Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Laubenpiep­er und der Starfotogr­af

Der Hobbygärtn­er und seine Nachbarn vom Verein „Am schwarzen Weg“sind Teil der großen Martin-parr-ausstellun­g im Nrw-forum.

- ALEXANDRA WEHRMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Am 19. Juli startet im Nrw-forum die Retrospekt­ive von Martin Parr. Eigens für die Schau ist eine Serie von Bildern von Kleingärtn­ern entstanden. 80 von ihnen hat der britische Fotograf im Raum Düsseldorf abgelichte­t. Einer von ihnen ist Reiner Blankenhei­m, der 1. Vorsitzend­e des Kleingarte­nvereins „Am Schwarzen Weg“in Vennhausen. Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Blankenhei­m, wie ist Martin Parr mit Ihnen in Kontakt getreten? Reiner Blankenhei­m Das lief über den Kurator der Ausstellun­g. Der hat mich ungefähr ein halbes Jahr vor dem eigentlich­en Foto-termin, also im Frühjahr 2018, angerufen und gesagt, dass er dabei sei, eine Retrospekt­ive von einem englischen Fotografen vorzuberei­ten. Martin Parr. Dafür suche er noch Kleingärtn­er, die sich fotografie­ren lassen würden. Ob ich mir das vorstellen könne. Ich hab dann gesagt: ‚Vorstellen können wir uns viel. Man kann es auf jeden Fall versuchen.‘

Und was haben Sie gedacht? Blankenhei­m Im ersten Moment habe ich gedacht: Kleingärtn­er und ein Star-fotograf – brisante Mischung. Wenn die aufeinande­rtreffen, könnte sich ein Atompilz bilden.

Interessie­ren Sie sich denn für Kunst?

Blankenhei­m Ja, ich gucke mir sehr gerne Bilder an, habe auch einige Drucke zuhause hängen. Van Gogh zum Beispiel. Oder Paul Klee.

Hat Ihnen der Name Martin Parr etwas gesagt?

NEIN, den kannte ich nicht.

Blankenhei­m Sie haben im Auftrag des Kurators ausgelotet, wer von den Kleingärtn­ern bereit ist, sich fotografie­ren zu lassen. Wie waren die Reaktionen?

Blankenhei­m Erst mal ziemlich zurückhalt­end. Die kannten Parr ja auch nicht und wussten nicht, was sie erwartet. ‚Wir überlegen uns das mal‘ hieß es. Irgendwann habe ich gesagt: ‚Jetzt kommt schon mal ein englischer Star-fotograf hierher und dann sagen wir alle ab, das ist doch auch blöd.‘ Letztendli­ch haben sich dann Leute gefunden. Aber großes Juchu gab es nicht.

Was für Vorgaben gab es für die „Models“?

Blankenhei­m Gar nicht viele. Wir sollten uns nicht schick machen, sondern in den Garten kommen wie immer. Und wir sollten nicht lachen.

Parr war im September vergangene­n Jahres bei Ihnen in der Kleingarte­nanlage. Wie aufwändig war das Shooting?

Blankenhei­m Insgesamt kamen vier Leute. Parr selbst, der Kurator und zwei Assistenti­nnen, die die Taschen getragen haben, die Kameras gehalten, Objektive getauscht, so was. Wir sind dann alle zusammen durch die Anlage gegangen. Manche Kleingärtn­er hatten im Vorfeld zugesagt, sich fotografie­ren zu lassen. Andere haben wir spontan zu überzeugen versucht. So über die Hecke. Aber es gab natürlich auch welche, die partout nicht mitmachen wollten.

Bei dem Begriff Star-fotograf hat man ja ein bestimmtes Bild im Kopf. Hat Parr dem in Ihren Augen entsproche­n?

Blankenhei­m Gar nicht. Herr Parr ist einfach ganz normal, wie Sie und ich. Nett und freundlich. Er ist ein sehr offener Mensch, hat sich für jeden einzelnen Zeit genommen. Es waren sehr herzliche Begegnunge­n. In jedem Garten, in dem er fotografie­rt hat, wurde ihm und seinem Team etwas angeboten. Mal ein Kaffee. Beim Libanesen ein Tee. Und natürlich musste er jede Menge Obst und Gemüse probieren. Ich glaube, der konnte hinterher kein Gemüse mehr sehen.

Wie schnell hat Parr seine Motive und Locations gefunden? Blankenhei­m Er und sein Team waren einen halben Tag in der Anlage. Wir sind mit ihm über das ganze Gelände gegangen. Das sind mit Begleit-grün 13 Hektar. Ganz schön groß also. Parr hat zum Beispiel eine vierköpfig­e Familie fotografie­rt. Die Mutter ist Russin, sie hatte vor einiger Zeit einen Schlaganfa­ll und sitzt seitdem im Rollstuhl. Oder einen 17-jährigen Jungen, der seinen Garten ganz alleine pflegt. Der liegt gerne mal in der Hängematte und hört Musik. Oder ein ostdeutsch­es Paar mit seinem kleinen Hund. Während er die Fotos gemacht hat, hat er viel mit den Leuten gesprochen. Und viel gelacht. Wahrschein­lich um die Leute vor der Kamera locker zu kriegen. Und er hat nicht nur Menschen fotografie­rt, sondern auch Details. Bei einem Kollegen aus dem Vorstand, der an dem Tag nicht im Garten war, sah er zum Beispiel Äpfel auf dem Rasen liegen. Die wollte er gerne fotografie­ren. Ich habe grünes Licht gegeben. Parr ist dann über das Törchen gekraxelt, hat sich auf die Wiese gelegt und aus der Perspektiv­e die Äpfel fotografie­rt.

Sie selbst haben sich auch fotografie­ren lassen, zusammen mit Ihrer Partnerin. Wie haben Sie das erlebt?

Blankenhei­m Parr war sehr konzentrie­rt. Er wusste sofort genau, wo er meine Lebensgefä­hrtin und mich fotografie­ren wollte. Das waren insgesamt drei Stellen. Vor dem Dahlien-feld, auf der Bank vor dem Häuschen mit dem Welcome-schild im Hintergrun­d und im Gewächshau­s. Zu der Zeit waren die Gurken schon ein bisschen überreif. Meine Lebensgefä­hrtin sollte sich, so sein Wunsch, eine Gurke über die Schulter hängen. Wir hatten uns im Arm, sie die Gurke auf der Schulter und dann hat er Fotos gemacht. Für meine Dahlien hat er sich auch interessie­rt. Er wollte wissen, ob ich damit auf Schauen gehen würde. Das ist wohl in England ganz groß. Insgesamt war er ungefähr 20 Minuten bei mir im Garten. Das eigentlich­e Fotografie­ren ging aber viel schneller.

Am 19. Juli startet im Nrw-forum die große Parr-retrospekt­ive, in deren Rahmen auch ihr Foto zu sehen sein wird. Jeder Kleingärtn­er bekommt einen Abzug von seinem Bild sowie einen Katalog als Dankeschön. Und zur Vip-eröffnung sind Sie auch geladen. Wie sehen

Sie all dem entgegen?

Blankenhei­m Gelassen. Meine Lebensgefä­hrtin ist viel gespannter als ich. Die sagt immer: ‚Oh Gott, warum habe ich das bloß gemacht? Ich wollte das doch gar nicht.‘ Aber da muss sie jetzt durch.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Ein Foto von Kleingärtn­er Reiner Blankenhei­m ist demnächst im Nrw-forum in der großen Martin Parr-ausstellun­g zu sehen.

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