Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Deutschlands nächster Superstar
Kai Havertz gilt als Generationentalent. Auf ihm ruhen große Hoffnungen – in Leverkusen und beim Nationalteam.
ZELL AM SEE Es hatte sich angedeutet. Als Kai Havertz im Sommer 2016 Bayer Leverkusens U17 als bester Torschütze zur Meisterschaft führte, stand für Kenner und Beobachter des deutschen Jugendfußballs fest: Da ist ein potenzieller Weltklassespieler auf dem Weg auf die große Fußballbühne, ein Ausnahmetalent, wie es es vielleicht nur einmal pro Generation gibt. Gut drei Jahre später ist klar, dass die Vorahnungen keineswegs übertrieben waren. Denn die Karriere des 20-jährigen Mittelfeldspielers kennt bislang nur eine Richtung: nach oben.
Am Montag ist die Werkself in Zell am See/kaprun angekommen. In den Alpen bereitet sich die Mannschaft von Trainer Peter Bosz auf die anstehende Saison vor. Es wird eine intensive Woche für das Team, das in der vergangenen Saison am letzten Spieltag Platz vier eroberte und die Champions-league-teilnahme sicherte. Es ist auch der Ort, an dem Havertz vor drei Jahren erstmals mit den Profis trainierte, damals noch unter Ex-coach Roger Schmidt.
Kurz danach erhielt er einen langfristigen Vertrag in Leverkusen, wenige Wochen später gab er mit 17 Jahren und 126 Tagen als jüngster Spieler der Klubhistorie sein Pflichtspieldebüt. Seitdem hat er einen steilen Aufstieg hinter sich, wurde in Leverkusen Stammspieler, Leistungsträger und Nationalspieler. Zuletzt erzielte er als erster U20-spieler in der Geschichte der Bundesliga 17 Tore in einer Saison, davon neun Mal das wichtige 1:0. Die in seinem Alter eigentlich obligatorischen Leistungsdellen sind nicht in Sicht.
Havertz ist zweikampf- sowie kopfballstark, ballsicher, technisch beschlagen, physisch robust, denkt auch defensiv mit, hat eine gute Übersicht und strahlt eine bemerkenswerte Ruhe aus. Seine vielleicht hervorstechendste Eigenschaft ist aber die Gabe, in brenzligen Situationen instinktiv richtige Entscheidungen treffen zu können. Entsprechend explosionsartig hat sich sein Marktwert entwickelt.
Wer auf und neben dem Platz mit Havertz zu tun hat, gerät schnell ins Schwärmen. Sein nach Dortmund abgewanderter Freund und konLER/IMAGO IMAGES
genialer Mittelfeldpartner Julian Brandt attestierte ihm das Potenzial, ein „Weltstar“zu werden, Bosz nennt ihn seinen „sehr, sehr besonderen Spieler“und Bundestrainer Joachim Löw traut dem gebürtigen Aachener mittelfristig gar eine Schlüsselrolle in der Nationalmannschaft zu.
Kein Wunder also, dass Sportgeschäftsführer Rudi Völler den Verbleib des trotz seiner rasanten Entwicklung stets geerdet wirkenden Profis als „fundamental“für Bayer Leverkusen bezeichnet. Dass Havertz zumindest die kommende Saison im Trikot der Werkself bestreitet, ist seit einigen Monaten sicher. In der „Süddeutschen Zeitung“stellte der 20-Jährige jetzt noch einmal klar, „ohne Wenn und Aber“, bleiben zu wollen. Dass Topklubs – allen voran wohl auch der FC Bayern München – bei ihm anklopfen, ist angesichts seiner Qualität logisch. „Man hört sich viele Sachen an, dabei geht es um die Möglichkeiten für die nächsten Jahre. Doch für mich war klar, dass ich das kommende Jahr in Leverkusen bleibe.“
Und danach? Havertz räumt ein, dass er „irgendwann“den nächsten Schritt machen wolle. „Wenn es dazu kommen sollte, wird mir hier sicher keiner böse sein. Man will eben in seiner Karriere das Größtmögliche erreichen.“Dass der Werksklub auch bei kolportierten Angeboten von bis zu 100 Millionen Euro nicht schwach geworden sei, sehe er als „ein Ausrufezeichen“.
Das will er auch mit Bayer 04 in der kommenden Saison setzen. Der Kader wurde mit bislang mehr als 50 Millionen Euro verstärkt. Kerem Demirbay kam aus Hoffenheim, Moussa Diaby aus Paris und Daley Sinkgraven aus Amsterdam. Zwei weitere Zugänge sind denkbar. Der Hoffenheimer Nadiem Amiri soll noch auf der Wunschliste von Sportdirektor Simon Rolfes stehen. Auch der Name Patrik Schick (AS Rom) hält sich hartnäckig in der Gerüchteküche. Dass Zugänge noch ins Trainingslager nachreisen, ist Rolfes zufolge nicht zu erwarten. Dass Leverkusen nochmal auf dem Transfermarkt aktiv wird, schließt er hingegen nicht aus.
Zum siebten Mal in Folge ist der Bayer-tross nun in Österreich zu Gast. „Das Trainingslager wird uns helfen, als Mannschaft zusammenzuwachsen“, sagt Havertz und betont: „Wir trainieren das Rundumpaket – von der Defensive bis zur Offensive.“Also genau das, was Havertz als Deutschlands nächster potenzieller Superstar bereits jetzt personifiziert.