburg hatte die Veranstaltung der Gruppe „Palästina Solidarität Duisburg“angemeldet und sprach bei der Abschlusskundgebung vor der Hochfelder Pauluskirche. Wegen zwei Sätzen hat ihm das Amtsgericht nun wegen der Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der bislang unbestrafte Student hatte die Parolen „Yallah, Yallah, Intifada – von Duisburg bis nach Gaza“und „From the River to the Sea, Palestine will be free“angestimmt („vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein“). Gemeint sind der Jordan und auch das israelische Staatsgebiet bis zum Mittelmeer. „Yallah, Yallah, Intifada!“kann als „Vorwärts, auf geht’s zur Intifada“übersetzt werden. Die Palästinenser nennen ihren Aufstand gegen die israelische Besatzung Intifada (wörtlich: „abschütteln“).
Zwei Tage nach dem Terrorangriff mit mehr als 1100 Todesopfern sah die Staatsanwaltschaft Duisburg in der Verwendung der Parolen eine Zustimmung zu Mord, Totschlag und Entführung, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. Auf Antrag der Strafverfolgungsbehörde erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl über 1800 Euro (60 Tagessätze zu je 30 Euro) wegen Billigung von Straftaten.
Der Angeklagte legte Widerspruch ein. Vor Gericht gab er zu, die Sätze gesagt zu haben. Er habe damit aber keine Kriegsverbrechen bejubeln, sondern auf die jahrzehntelange Unterdrückung der Palästinenser aufmerksam machen wollen. Der angehende Magister der Geschichte, Arabistik und Islamwissenschaften dozierte ausführlich seine Sicht der historischen Entwicklungen und führte aus, die betreffenden Sätze seien nicht geistiges Eigentum der Hamas. Der 28-Jährige hielt seine Äußerungen für von der Meinungsfreiheit gedeckt und für moralisch gerechtfertigt. Er warf der Staatsanwaltschaft vor, willkürlich Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen. Zumal es keine Feststellungen zum sonstigen Inhalt seiner Rede gab. Weitere Äußerungen, die man als Billigung von Verbrechen oder gar als Aufruf zur Gewalt hätte interpretieren können, habe es nicht gegeben. Der Verteidiger forderte Freispruch. Wenn es nicht darum gehe, wie vom Gericht betont worden war, die fraglichen Sätze inhaltlich generell unter Strafe zu stellen, sei der juristischen Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet. „Wie können diese Äußerungen am 9. Oktober 2023 strafbar gewesen sein, wenn sie heute fielen, aber möglicherweise nicht mehr?“
Der Strafrichter sah den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang als ausschlaggebend für diesen Fall an. Wer zwei Tage nach den brutalen Taten schon in der Einladung von einem „Aufbruch“spreche, könne in der Öffentlichkeit kaum anders verstanden werden, als den Überfall und die verübten Verbrechen gutzuheißen. Die Anzahl der Tagessätze blieb unverändert, lediglich ihre Höhe wurde wegen der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten halbiert. Der muss nun 900 Euro bezahlen. Etwa 50 Zuschauer, viele von ihnen trugen Palästinenser-Tücher, verfolgten den Prozess weitgehend störungsfrei. Lediglich beim Schlussvortrag des Verteidigers und beim letzten Wort des Angeklagten gab es Applaus. Weil es nicht genügend Sitzplätze gab, wechselten sich die Zuhörer in Verhandlungspausen brav ab.