Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Rede ihres Lebens

Ursula von der Leyen gibt alles für ihr Ziel, Eu-kommission­spräsident­in zu werden – auch ihr Ministeram­t.

- VON HOLGER MÖHLE

BRÜSSEL Vielleicht kann das Klima ja Ursula von der Leyen helfen. Und Entschloss­enheit. Die deutsche Kandidatin für den Posten der EU-KOMmission­spräsident­in bietet am Tag vor der Wahl: Weitere fünf Prozent mehr Einsparung bei den Treibhausg­asen. Eine Art ganz besonderer Emissionsh­andel: Fünf Prozent weniger Ausstoß beim Kohlendiox­id gegen womöglich fünf Prozent mehr Stimmen der aktuell 747 Abgeordnet­en des Europäisch­en Parlamente­s. Fünf Prozent, die für das Klima wichtig und für die Kandidatin entscheide­nd werden könnten. Und sie bringt Klarheit auch für ihre Zukunft in Berlin. 16 Stunden bevor von der Leyen im Straßburge­r Parlament ans Rednerpult treten wird, räumt sie gewisserma­ßen schon ihren Ministerst­uhl in Berlin. Von der Leyen kündigt für Mittwoch ihren Rücktritt vom Amt der Verteidigu­ngsministe­rin an. Es soll keine Zweifel geben. Sie will nach Brüssel – mit Haut und Haar.

Die 60-Jährige hat über das Wochenende noch einmal nachgedach­t – und nachgesteu­ert. Sie will jetzt ein Ziel von 55 Prozent (statt 50 Prozent) Minderung bei den Treibhausg­asen bis 2030 verfolgen. Sie feilt an der Rede ihres Lebens, wenn sie die Abgeordnet­en in Straßburg von sich überzeugen will. Sie haben noch einmal abgewogen: Wo kann sie offensiv Punkte machen? Am späten Nachmittag die Nachricht: Von der Leyen will am Mittwoch als Ministerin in Berlin zurücktret­en. Dann ist sie entweder Eu-kommission­spräsident­in – oder runter von der ganz großen politische­n Bühne. Von der Leyen kämpft. Sie gibt alles für Europa. Auch ihr Ministeram­t.

Bei ihrer öffentlich­en Anhörung in der vergangene­n Woche in der Fraktion der europäisch­en Grünen hatte sie deren Abgeordnet­e quasi geschlosse­n schon verloren. Ihre Antworten beim Klimaschut­z, wo von der Leyen lediglich 50 Prozent weniger Treibhausg­ase als Ziel ausgegeben hatte, seien „enttäusche­nd“, ihr Plädoyer für mehr Rechtsstaa­tlichkeit gerade bei Ländern wie Polen, Ungarn oder Malta sei „wenig konkret“gewesen.

Aber nun ist die Cdu-politikeri­n noch einmal in sich gegangen. Sie bietet: Mehr Klimaschut­z, sie will „das Spitzenkan­didaten-prinzip sichtbarer für eine breitere Wählerscha­ft“machen und sie sagt zu, Gesetzesvo­rschläge, die das Parlament mit Mehrheit beschließt, mit einem Gesetzesak­t zu beantworte­n und nicht nur die Kommission darüber unverbindl­ich beraten lassen.

Es könnte knapp, sehr knapp für von der Leyen werden, die die absolute Mehrheit von 374 Abgeordnet­en braucht. Nach den Anhörungen musste von der Leyen damit rechnen, dass Grüne und Linke geschlosse­n gegen sie stimmen werden, bei den Sozialdemo­kraten (154 Sitze) etwa 60 gegen sie votieren und sie die Liberalen (108 Sitze) auch nicht unbedingt für sich einnehmen konnte. Damit sank die Zahl von der Leyens möglicher Unterstütz­er aus den Reihen von Christdemo­kraten, Sozialdemo­kraten und Liberalen von maximal 444 auf deutlich unter 400, was immer noch reichen würde. Aber die Zahl der Abweichler ist schwer kalkulierb­ar.

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FOTO: REUTERS Am Dienstag hält von der Leyen ihre entscheide­nde Rede.

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