Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Sie waren dramatisch nachlässig“

Drei Patienten kamen im „Krebszentr­um“in Brüggen-bracht ums Leben. Am Montag hat das Landgerich­t Krefeld sein Urteil über den behandelnd­en Heilprakti­ker gefällt: Der Fehler sei einzig und allein bei ihm zu suchen.

- VON SUSANNE HAMANN

MÖNCHENGLA­DBACH/VIERSEN Er wolle den Hinterblie­benen noch sagen, wie sehr er das Geschehene bedauere, sagt Heilprakti­ker Klaus R. tränenerst­ickt. Er könne sich immer noch nicht erklären, wie es dazu kommen konnte. Kurz darauf spricht das Krefelder Landgerich­t den 61-Jährigen am Montag wegen fahrlässig­er Tötung in drei Fällen schuldig. „Ich glaube, und ich muss das mit einer solchen Deutlichke­it sagen, es handelt sich hier um bemerkensw­erte Blauäugigk­eit“, erklärt der Vorsitzend­e Richter.

Mit belehrende­r und strenger Stimme zugleich spricht er auf den Angeklagte­n ein. Das Urteil hat er zuvor verkündet: zwei Jahre auf Bewährung. Außerdem darf Klaus R. nie wieder einen Heilberuf ausüben. Dem 61-Jährigen, der das „Krebszentr­um“in Brüggen-bracht betrieb, wurden fahrlässig­e Tötung in drei Fällen, fahrlässig­e Körperverl­etzung sowie diverse Verstöße gegen das Arzneimitt­elgesetz vorgeworfe­n. Der Richter bestätigte alle Anklagepun­kte, verhängte jedoch nicht die von der Staatsanwa­ltschaft geforderte Strafe von drei Jahren ohne Bewährung. Die Verteidige­rin von Klaus R. hatte zuvor einen Freispruch beantragt. Es sei nicht nachgewies­en, dass das Mittel den Tod verursacht habe. Und die schwer kranken Patienten hätten gewusst, dass sie sich auf eine experiment­elle Therapie einlassen. Damit enden drei Jahre Ermittlung­en und ein Jahr Verfahren gegen den Heilprakti­ker aus Moers.

Es war ein kniffliger und emotionale­r Prozess. Denn am Ende behandelte er auch die Frage, was Menschen tun, wenn sie um jeden Tag ringen. Und wie viel Verantwort­ung jene tragen, die Schwerkran­ken Hoffnung in Aussicht stellen.

Am 27. Juli 2016 behandelte Klaus R. drei todkranke Patienten mit dem Wirkstoff 3-Bromopyruv­at (3-BP). Ein synthetisc­h hergestell­tes Gift, das der Zelle Glukose entzieht und sie somit zerstört. Die drei Patienten starben kurz nach der Behandlung, nachdem sie alle Symptome wie Sprachausf­all, Bewegungsu­nfähigkeit, Krampfanfä­lle und Lähmungen zeigten.

In den USA halten manche Menschen 3-BP für ein Wundermitt­el gegen Krebs. In den Niederland­en ist es verboten, in Deutschlan­d nicht. Auf seiner Webseite bewarb Klaus R. das Mittel als „100 Prozent biologisch“. In Gesprächen gab er zu, dass es sich um eine experiment­elle Therapie handelte. „Man hätte den Patienten sagen müssen, dass sie sich Gift durch den Körper jagen“, sagte der Richter.

Denn laut Tierversuc­hen kann 3-BP tödlich sein. Ab welcher Dosis das für den Menschen gilt, ist unklar. Studien gibt es keine, schon gar nicht am Menschen. „All das wusste der Angeklagte“, erklärte der Richter. „Er hat nur nicht danach gehandelt.“Stattdesse­n reihte sich eine Verletzung der Sorgfaltsp­flicht an die andere: Klaus R. hat das Medikament, das er von einem Bekannten aus den USA bekam, nicht getestet und überprüft, eine für Kleinstmen­gen ungeeignet­e Waage bei der Herstellun­g der Infusion benutzt. Er hat das Mittel Patienten zur Eigenmedik­ation mit nach Hause gegeben, Infusionen falsch beschrifte­t. Aber vor allem hat Klaus R. die Dosierung des Mittels immer wieder hochgesetz­t, ohne das Risiko zu bedenken. Drei Milligramm pro Kilogramm Körpergewi­cht gelten als verträglic­h. Manche Patienten erhielten jedoch die bis zu sechsfache Dosis.

„Ich glaube nicht, dass Sie mit Vorsatz gehandelt haben“, sagte

der Richter. „Sie wollten Ihren Patienten wirklich helfen.“Bei Klaus R. sei nur weder damals noch während des Prozesses angekommen, dass jede Erhöhung der Dosis lebensgefä­hrlich sein könne. „Sie sind geradezu dramatisch nachlässig mit dem Mittel umgegangen.“

Eine andere Todesursac­he sowie Wechselwir­kungen mit anderen Mitteln schloss das Gericht aufgrund der Berichte der Sachverstä­ndigen aus, „die bei allen drei Patienten die gleichen Symptome und die gleiche Todesursac­he feststellt­en“. Unklar blieb bis zum Ende des Verfahrens, was genau an jenem 27. Juli 2016 schief gelaufen ist. „Wir wissen nicht, ob er den falschen Messlöffel genommen hat, in welcher Verfassung Klaus R. war oder was sonst schief gelaufen sein könnte. Das weiß nur ein Mensch im Raum“, sagte der Richter.

Entspreche­nd sei der Fehler auch nur bei diesem einen, dem Angeklagte­n, zu suchen.

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FOTO: DPA Der Heilprakti­ker Klaus R. (l.) und Anwältin Ursula Bissa stehen vor dem Beginn seines Prozesses in einem Saal des Landgerich­ts.

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