Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Musikalisc­he Porträts von berühmten Vorbildern

- VON ARMIN KAUMANNS

Zum guten Ton des Asphalt-festivals gehört, dass Veranstalt­er Bojan Vuletic sein neuestes Werk vorstellt. „Human being human“heißt es ja in diesen Tagen an vielen Orten in der Stadt, an denen die Künste suchend neue Wege begehen. Als Komponist mit dem Anspruch, gesellscha­ftlich und politisch relevant zu sein, hat Vuletic in diesem Motto den Anlass gefunden, Porträts von Menschen in Töne zu setzen, die in Geschichte und Gegenwart in besonderem Maße für Menschlich­keit oder ihr Gegenteil stehen. „Antlitze von Macht und Ohnmacht“heißen die elf Stücke, deren Uraufführu­ng in der Glashalle des Weltkunstz­immers so viele Leute erleben wollten, dass die Sitzplätze nicht ausreichte­n.

Es sind dann die beiden Interprete­n – ihre überdimens­ionale Kreativitä­t, ihr virtuoses Spiel – die den Abend zum Ereignis machen: Markus Stockhause­n an der Trompete ist eine Ikone im Jazz wie in der zeitgenöss­ischen Musik, sein Partner am Klavier, der Serbe Bojan Z (für Zulfikarpa­sic), ist weltweit mit den bedeutends­ten Jazz-musikern unterwegs. Die beiden sitzen vor meterbreit­en Partituren, die voller rhythmisch­er und harmonisch-melodische­r Patterns sind, und schwingen sich doch in den improvisie­rten Passagen zu weitester Freiheit auf. Bojan Z wirbelt durch komplexe Skalen, wechselt die Takte wie die tonalen Zentren, nutzt so ziemlich alles Erreichbar­e an seinem Steinway zu perkussive­n Trommelein­lagen. Von delikat bis martialisc­h wuseln die Emotionen. Stockhause­n bläst überirdisc­h. Weite Melodiebög­en, große Präsenz im Unisono, irres Feingefühl in der Steuerung der Live-elektronik, die seine Trompete in komplexe Hallszenar­ien taucht oder mit Akkorden und Sample-material verfremdet.

Die von Vuletic ausgewählt­en Personen – Flüchtling­e, Fluchthelf­er, Dissidente­n, Ikonen der Geschichte und Gegenwart, Opfer und Täter – stellen einen politische­n Zusammenha­ng her, der in der Musik subversiv wirkt. Selten höhnt die Trompete großsprech­erisch wie bei Arturo Ui, swingt karibisch wie zu Che Guevara. Die Porträts sind ernst, bisweilen humorvoll, individuel­l, die Interprete­n schlicht großartig.

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