Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Theater kehrt zurück auf eine Baustelle

Theater auf der Baustelle: Das Schauspiel­haus erlebt die wohl ungewöhnli­chste Spielzeitv­orbereitun­g seiner Geschichte.

- VON ARNE LIEB UND ANDREAS ENDERMANN (FOTOS)

Die Sanierung des Schauspiel­hauses ist noch nicht beendet. Trotzdem startet die neue Spielzeit am Gustaf-gründgens-platz.

Vielleicht war es eine glückliche Fügung, dass die Spielzeit mit „Dantons Tod“beginnt. Denn in Büchners Revolution­sdrama ist auf der Bühne viel los. Mit einem leisen Stück hätten es Regisseur Armin Petras und sein Ensemble noch schwerer, sich gegen den Baulärm durchzuset­zen, sagt Intendant Wilfried Schulz mit einem Lächeln – und weiß natürlich, dass er den Künstlern viel zumutet: Während das Ensemble im Großen Haus für die Eröffnungs­inszenieru­ng probt, wird geschliffe­n, gebohrt und gehämmert. Wenn der Lärm mal wieder so laut ist, dass kein Wort zu verstehen ist, rennt jemand los und bittet die Arbeiter um Verständni­s, dass nicht nur sie einen engen Zeitplan haben.

Im Schauspiel­haus läuft die wohl ungewöhnli­chste Spielzeitv­orbereitun­g der Düsseldorf­er Theaterges­chichte. Das Schauspiel ist nach Jahren der Provisorie­n komplett in seine angestammt­e Spielstätt­e zurückgeke­hrt: Alle rund 150 Mitarbeite­r aus Verwaltung, Dramaturgi­e, Dispositio­n und den Werkstätte­n arbeiten am Gründgens-platz – teilweise mit Gehörschut­z. Außerdem wird das Schauspiel­haus wieder der wichtigste Aufführung­sort, das war seit mehr als drei Jahren das Central am Hauptbahnh­of gewesen.

Das Gebäude ist aber noch eine Baustelle: Außen ist teilweise noch bloßes Mauerwerk statt der markanten weißen Blechfassa­de zu sehen. Auch im Innenraum sieht es nicht so aus, als würde in einigen Tagen die Spielzeit eröffnet.

Nun hat die letzte Phase der Vorbereitu­ng begonnen: Seit dieser Woche laufen die Bauarbeite­n im 24-Stunden-betrieb. Zugleich sind die mehr als 50 Arbeiter angehalten, zwischen 10 und 14 Uhr sowie 18 und 22 Uhr besonders laute Arbeiten zu unterlasse­n – damit auch die Künstler rechtzeiti­g fertig werden. Intendant Schulz sagt, er wisse, dass das eine erhebliche Belastung sei. „Ich bin froh und dankbar, dass die Mitarbeite­r das akzeptiere­n“, sagt er. Anderersei­ts freue er sich, dass das Haus bald endlich fertig sei – und dass das Ziel jeden Tag näher rücke. „Jeden Abend, wenn ich nach Hause gehe, sehe ich Fortschrit­te.“

Wenn alles nach Plan läuft, steckt die Spielzeit für das Schauspiel­haus und seine Besucher voller „Meilenstei­ne“, wie es im Zeitplan heißt. Am 16. Januar 2020, wenn sich die Eröffnung zum 50. Mal jährt, soll die Sanierung und Modernisie­rung mit einem Gesamtvolu­men von 60 Millionen Euro abgeschlos­sen sein. (Das Theater wurde 1970 mit „Dantons Tod“eröffnet, daher – und weniger wegen der Lautstärke – steht das Stück auf dem Spielplan.)

Im Mai, wenn das Festival „Theater der Welt“gastiert, soll auch der Gründgens-platz schon begehbar sein. Im Sommer 2020, so der Plan, ist dann eines der größten städtebaul­ichen Vorhaben in NRW vollständi­g abgeschlos­sen: Das benachbart­e Geschäfts- und Bürohaus „Kö-bogen II“von Architekt Christoph Ingenhoven, die Tiefgarage, der Platz – und das Theater.

Zur Premiere von „Dantons Tod“am 20. September soll das Haus zumindest schon so fertig sein, dass es für die Zuschauer richtig nutzbar ist. Bis dahin ist noch viel zu tun. Wo Garderobe und Buchstand stehen sollen, hängen nur ein paar Stromkabel aus der Wand, in der Toilette fehlen die Toiletten. Hinter jeder Ecke trifft man auf einen anderen Trupp aus Handwerker­n. Im Foyer schleifen Arbeiter die Holzgeländ­er, in der Kantine sind die Fliesenleg­er zugange. Eine Spezialfir­ma installier­t den neuen, endlich barrierefr­eien Glasaufzug.

Andere Spezialist­en hellen den Beton auf, was nicht so einfach ist, wie es klingt. Das gilt für viele Arbeiten in der Architektu­rikone: Mit einem Farbwissen­schaftler und dem Denkmalsch­utz wurde der Originalfa­rbton der tausenden Quadratmet­er rohem Beton festgelegt, die die Optik des Innenraums prägen. Mehr Helligkeit und Transparen­z sind ein Hauptziel. Die neuen Scheiben im Foyer sind nicht mehr dunkelbrau­n, sondern aus Klarglas.

Der 2016 angetreten­e Intendant Schulz hat sich in Düsseldorf vielleicht genau so viel mit Baufragen wie mit Kunst beschäftig­t. Der 67-Jährige, der sich bei der Politik einen Ruf als hartnäckig­er Verhandler erarbeitet hat, hat viel Verantwort­ung für den Umbau in die Theaterlei­tung gezogen. Und er hat durchgeset­zt, dass das Schauspiel sein Gebäude nie ganz geräumt hat. Etwa für die Inszenieru­ng „Der Sandmann“durfte es zurückkehr­en. „Ich habe nie einen Beschwerde­brief eines Zuschauers erhalten“, sagt Schulz. „Ich habe den Eindruck, dass die Leute ein Vergnügen daran entwickelt haben, beim Fortschrit­t der Arbeiten zuzuschaue­n.“

Dafür bietet die nun startende Spielzeit viele Gelegenhei­ten. Die Zuschauer werden nach und nach sehen, dass das Theater nicht nur saniert, sondern behutsam modernisie­rt wird: Im Kleinen Haus wird es erstmals einen Aufzug geben, der Durchgang zwischen den beiden Häusern wird heller gestaltet. Und das Kassenhäus­chen im Eingang wurde abgerissen. Auf dem Platz wird ein Glashaus entstehen, in dem man Tickets erstehen kann. Für die Abendkasse wird ein neuer Bereich im Eingang gestaltet. Der lässt sich bislang auch nur erahnen. Es ist noch viel zu tun.

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INTENDANT WILFRIED SCHULZ INSPIZIERT DAS FOYER
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Auch die Sanierung der Fassade des Schauspiel­hauses läuft noch.
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Auf der rechten Seite soll in einigen Tagen die Garderobe zu finden sein.

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