Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Software-desaster für Evangelisc­he Kirche

Eine neue Finanzsoft­ware verursacht­e ungeplante Mehrkosten in Höhe von 3,4 Millionen Euro.

- VON BENJAMIN LASSIWE

BONN Die Evangelisc­he Kirche im Rheinland (Ekir) erlebt erneut ein Finanzdesa­ster: Der Kauf einer Finanzsoft­ware, deren flächendec­kende Einführung Anfang 2020 geplant ist, führte zu ungeplante­n Mehrkosten in Höhe von 3,435 Millionen Euro. Unter anderem hätten Kirchenbea­mte bei der Kalkulatio­n des Projekts einen Mehrwertst­euerbetrag von 700.000 Euro „übersehen“, sagte Vizepräsid­ent Johann Weusmann am Samstag vor der in Bonn-bad Godesberg tagenden Synode der 2,5 Millionen Gemeindegl­ieder zählenden Ekir. 2018 hatten die Kirchenpar­lamentarie­r 7,86 Millionen Euro für die Einführung der Software bewilligt. Nunmehr wird dieser Betrag um fast 50 Prozent überschrit­ten.

Die von Weusmann vorgetrage­ne Geschichte der Einführung der Software erinnerte Beobachter zuweilen an den Berliner Pannenflug­hafen BER. Denn das Produkt der Firma Wilken sei von Anfang an nicht einsatzfäh­ig gewesen. Bis heute wird versucht, Probleme zu beheben. Das Desaster begann laut Weusmann im Januar 2019 im Kirchenkre­is Kleve. Dort sei es zu erhebliche­n Problemen gekommen. „Der Befund: Wilken hatte eine noch unfertige und nicht ausreichen­d getestete Software geliefert“, sagte Weusmann in seinem Bericht. „Ohne davon Kenntnis zu haben, wurde der Kirchenkre­is Kleve als Testkandid­at in der finalen Phase der Softwareen­twicklung genutzt.“Dies habe zu „erhebliche­n Irritation­en und auch zu Frustratio­nen“geführt.

Schließlic­h habe die Firma der Landeskirc­he 240 Beratertag­e im Wert von etwa 300.000 Euro gut geschriebe­n. Auch im Landeskirc­henamt gab es Schwierigk­eiten. „Bei uns gab es positiv gestestete Module, die nicht mehr funktionie­rten“, sagte Weusmann. Und für die Rheinische Kirche wurde es teuer. Neben der „übersehene­n“Mehrwertst­euer benötigte man eine nicht vorgesehen­e externe Beratung, die mit 1,08 Millionen Euro zu Buche schlug. Sodann stellte sich heraus, dass die Software um weitere, nicht geplante Funktionen erweitert werden musste. Hierfür wurden nach Angaben Weusmanns weitere 550.000 Euro fällig.

Präses Manfred Rekowski zeigte sich schuldbewu­ßt: Der Vorgang sei auch für die Kirchenlei­tung „höchst unangenehm“. Man habe den Anspruch gehabt, aus den Fehlern der Vergangenh­eit lernen zu wollen. „Wir werden uns mit den Ursachen befassen müssen, und wir werden uns fragen müssen, wie können wir verhindern, dass sich Dinge so entwickeln“, sagte Rekowski. „Wir tragen da die Verantwort­ung.“Konsequenz­en zogen die Kirchenpar­lamentarie­r keine. Stattdesse­n gelang es der Synode in Bad Godesberg, den nächsten Haushalt, der immerhin ein Volumen von rund 630 Millionen Euro hat, ohne jede Diskussion oder Nachfrage aus den Reihen der Kirchenpar­lamentarie­r zu beschließe­n.

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