Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Lieblingsb­erater der Landesregi­erung

Batterieze­llen, Elektromob­ilität, Olympia-bewerbung – Günther Schuh mischt bei vielen innovative­n Projekten mit. Sein Selbstbewu­sstsein ist groß. Doch der Markttest vieler Projekte steht noch aus.

- VON FLORIAN RINKE

AACHEN Neulich war Günther Schuh zu Besuch bei der Kanzlerin – zusammen mit Top-managern von Volkswagen, Mercedes und BMW. Angela Merkel hatte den Professor für Produktion­stechnik eingeladen, um mal zu erklären, wie diese Elektromob­ilität doch noch zu einem Erfolg werden könnte. Die Antwort kennt Schuh, wenn man ihm glaubt, eigentlich schon seit Jahren. Aber erst jetzt, so könnte man ihn verstehen, hören ihm die Menschen auch richtig zu: „Die Menschen sind dank der Klimadebat­te momentan offenbar endlich ein bisschen mehr an großen Zielen interessie­rt.“

Am Selbstbewu­sstsein mangelte es dem Zwei-meter-mann nie, der im Porsche Panamera zum Termin vorfährt. Aber seit er mit dem Elektrotra­nsporter Streetscoo­ter und dem Elektroaut­o e.go gezeigt hat, dass Zukunftste­chnik auch in Aachen und nicht nur bei Tesla produziert werden kann, ist er zu einem der wichtigste­n Berater der Politik, insbesonde­re der Landesregi­erung, geworden. Hier ist er allgegenwä­rtig: Er half mit, die Forschungs­fabrik für Batterieze­llen, die der Bund mit 500 Millionen Euro fördern will, nach NRW zu holen. Er arbeitet gemeinsam mit Sportmanag­er Michael Mronz daran, die Olympische­n Spiele an Rhein und Ruhr zu holen. Und er berät Ministerpr­äsident Armin Laschet in dessen Beirat Elektromob­ilität.

Speziell im Aachener Laschet hat der Aachener Professor einen großen Befürworte­r gefunden. Laschet hat das Potenzial erkannt, das von Schuhs Projekten ausgeht. „Aus der RWTH heraus entstehen industriel­le Arbeitsplä­tze. Diesen Pioniergei­st brauchen wir im ganzen Land“, sagte Laschet beim Produktion­sstart des Elektroaut­os e.go Life. Klar, dass der Ministerpr­äsident auch als erster Kunde privat einen der kleinen E-wagen orderte.

Schuh ist eloquent, innovativ und verfügt über viel Sendebewus­stsein. Schon 2012 war er während des Landtagswa­hlkampfs Teil des Schattenka­binetts des damaligen Cdu-kandidaten Norbert Röttgen. Dieser wollte ihn als Wirtschaft­sund Wissenscha­ftsministe­r holen. Schuh habe gezeigt, sagt Röttgen heute, dass er in der Lage sei innovative Ideen umzusetzen und dass ihm Nachhaltig­keit und Verantwort­ung für die Zukunft wichtige Kriterien für seine Projekte sind.

Und diesmal? Schuh grinst bei der Frage. Armin Laschet habe ihn irgendwann gefragt, ob die beiden mal über Schuhs Rolle nach der Landtagswa­hl reden könnten. „Ich glaube schon, dass er mir ein Ministeram­t angeboten hätte, wenn ich ja gesagt hätte“, sagt Schuh. „Ich habe aber nein gesagt. Ich glaube, ich kann dem Land auch in meiner jetzigen Rolle ganz gut nutzen.“

Das sehen Kritiker anders. „Die Tonlage bei Herrn Schuh ist zuletzt eine andere geworden. Inzwischen redet Herbert Diess ja sogar visionärer. Herr Schuh hat zuletzt eher wie andere Vertreter aus der Automobili­ndustrie geklungen“, sagt Oliver Krischer, Vizechef der Grünen-bundestags­fraktion. „Er hält sich ja selbst für ein bisschen schlauer als alle anderen, vielleicht merkt er jetzt einfach, dass er an Grenzen stößt. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass er es schafft. Er hat alles in allem viel in der Branche bewegt.“

Derzeit laufen mehrere Wetten in der Autoindust­rie – und noch ist nicht klar, welche aufgeht. Während Vw-chef Diess massiv auf Elektroaut­os setzt, wollen andere wie BMW technologi­eoffen bleiben. Aber keine Wette ist so riskant wie die von Schuh. Der setzt nicht nur auf Elektroaut­os, sondern auf veränderte­s Kundenverh­alten: Sein e.go Life ist der Gegenentwu­rf zu Fahrzeugen großer Hersteller. Während diese suggeriere­n, dass man beim Elektroaut­o auf nichts verzichten muss, geht Schuh den entgegenge­setzten Weg. Der e.go ist klein und günstig, aber seine Reichweite gering. Kein Auto für alle Lebenslage­n, sondern für den Stadtverke­hr. Es ist ein Auto für eine Mobilitäts­wende aus dem Lehrbuch: Für Strecken in die Peripherie braucht es ergänzend ein gut ausgebaute­s Bahnnetz – oder irgendwann einfach Flugtaxis, an denen Schuh natürlich ebenfalls arbeitet. Ein Prototyp des Silent Air Taxis wurde bereits vorgestell­t.

Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: Diese Wette wird ohne Hilfe niemals aufgehen. Und auch Schuh sagt: „Das Potpourri von Lösungen ist hochdiverg­ent – und dadurch entsteht momentan nichts. Der Staat fördert viele kleine Lösungen, die anschließe­nd nicht skalieren.“

Eine weibliche Stimme durchbrich­t seinen Redefluss. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe“, meldet sich der Sprachassi­stent Siri von Schuhs Apple Watch. Und die große Frage ist: Wird es den Menschen da draußen anders gehen?

Der Automarkt ist kein Hörsaal, Käufer sind keine technikaff­inen Studenten – und Schuh hat bislang noch nicht den Beweis erbringen können, dass seine Ideen nicht nur technisch, sondern auch wirtschaft­lich am Markt bestehen können. Den Elektrotra­nsporter Streetscoo­ter, den Schuh und sein Hochschul-kollege Achim Kampker 2014 erfunden und dann an die Deutsche Post verkauft hatten, will diese jedenfalls wieder loswerden.

Deshalb braucht er die Hilfe der Politik. Sie muss die Rahmenbedi­ngungen schaffen für eine Mobilitäts­welt nach Schuh’schen Vorstellun­gen. „Die neue Mobilität hat so viele Elemente, dass es nicht den einen Macher gibt, der das allein umsetzen kann. Es braucht daher eine konzertier­te Aktion“, sagt Schuh. Eine Veranstalt­ung wie die Olympische­n Spiele, ist er überzeugt, könnte ein Anlass sein, auf den man dabei hinarbeite­n könnte.

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FOTO: ANDREAS KREBS Günther Schuh ist Professor an der RWTH Aachen und mischt bei vielen innovative­n Projekten mit.

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