Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Senioren sollen durch Computerspiele fitter werden
Eigens für Senioren entwickelte Spiele sollen die körperliche und geistige Gesundheit im Alter fördern, etwa Motorik und Koordinationsfähigkeit verbessern. Anneliese Busch (82) kegelt jetzt.
Das hätte sich Herbert Spiller vor einer Woche noch nicht träumen lassen. Der Hundertjährige fährt Motorrad, und zwar ziemlich rasant, düst an Hindernissen vorbei, um in letzter Sekunde zum Ziel abzubiegen. „Das hat richtig Spaß gemacht“, resümiert er abschließend. Auch Anneliese Busch ist begeistert. Die 82-Jährige hat zwar nicht alle Neune, aber sechs Kegel schon beim ersten Wurf getroffen: „Ich war 30 Jahre in einem Kegelclub, so was verlernt man nicht.“Beide sind Bewohner des Pflegeheims der Diakonie in Kaiserswerth und zählen zu den Ersten, die ein neues Videospiel ausprobieren durften: die Memore-box.
So soll die Spielkonsole in die Altenheime kommen, um bei Senioren körperliche und geistige Fitness zu verbessern. Noch ist es ein Versuch, der bundesweit in 100 Seniorenheimen, 20 davon in Nordrhein- Westfalen, startet. Sprich: Noch gibt es die Konsole nicht zu kaufen. Doch schon jetzt steht fest, die Digitalisierung hat auch bei den Älteren Einzug gehalten. In Kooperation mit der Barmer Krankenkasse hat die Firma Retrobrain, Entwickler der Konsole, die zweite Testphase eingeläutet, erste Versuche sind in Berlin und Hamburg erfolgreich abgeschlossen worden. Diese haben gezeigt, dass die Lebensqualität der Senioren sich durch tägliches Spielen verbessert hat.
Doch die Entwicklung geht weiter. Ziel ist, dass ältere Mitbürger, deren geistige Fähigkeiten mit der Zeit erlahmen, spielerisch gefordert werden. „Die Digitalisierung wird in der Gesundheitsförderung und in der Pflege Einzug halten“, sagt Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer. Auch Nrw-gesundheitsminister Andreas Pinkwart, Schirmherr des Projekts, lobt die Konsole: „Sie bietet Möglichkeiten, mehr Lebensqualität zu schenken, dient der Prävention und ist unterhaltsam.“Denn der Spaßfaktor spielt eine wichtige Rolle. Die speziell für alte Menschen entwickelte Konsole lässt sich leicht bedienen, ist an jeden Fernseher anzuschließen. Eine computeranimierte Frau sagt laut, was zu tun ist. Nur mit Handbewegungen kommt der Nutzer ins von ihm gewählte Programm, und schon geht es los.
Zurzeit gibt es sechs Spiele. Motorrad fahren, um das Gewicht zu verlagern und stabil zu stehen. Beim Kegeln wird die Bewegungsfähigkeit
der Arme trainiert; Tischtennis soll das Reaktionsvermögen stärken. Singen und Tanzen sind zwei weitere Programme, und dann gibt es noch den „Briefträger“. Bei diesem Spiel trainiert der Nutzer seine kognitiven Fähigkeiten und muss seine Arme zielgerecht bewegen.
Die Spiele sind kurzweilig, und es gibt Bonuspunkte sowie eine Rangliste. Zehn Minuten Spielzeit am Tag können schon reichen, um beispielsweise sein Stehvermögen zu verbessern und aus der digitalen Welt wieder nach draußen in die reale Welt zu gehen. Denn die Spiele sollen Bewegung provozieren. Vor vier Jahren hat die Firma Retrobrain mit der Entwicklung begonnen. Und das System ist ausbaufähig. Weitere Spiele sind geplant, verspricht Stev Klapschuweit von Retrobrain. Und irgendwann wird es die Konsole im Handel geben, sodass Urgroßeltern und -enkel miteinander spielen können. Doch jetzt sind erst mal die Probanden gefragt. In Kaiserswerth sind es zehn, die an der Studie teilnehmen, doch alle anderen Bewohner dürfen selbstverständlich mitspielen. So wie Anneliese Busch, deren Ziel es jetzt ist, alle Neune umzuwerfen.