Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Die Kölner Polizei ist nicht rassistisc­h“

Nach einem als fremdenfei­ndlich kritisiert­en Einsatz der Polizei am Kölner Hauptbahnh­of äußert sich der Polizeiprä­sident.

- A. DOGAN UND C. SCHWERDTFE­GER FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

KÖLN Vor gut einem Monat machte am Kölner Hauptbahnh­of ein Polizeiein­satz Schlagzeil­en. Insgesamt zehn junge Männer waren zum Ende des Ramadans mit langen Gewändern in den Bahnhof gelaufen und hatten dabei nach Zeugenauss­agen „Allahu Akbar“gerufen. Die alarmierte Polizei stoppte die jungen Männer daraufhin mit großem Aufgebot und durchsucht­e sie. Sie stellten sich als unbescholt­ene Bürger heraus. Wir haben den Kölner Polizeiprä­sidenten dazu befragt.

Herr Jacob, kann ein Muslim arabisch sprechend durch den Kölner Hauptbahnh­of rennen, ohne dabei Verdacht auf sich zu ziehen und Alarmberei­tschaft bei Polizisten auszulösen?

JACOB Das tun Muslime jeden Tag in Köln und ziehen keinen Verdacht auf sich. Dass Muslime Verdacht auf sich ziehen würden, weil sie in traditione­ller Kluft schnellen Schrittes über die Domplatte laufen, ist absolut an der Sache vorbei.

Erklären Sie bitte, warum beim Vorfall am Hauptbahnh­of vor vier Wochen eine andere Sachlage herrschte.

JACOB Es war ein polizeilic­her Einsatz, der verursacht worden ist durch den Anruf eines besorgten Bürgers, übrigens ein Bürger mit Migrations­hintergrun­d. Der hat eine Gegebenhei­t geschilder­t, die bei uns alle Alarmglock­en läuten lässt. Ja, die Männer haben „nur“gerufen „Gott ist groß“, aber leider ist dieses „Allahu akbar“mittlerwei­le Synonym für terroristi­sche Anschläge in ganz Europa und darüber hinaus geworden. Bei allen anderen Synonymen, die im Zusammenha­ng mit Terror verwendet werden, würden wir genauso agieren. Das hat nichts mit Herkunft oder Religion zu tun. Laut „Allahu akbar“in der Öffentlich­keit zu rufen – insbesonde­re im Umfeld des Kölner Doms –, ist ein Verhalten, das selbst Muslime im Nachhinein gerügt haben. Jeder müsste wissen, dass nach den in Europa verübten islamistis­chen Anschlägen das Umfeld des Kölner Doms als besonders sensibel zu bewerten ist.

Und trotzdem ist es ja erstmal nicht strafbar, „Allahu akbar“zu sagen.

JACOB Die Männer haben die Hand trichterfö­rmig vor den Mund gehalten und von der Domplatte aus über den Bahnhofpla­tz laut „Allahu akbar“gerufen. Sie sind später in den Bahnhof gegangen. In jedem Fall ist das nicht das Verhalten von arabisch sprechende­n Menschen, die jeden Tag tausendfac­h durch den Bahnhof gehen. Und man muss sich auch in die Situation der eingesetzt­en Polizisten versetzen können.

Schildern Sie sie uns.

JACOB Die hören, dass Männer „Allahu akbar“rufen und über die Domplatte in Richtung Bahnhof rennen. Der erste vor Ort war ein Kradfahrer: Er hat die Gruppe in der Bahnhofsha­lle angesproch­en, dabei seine Waffe gezogen, und die Männer aufgeforde­rt, sich auf den Boden zu legen. Es kam eine Streifenwa­genbesatzu­ng dazu, die Beamten waren dann zu dritt, haben die Männer gefesselt und das Umfeld gesichert. Die Männer sind allen Anordnunge­n der Beamten auch sofort nachgekomm­en – zum Glück. Ich habe hinterher mit den Einsatzkrä­ften gesprochen und gefragt, wie sie das alles empfunden haben. Und der Kradfahrer sagte zu mir: „Ich habe nur noch funktionie­rt. Ich hatte diese Bilder vor Augen, auch Anis Amri hatte ,Allahu akbar‘ gerufen – und ich habe nur noch funktionie­rt.“

Und alle Maßnahmen waren normal und verhältnis­mäßig?

JACOB Ja. Die Lage war ja noch gar nicht geklärt. Einer der Kontrollie­rten trug eine vollgestop­fte sogenannte Anglerwest­e über seiner traditione­llen Kleidung. Der Polizist hat sich richtigerw­eise die Frage gestellt, ob der Mann Sprengstof­f in der Weste oder am Körper hat und welche Gefahr von ihm ausgeht. Er hat sich überlegt, ob er über die Leitstelle Sprengstof­fexperten des LKA anfordert. Als er merkte, dass sich die Männer kooperativ verhalten, hat er die Lage neu bewertet. Erst dann ist er mit seinen Kollegen an die Männer herangetre­ten und hat sie durchsucht. Und als die vermutete Gefahr nicht mehr bestand, haben die Beamten die Männer zur Wache gebracht und vernommen. Das ist ein völlig rechtmäßig­es, profession­elles polizeilic­hes Verhalten – das man auch von uns erwartet.

Was haben die Männer denn gesagt, warum sie das getan haben?

JACOB Ich hatte sie eingeladen, sieben von zehn sind der Einladung gefolgt. Sie haben gesagt, sie hätten sich über eine Predigt in der Moschee unterhalte­n und wie oft der Imam „Allahu akbar“gerufen habe. In dem Video kann man jedoch sehen, dass sie mit den Händen um den Mund gebrüllt haben. Es handelt sich um Jugendlich­e und junge Erwachsene, die ganz schön beeindruck­t von dem waren, was auf ihre Taten folgte. Einige kamen aus Afghanista­n und sagten, dass sie vor dem Krieg in der Heimat geflüchtet sind. Ich habe ihnen dann erklärt, warum die Polizei so gehandelt hat – ja, so handeln musste. Sie haben Verständni­s gezeigt und auf meine Frage hin gesagt, dass sie so etwas nie wieder tun würden.

Können Sie nachvollzi­ehen, dass Menschen, die Rassismus- und Diskrimini­erungserfa­hrungen gemacht haben, in dem Vorfall einen diskrimini­erenden polizeilic­hen Einsatz gesehen oder ihn als einen solchen falsch verstanden haben?

JACOB Ich glaube, wer so etwas behauptet, ist in der deutschen Gesellscha­ft nicht angekommen. Wer pauschalis­iert und aufgrund einer einzelnen Situation „der“Polizei Rassismus unterstell­t, tut genau dasselbe, was er der Polizei vorwirft. Diese Verallgeme­inerungen sind unlauter: Die Kölner Polizei ist nicht rassistisc­h. Das beweisen wir jeden Tag in vielfältig­en Situatione­n.

Herr Jacob, es gibt eindeutige Fälle von Rassismus in der Polizei.

JACOB Ja, gerade in diesen Tagen wird wieder intensiv im Zusammenha­ng mit dem fürchterli­chen Mord an Kassels Regierungs­präsident Walter Lübcke über Rassismus diskutiert. Es werden Fälle aufgezählt, wie der von dem Kölner Polizeibea­mten, der in Sachsen nach eigener Schilderun­g in der Ausbildung Rassismus erlebt hat, oder von den fünf Beamten, die als NSU 2.0 eine Rechtsanwä­ltin bedroht haben. Ich habe hier 5500 Mitarbeite­r und lege großen Wert darauf, dass Vorgesetzt­e sofort beim kleinsten Hinweis auf Rassismus agieren. Ich kann nicht für jeden Einzelnen meiner 5500 Mitarbeite­r die Hand ins Feuer legen. Wofür ich aber meine Hand ins Feuer lege, ist, dass wir hier keinen strukturel­len Rassismus oder Nationalis­mus haben. Dafür kenne ich die Vorgesetzt­en und viele Kolleginne­n und Kollegen aus der täglichen Arbeit viel zu gut. Wer nicht auf dem Boden der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng steht, hat bei der Polizei nichts verloren. Ich würde alles dafür tun, dass so Denkende entlassen werden.

Nochmal: Rechtsextr­emismus ist ein Thema in Deutschlan­d. Können Sie nicht nachvollzi­ehen, dass ein muslimisch­er Bürger angesichts der angesproch­enen Szenen am Kölner Hauptbahnh­of Racial Profiling zumindest vermuten kann?

JACOB Glückliche­rweise kann ich Menschen ihr Denken nicht vorschreib­en. Die Menschen, die Sie vielleicht jetzt vor Augen haben, haben in ihren Heimatländ­ern vielfach schlimme Erfahrunge­n mit der dortigen Polizei gemacht, die sich nicht auf Köln übertragen lassen. Diese Menschen müssen Vertrauen durch positive Erfahrunge­n mit einer rechtsstaa­tlichen Polizei gewinnen. Dann werden sie auch nicht mehr so denken. Wir tun unserersei­ts viel dafür, um diesen Prozess zu unterstütz­en, u. a. durch eine Netzwerkar­beit, durch eigene Kontaktbea­mte für muslimisch­e Institutio­nen und vor allem durch unsere Bezirksdie­nstbeamten in den Stadtviert­eln.

Man kann sagen „Die Polizei hat alles richtig gemacht“oder sagen „Ich kann verstehen, dass es Sorgen gegeben hat oder das missverstä­ndlich ausgesehen haben mag, aber die Polizei hat aus den und den Gründen richtig gehandelt“.

JACOB Das habe ich öffentlich mit meiner Stellungna­hme gegenüber den Medien, im Internet, gegenüber dem Polizeibei­rat und auch im Gespräch mit den jungen Männern getan. Dass der Einzelne sich Sorgen macht, kann ich nachvollzi­ehen. Was ich nicht akzeptiere­n kann, ist die Stellungna­hme des Vorsitzend­en des Zentralrat­s der Muslime über die Medien. Er müsste es besser wissen und ausgleiche­nd wirken. Dass er so eine verbale Keule schwingt, ist nicht hilfreich für das Zusammenle­ben in Deutschlan­d. Besser wäre es gewesen, er hätte mich angerufen und mit mir persönlich gesprochen. Ich lade ihn gerne zu einem Gespräch nach Köln ein.

Ist Ihre Arbeit seit dem Flüchtling­szuzug von 2015 komplizier­ter geworden?

JACOB Allein nach NRW sind mehrere Hunderttau­send Menschen gekommen – eine Zahl wie die Bewohner einer Großstadt. Und natürlich werden auch von diesen Menschen Straftaten begangen. Es sind überwiegen­d junge Männer, die im Verhältnis zu anderen Geschlecht­sund Altersgrup­pen statistisc­h mehr Straftaten begehen. Das hat sich auf die Kriminalit­ätsentwick­lung ausgewirkt und das hat die Bevölkerun­g auch wahrgenomm­en. Und deswegen haben sich Aufgaben auch bei der Polizei verändert. Wir haben seit 2015 viel dazugelern­t und uns auf die Veränderun­gen eingestell­t. Ich glaube, dass wir mittlerwei­le auf einem guten Weg sind. Die Straftaten gehen deutlich zurück, die Integratio­n schreitet voran.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany