Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Koalition unterstützt Krisen-plan der EU
Kritik am Brüsseler 750-Milliarden-programm kommt nur von AFD und FDP. Einigkeit herrscht auch hinsichtlich des Berliner Konjunkturpakets.
BERLIN Große Probleme wie die Corona-krise brauchen große Lösungsansätze – so sehen es Eu-kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Regierungschefs von Frankreich und Deutschland, Emmanuel Macron und Angela Merkel, und jetzt auch die Koalitionsfraktionen in Berlin: In einer aktuellen Stunde des Bundestags signalisierten Vertreter von Union und SPD am Donnerstag grundsätzliche Unterstützung für von der Leyens 750-Milliarden-euro-programm für den Wiederaufbau Europas. Der Plan liege im „ureigenen Interesse“Deutschlands, weil er eine „Investition in die Zukunft Europas“sei, sagte Unionsfraktionsvize Andreas Jung. Auch die Grünen und die Linken begrüßten den Eu-plan. Von der FDP kam Detailkritik, von der AFD grundsätzliche Ablehnung.
Die Eu-kommissionschefin hatte den Plan erst am Mittwoch präsentiert, bereits am 19. Juni soll er auf einem Eu-gipfel von den Staats- und Regierungschefs beschlossen werden. 500 Milliarden Euro will von der Leyen in Form nicht rückzahlbarer Zuschüsse an Krisenstaaten wie Italien und Spanien geben, weitere 250 Milliarden Euro sollen als Kredite fließen. Finanziert werden soll das Programm über Schulden, die die Eu-kommission mit Hilfe von Garantien der Eu-staaten aufnehmen und dann zwischen 2028 und 2058 über den Eu-haushalt zurückzahlen will. Helfen sollen neue eigene Einnahmen für die EU aus Steuern und Abgaben, etwa eine Digitalsteuer oder eine Plastikabgabe. Damit sich die EU stärker verschulden kann, sollen die Mitgliedsstaaten eine höhere Haftung übernehmen. Auf Deutschland entfielen dabei rund 200 Milliarden Euro.
Die Einigung der Eu-staaten dürfte ein hartes Stück Arbeit werden. Nötig wäre Einstimmigkeit der 27 Eu-staaten sowie anschließend die Zustimmung nationaler Parlamente und des Eu-parlaments. Die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark haben jedoch Vorbehalte angemeldet.
Die gibt es ungeachtet aller grundsätzlichen Zustimmung auch noch in der Unionsfraktion. Es gebe „viele offene Fragen“, hieß es dort. Warum von der Leyen ihren ursprünglichen Vorschlag von 500 auf 750 Milliarden Euro aufgestockt habe, sei ebenso wenig nachvollziehbar wie die geplante Verteilung der Gelder an die Krisenstaaten. Italien etwa solle insgesamt 173 Milliarden Euro für Investitionsprojekte erhalten, werde diese aber kaum realisieren können, schon gar nicht in kurzer Zeit.
Die FDP übte offen Kritik. Parteichef Christian Lindner warnte davor, „Anreize dafür zu setzen, dass notwendige Reformen in Mitgliedsländern unterbleiben“. Von der Leyen habe die Vorstellungen von Merkel und Macron und die der „sparsamen Vier“, der Kritiker-länder unter Führung Österreichs, schlicht „addiert“. Aus Sicht Lindners ist für die Zustimmung zum Eu-plan eine Zwei-drittel-mehrheit im Bundestag nötig. Da Grüne und Linke den Plan unterstützen, wäre die Zwei-drittel-mehrheit allerdings nicht gefährdet, wenn AFD und FDP gegen den Plan stimmen würden.
Der Eu-plan fällt zeitlich zusammen mit intensiven Vorbereitungen für das deutsche Konjunkturpaket. Am Dienstag wollen die Koalitionsspitzen dazu Eckpunkte beschließen, die bereits am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligt werden sollen. Das Paket könnte ein Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro erreichen, die ebenfalls mit neuen Schulden finanziert werden sollen.
Fest steht bereits, dass es weitere Hilfen des Bundes für Unternehmen, Kommunen und Familien geben soll. Für Firmen plant die Koalition steuerliche Erleichterungen durch einen verbesserten Verlustrücktrag und die Einführung einer degressiven Sonderabschreibung (Sonder-afa) für Investitionen. Hinzu kommen soll ein weiteres 25-Milliarden-euro-programm für mittelgroße Firmen mit elf bis 249 Mitarbeitern. Sie sollen direkte Soforthilfen von bis zu 50.000 Euro zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen beantragen können.
Die SPD will vor allem einen Familienbonus von 300 Euro pro Kind durchsetzen. Auch die Union will die Nachfrage durch direkte Zahlungen an Familien ankurbeln, hat für den Bonus aber noch nicht grünes Licht gegeben. Die CSU trommelt für generelle Kaufprämien für die Autoindustrie, SPD und CDU wollen sie
auf umweltfreundliche Motoren beschränken. Zudem setzt die Union auf schnellere Genehmigungsverfahren und ein langfristiges Investitionsprogramm, um Deutschland bei Künstlicher Intelligenz, Wasserstofftechnologie, Digitalisierung und Klimaschutz fitter zu machen.
Strittig ist vor allem das von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geplante Rettungsprogramm für Kommunen im Umfang von 57 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon soll auf die Übernahme kommunaler Altschulden durch den Bund entfallen. Die Unionsfraktion kritisiert die Altschuldenhilfe, weil sie als Mittel zur Ankurbelung der Konjunktur unwirksam sei.
So sieht es auch FDP-CHEF Lindner: „Von der Altschulden-übernahme geht bei den niedrigen Zinsen kein besonderes Wachstumssignal aus“, sagte er. „Wir wären dennoch offen, über die Lage der Kommunen zu sprechen. Herr Scholz braucht für seine Altschulden-übernahme eine verfassungsändernde Mehrheit“, so Lindner. Doch bisher habe Scholz mit niemand über seinen Schutzschild für Kommunen gesprochen.