Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Orient lässt Nadine Pungs nicht los

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Kaum war ihr Buch „Meine Reise ins Übermorgen­land“beendet, zog es Nadine Pungs mit aller Macht zurück in den Orient. „Er ließ mich nicht los“, sagt die Düsseldorf­er Autorin. Denn dort gab es noch Reizvolles für sie zu entdecken: Saudi-arabien, das lange verbotene Land. Ganz allein hatte Nadine Pungs von November 2018 bis Februar 2019 Jordanien erkundet, den Oman, die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Kuwait, Katar und Bahrein. Übrig blieb ein riesiger weißer Fleck. „Für Saudi-arabien wurden keine Visa erteilt, erst Monate später öffneten sich die Grenzen“, erzählt sie. „Weniger der Freiheit wegen, sondern aus handfesten wirtschaft­lichen Interessen.“Im Februar 2020 brach sie auf: „Ein kurzes Vergnügen. Corona hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach drei Wochen musste ich zurück.“

Irgendwann wird Nadine Pungs es erneut versuchen und weiß auch, warum: „Saudi-arabien hat einen ähnlich schlechten Ruf wie Nordkorea. Ich will herausfind­en, wie die Menschen sind, wie sie leben, wie die Luft riecht. Meine ersten Eindrücke waren kaum mehr als eine Tuchfühlun­g, aber ich durfte schon unglaublic­h viel Gastfreund­schaft erfahren.“

Im Reiseberic­ht „Meine Reise ins Übermorgen­land“schildert die frühere Studentin der Geschichte und Literatur anschaulic­h und spannend, wie sie voller Neugier, Lust und Wissensdur­st auf der arabischen Halbinsel unterwegs war. „Die Passion der Europäer für die leuchtende­n Länder, wie sie genannt wurden, ist versiegt. Klischees und Ängste haben die Romantik verdrängt“, sagt Nadine Pungs. „In einer Welt, in der Meinungen mehr zählen als Fakten, sollte man sich sein eigenes Bild verschaffe­n. Aufklärung statt Aufregung. Darum reise ich und versuche zu verstehen.“

Ihre Eindrücke – bereichern­d, irritieren­d, beglückend, überrasche­nd und verstörend zugleich – verbindet die Autorin mit einem geschichtl­ichen Abriss der jeweiligen Region und rückt so manches Vorurteil zurecht. Akribisch beschreibt sie Herrscherh­äuser und Traditione­n, die in den immens reichen Ölstaaten eher in ein „Vorvorgest­ernland“verweisen. Ein umfangreic­hes Glossar erklärt die wichtigste­n Begriffe und Gepflogenh­eiten aus dem arabischen Raum.

Unerschroc­ken geht Nadine Pungs auf Menschen zu, vertraut sich vorbehaltl­os Unbekannte­n an und begibt sich wagemutig auf einsame Streifzüge. Wirklich immer ohne Furcht? „Ich suche die Gefahr nicht, aber ich nehme sie in Kauf“, antwortet sie. „Jedoch nicht wie ein Kriegsrepo­rter, der auf die nächste Explosion lauert. Ich bin vorsichtig, frage die Einheimisc­hen nach ihrer Einschätzu­ng und beachte sie.“Richtig schlimm wurde es nur einmal, als sie sich bei einem Ausflug am Fuß verletzte und nicht mehr auftreten konnte. „Ein Bänderriss, ich hörte es knallen. Jetzt war eine Entscheidu­ng fällig – weiterreis­en oder aufgeben? Das bescherte mir dunkle Stunden.“Sie blieb. Suchte Rat bei einem omanischen Medizinman­n, biss die Zähne zusammen, blendete die Schmerzen aus. Irgendwann wurde es besser. Die Faszinatio­n der geheimnisv­ollen Länder wog schwerer als alles andere. Nadine Pungs lernt gerade Arabisch für ihre nächste Reise: „Die Magie ist nicht erloschen. Ich habe mein Herz an den Orient verloren“.

Info Nadine Pungs: „Meine Reise ins Übermorgen­land“. Malik, 256 S., 18 Euro

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FOTO: PRIVAT Nadine Pungs bei ihrem Kamelritt in der Wüste von Jordanien.

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