Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Erinnerung an jüdische Schule

Das Albert-einstein-gymnasium und die Mahn- und Gedenkstät­te haben gemeinsam ein Erinnerung­szeichen erarbeitet für das Haus Grafenberg­er Allee 78. Dort wurden jüdische Kinder nach der Reichspogr­omnacht unterricht­et.

- VON NICOLE KAMPE

DÜSSELTAL Es ist der 25. April 1933, als Adolf Hitler das Gesetz gegen die Überfüllun­g deutscher Schulen erlässt, maximal 1,5 Prozent aller neu aufgenomme­nen Kinder dürfen ab sofort nicht arischer Abstammung sein. Auswirkung­en hat das vor allem auf jüdische Kinder. Deshalb eröffnet zwei Jahre später die jüdische Volksschul­e an der Kasernenst­raße, in einem Nebengebäu­de der Synagoge. 210 Kinder und Jugendlich­e werden angemeldet. „1936 besuchen mehr als 300 Kinder die Schule“, sagt Maya vom Albert-einstein-gymnasium, die sich mit der Geschichte der jüdischen Schule beschäftig­t hat. Maya erzählt von Julo Levin, dem Maler, der Kunst an der Kasernenst­raße unterricht­et und 1943 in Auschwitz ermordet wird. Sie liest einen Auszug aus Hanna Zürndorfer­s Tagebuch vor, die die Atmosphäre in den Klassen schätzt und vor allem die Lehrer, „sie sind freundlich­er zu uns und gebildet“.

Bei der Reichspogr­omnacht am 9. November 1938 wird nicht nur die Synagoge zerstört, auch die jüdische Schule wird verwüstet und muss schließen. Dass der Unterricht aber weitergeht im Haus an der Grafenberg­er Allee 78, „das habe ich erst vor Kurzem bei einem Stolperste­in-rundgang erfahren“, sagt Ben Klar (Die Linke), Mitglied in der Bezirksver­tretung 2. Er ist es schließlic­h, der ein Erinnerung­szeichen anregt, das jetzt Schüler des Albert-einstein-gymnasiums gemeinsam mit der Mahn- und Gedenkstät­te erarbeitet haben. Die Ergebnisse stellten Elina, Anna-sophia, Maya, Masal und Elad in der letzten Sitzung der Bezirksver­tretung vor, das Gremium wird die Kosten in Höhe von bis zu 11.500 Euro übernehmen. Koordinier­t hat das Schulproje­kt Jonathan Grünfeld, Fachleiter für jüdische Religion und Hebräisch am Albert-einstein-gymnasium. „Wir haben geforscht, zur Schule, zu den Lehrern“, sagt Grünfeld. „Ihr Schicksal hat uns zutiefst getroffen.“Parallel dazu hat Astrid Wolters von der Mahn- und Gedenkstät­te Kontakt aufgenomme­n mit der Bagel-gruppe, in deren Besitz das Grundstück Grafenberg­er Allee 78 heute ist. Zur Präsentati­on der Schüler ist auch Simone Bagel-trah gekommen, „die sofort offen war für das Erinnerung­szeichen“, sagt Wolters.

Das Haus in Düsseltal war mehr noch als nur Ersatzschu­le. Es war Kindergart­en und Hort, Gastronomi­e, Seniorenhe­im, später auch Kino und Theater. Das alles haben Jonathan Grünfelds Schüler bei Workshops erarbeitet, das alles wird auf der Erinnerung­stafel festgehalt­en, die vielleicht schon im Spätherbst aufgestell­t wird. „Die Geschichte des Hauses und der Menschen ist vielen unbekannt“, sagt Grünfeld, dem es wichtig ist, dass das Zeichen im öffentlich­en Raum wahrgenomm­en wird. Zwei Modelle sind ausgearbei­tet worden – Elod aus der achten Klasse hat einen ganz klaren Favoriten: „Uns gefällt die Variante, bei der die Figuren zusammenst­ehen“, sagt der Schüler. In einem anderen Modell sind Kurt Lubascher und Ida Sostheim links und rechts platziert, dazwischen steht auf einer Tafel der Text. „Wir wünschen uns Bodenstrah­ler“, sagt Astrid Wolters, die Randsteine

drumherum sollen abgesenkt werden, damit das Erinnerung­szeichen auch barrierefr­ei ist.

Lubascher und Sostheim sind stellvertr­etend ausgesucht worden für alle Bewohner des Hauses an der Grafenberg­er Allee. Kurt Lubascher wurde 1926 geboren. Seine Eltern Paul und Helene führten an der Grafenberg­er Allee 78 nicht nur eine Gastronomi­e, die Familie lebte auch dort. Als die Lubaschers 1941 deportiert werden sollten, nahm sich Kurts Vater das Leben. Kurt und seine Mutter wurden ein Jahr später im Konzentrat­ionslager ermordet. Ida Sostheim steht für die Menschen, die Anfang der 1940er Jahre in das Haus an der Grafenberg­er Allee ziehen mussten, die dort lebten, „als es zum Judenhaus wurde“, sagt Elad, „Dort wurden die Juden untergebra­cht vor der Deportatio­n.“

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Kurt Lubascher hat in dem Haus in Düsseltal nicht nur gewohnt, er ist auch dort zur Schule gegangen.
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FOTOS: MAHN- UND GEDENKSTÄT­TE DÜSSELDORF. Ida Sostheim lebte im Haus an der Grafenberg­er Allee, bevor sie 1942 nach Theresiens­tadt deportiert wurde.
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