Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Theater kehrt zurück auf eine Baustelle
Theater auf der Baustelle: Das Schauspielhaus erlebt die wohl ungewöhnlichste Spielzeitvorbereitung seiner Geschichte.
Die Sanierung des Schauspielhauses ist noch nicht beendet. Trotzdem startet die neue Spielzeit am Gustaf-gründgens-platz.
Vielleicht war es eine glückliche Fügung, dass die Spielzeit mit „Dantons Tod“beginnt. Denn in Büchners Revolutionsdrama ist auf der Bühne viel los. Mit einem leisen Stück hätten es Regisseur Armin Petras und sein Ensemble noch schwerer, sich gegen den Baulärm durchzusetzen, sagt Intendant Wilfried Schulz mit einem Lächeln – und weiß natürlich, dass er den Künstlern viel zumutet: Während das Ensemble im Großen Haus für die Eröffnungsinszenierung probt, wird geschliffen, gebohrt und gehämmert. Wenn der Lärm mal wieder so laut ist, dass kein Wort zu verstehen ist, rennt jemand los und bittet die Arbeiter um Verständnis, dass nicht nur sie einen engen Zeitplan haben.
Im Schauspielhaus läuft die wohl ungewöhnlichste Spielzeitvorbereitung der Düsseldorfer Theatergeschichte. Das Schauspiel ist nach Jahren der Provisorien komplett in seine angestammte Spielstätte zurückgekehrt: Alle rund 150 Mitarbeiter aus Verwaltung, Dramaturgie, Disposition und den Werkstätten arbeiten am Gründgens-platz – teilweise mit Gehörschutz. Außerdem wird das Schauspielhaus wieder der wichtigste Aufführungsort, das war seit mehr als drei Jahren das Central am Hauptbahnhof gewesen.
Das Gebäude ist aber noch eine Baustelle: Außen ist teilweise noch bloßes Mauerwerk statt der markanten weißen Blechfassade zu sehen. Auch im Innenraum sieht es nicht so aus, als würde in einigen Tagen die Spielzeit eröffnet.
Nun hat die letzte Phase der Vorbereitung begonnen: Seit dieser Woche laufen die Bauarbeiten im 24-Stunden-betrieb. Zugleich sind die mehr als 50 Arbeiter angehalten, zwischen 10 und 14 Uhr sowie 18 und 22 Uhr besonders laute Arbeiten zu unterlassen – damit auch die Künstler rechtzeitig fertig werden. Intendant Schulz sagt, er wisse, dass das eine erhebliche Belastung sei. „Ich bin froh und dankbar, dass die Mitarbeiter das akzeptieren“, sagt er. Andererseits freue er sich, dass das Haus bald endlich fertig sei – und dass das Ziel jeden Tag näher rücke. „Jeden Abend, wenn ich nach Hause gehe, sehe ich Fortschritte.“
Wenn alles nach Plan läuft, steckt die Spielzeit für das Schauspielhaus und seine Besucher voller „Meilensteine“, wie es im Zeitplan heißt. Am 16. Januar 2020, wenn sich die Eröffnung zum 50. Mal jährt, soll die Sanierung und Modernisierung mit einem Gesamtvolumen von 60 Millionen Euro abgeschlossen sein. (Das Theater wurde 1970 mit „Dantons Tod“eröffnet, daher – und weniger wegen der Lautstärke – steht das Stück auf dem Spielplan.)
Im Mai, wenn das Festival „Theater der Welt“gastiert, soll auch der Gründgens-platz schon begehbar sein. Im Sommer 2020, so der Plan, ist dann eines der größten städtebaulichen Vorhaben in NRW vollständig abgeschlossen: Das benachbarte Geschäfts- und Bürohaus „Kö-bogen II“von Architekt Christoph Ingenhoven, die Tiefgarage, der Platz – und das Theater.
Zur Premiere von „Dantons Tod“am 20. September soll das Haus zumindest schon so fertig sein, dass es für die Zuschauer richtig nutzbar ist. Bis dahin ist noch viel zu tun. Wo Garderobe und Buchstand stehen sollen, hängen nur ein paar Stromkabel aus der Wand, in der Toilette fehlen die Toiletten. Hinter jeder Ecke trifft man auf einen anderen Trupp aus Handwerkern. Im Foyer schleifen Arbeiter die Holzgeländer, in der Kantine sind die Fliesenleger zugange. Eine Spezialfirma installiert den neuen, endlich barrierefreien Glasaufzug.
Andere Spezialisten hellen den Beton auf, was nicht so einfach ist, wie es klingt. Das gilt für viele Arbeiten in der Architekturikone: Mit einem Farbwissenschaftler und dem Denkmalschutz wurde der Originalfarbton der tausenden Quadratmeter rohem Beton festgelegt, die die Optik des Innenraums prägen. Mehr Helligkeit und Transparenz sind ein Hauptziel. Die neuen Scheiben im Foyer sind nicht mehr dunkelbraun, sondern aus Klarglas.
Der 2016 angetretene Intendant Schulz hat sich in Düsseldorf vielleicht genau so viel mit Baufragen wie mit Kunst beschäftigt. Der 67-Jährige, der sich bei der Politik einen Ruf als hartnäckiger Verhandler erarbeitet hat, hat viel Verantwortung für den Umbau in die Theaterleitung gezogen. Und er hat durchgesetzt, dass das Schauspiel sein Gebäude nie ganz geräumt hat. Etwa für die Inszenierung „Der Sandmann“durfte es zurückkehren. „Ich habe nie einen Beschwerdebrief eines Zuschauers erhalten“, sagt Schulz. „Ich habe den Eindruck, dass die Leute ein Vergnügen daran entwickelt haben, beim Fortschritt der Arbeiten zuzuschauen.“
Dafür bietet die nun startende Spielzeit viele Gelegenheiten. Die Zuschauer werden nach und nach sehen, dass das Theater nicht nur saniert, sondern behutsam modernisiert wird: Im Kleinen Haus wird es erstmals einen Aufzug geben, der Durchgang zwischen den beiden Häusern wird heller gestaltet. Und das Kassenhäuschen im Eingang wurde abgerissen. Auf dem Platz wird ein Glashaus entstehen, in dem man Tickets erstehen kann. Für die Abendkasse wird ein neuer Bereich im Eingang gestaltet. Der lässt sich bislang auch nur erahnen. Es ist noch viel zu tun.