Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Ich bin kein Monster“
Wegen Mordes verurteilt und später freigesprochen: Amanda Knox kehrt erstmals nach Italien zurück.
MODENA Es ist eine Abrechnung, vorgetragen mit brüchiger Stimme. Amanda Knox steht in Modena auf der Bühne. Die 31-jährige Us-amerikanerin ist erstmals seit acht Jahren wieder in Italien. Vor 12 Jahren wurde ihre Mitbewohnerin Meredith Kercher unter nie geklärten Umständen in der Studentenstadt Perugia ermordet. Knox wurde zweimal als Mörderin verurteilt, 2015 sprach Italiens Oberster Gerichtshof sie definitiv frei. Jetzt sagt sie: „Ich bin kein Monster, ich bin einfach nur Amanda.“
Das Publikum johlt, Applaus braust auf im Saal des Forum Monzani in Modena. Hier fand am Wochenende das „Festival für Strafjustiz“statt. Justizopfer traten auf, Amanda Knox, die im Februar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Entschädigung in Höhe von 18.000 Euro zugesprochen bekam, war der Stargast. Vier Jahre saß sie in Haft, bis heute polarisiert sie. Der Anwalt der Familie von Meredith Kercher bezeichnete den Auftritt als „Fehler“.
Knox begründet ihr Kommen damit, dass sie „ihre Version der Tatsachen“erzählen wolle. „Wir haben Amanda eingeladen, weil wir glauben, dass sie die Ikone, also das Symbol des massenmedialen Prozesses ist“, sagt eine Anwältin vom Organisationskomittee des Festivals. Bei ihrer Ankunft am Donnerstag am Mailänder Flughafen hatte Knox noch eingeschüchtert die Flucht vor den wartenden Journalisten ergriffen – bei ihrem Auftritt steht sie im Rampenlicht. Immer wieder muss sie am Samstag ihre Rede unterbrechen, einmal versagt ihre Stimme ganz. Das Thema des Vortrags lautet „Der mediale Strafprozess“. Sie sei als „Psychopathin“, „als Drogensüchtige, die an Orgien teilnahm“, als „Hure“beschrieben worden, sagt Knox. Auslöser waren die Thesen des Staatsanwalts in Perugia, der im ersten Prozess das Szenario einer dramatisch mit der Ermordung Kerchers geendeten Sex-orgie entworfen hatte. Kercher war halbnackt und mit durchschnittener Kehle gefunden worden.
Knox und ihr damaliger Freund Raffaele Sollecito wurden zu 26 und 25 Jahren Haft verurteilt. Es folgte ein Justiz-drama mit Freispruch, neuem Prozess mit Verurteilung und einem endgültigen Freispruch 2015. Die italienischen Ermittler gingen stümperhaft vor, Polizisten setzten Knox bei der Vernehmung offenbar enorm unter Druck.
In Modena beschuldigt Knox die Medien, die Ermittlungen verfälscht und die Richter beeinflusst zu haben, um „mit einer aufgeblasenen Story Einnahmen zu kassieren“. „Ich war unschuldig, aber der Rest der Welt hatte entschieden, dass ich schuldig war“, sagt sie. Sie habe in Haft an Selbstmord gedacht, der Gefängniskaplan habe sie davon abgehalten.
Die Rede ist auch der Versuch, die Öffentlichkeit von ihrer Version zu überzeugen. „Ich habe tausendmal gesagt, dass ich es nicht war. Es missfällt mir, dass ich es immer wiederholen muss“, sagt Knox. In den Tagen nach dem Mord hatte sie einen unschuldigen Barkeeper bezichtigt.
Auch in Modena präsentiert Knox einen vermeintlichen Täter – und beschuldigt auf der Bühne Rudy Guede. Dieser wurde wegen Beihilfe bereits zu 16 Jahren Haft verurteilt, gibt zu, am Tatort gewesen zu sein, bestreitet aber, der Täter zu sein. Wer Meredith Kercher ermordet hat, bleibt auch fast zwölf Jahre nach der Tat ein Mysterium.