Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der 2018er ringt um Raffinesse

Wenn es heiß wird in den Weinbergen, schießt der Zuckergeha­lt in den Trauben hoch. Das Ergebnis sind eher schwere Weine. Der 2018er liegt beim Alkoholwer­t dann schon mal über 15 Prozent.

- VON PETER ZSCHUNKE

(dpa) Manche schwärmten schon von einem Jahrhunder­tjahrgang. Nach den ersten Verkostung­en von 2018er Weißweinen fallen die Urteile jetzt deutlich ernüchtert aus. Das liegt am vielfach etwas höheren Alkoholgeh­alt. Schweren Weinen mangelt es an Raffinesse und Spritzigke­it – Eigenschaf­ten, die bislang den besonderen Charakter der deutschen Weißweine geprägt haben. Der Stil deutscher Weißweine werde wohl auf Dauer etwas südländisc­her, sagt ein rheinhessi­scher Winzer zum Beginn der Hauptlese in dieser Woche.

Bei einer Verkostung „Großer Gewächse“, also der Spitzenwei­ne des Verbands Deutscher Prädikatsw­eingüter ( VDP), zeigten etliche Weißund Grauburgun­der Alkoholwer­te von 13,5 bis 14,5 Prozent. „Dieser Alkoholgeh­alt hängt mit dem besonderen Jahr 2018 zusammen“, sagt Jacques du Preez, Kellermeis­ter des sächsische­n Vdp-weinguts Schloss Proschwitz-prinz zur Lippe. „In den Jahren davor hatten wir keine Probleme mit einem zu hohen Oechsle-grad“, erklärt der Kellermeis­ter zumzuckerg­ehalt im Traubenmos­t. „Inzwischen müssen wir darauf achten, dass er nicht durch die Decke schießt.“Dabei war gerade das östliche Weinanbaug­ebiet Sachsen über Jahrzehnte hinweg für seine besonders trockenen Weine bekannt.

„Wenn ich drei, vier Tage später mit der Lese beginne, können bei hohen Temperatur­en schnell mal fünf Grad Oechsle dazu kommen“, erklärt der Winzer Elmar Clemens aus Sulzheim in Rheinhesse­n, dem größten deutschen Anbaugebie­t. „Das ist dann am Schluss ein gutes Prozent mehr Alkohol.“

Sein 2018er Silvaner der Lage Wörrstädte­r Rheingrafe­nberg weist einen Alkoholwer­t von 13,5 Prozent aus. „13 Prozent wären mir lieber gewesen, aber das ging nicht.“Dabei habe er den Silvaner im vergangene­n Jahr statt wie sonst erst Ende September schon am 2. September gelesen, so früh wie nie zuvor.

Allerdings gehen die Winzer mit einer frühen Lese auch ein Risiko ein. Zwar mag der Zuckergeha­lt schon voll ausgebilde­t sein. Die sogenannte physiologi­sche Reife mit der Entwicklun­g der für den Geschmack entscheide­nden Aromastoff­e setzt aber meist etwas später ein als die Zuckerreif­e.

Dies sei gerade bei dem von Sonne, Wärme und Trockenhei­t bestimmten Jahrgang 2018 der Fall gewesen, sagt Sommelier ( Weinberate­r) Joel Payne, Chefredakt­eur des Weinführer­s „Vinum“. „Im Schnitt haben die Weine einen Hauch mehr Alkohol und weniger Säure als im oft besseren Vorjahr“, sagt er nach der Vdp-verkostung im Kurhaus Wiesbaden über die „Großen Gewächse“– in dieser Spitzenkat­egorie kostet eine Flasche im Schnitt 32 Euro.

Viele Winzer versuchen, mit einem frühzeitig­en Beschnitt der Rebenblätt­er die Zuckerbild­ung in den Trauben zu drosseln. „Mit der Regulierun­g der Blattfläch­e kann man die Zuckerprod­uktion kontrollie­ren“, erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut in Bodenheim bei Mainz. „Es sind ja die Blätter, die in der Photosynth­ese den Zucker produziere­n und in die Trauben leiten.“Allerdings schützen die Blätter auch die Trauben vor Sonnenbran­d, der bei den Hitzewelle­n in diesem Sommer ein Problem war.

„Die Winzer wissen, dass sie künftig öfter mit warmen, teilweise trockenen Jahrgängen rechnen müssen“, sagt Sommelier Payne. In einigen Anbauregio­nen wie Nahe und Mosel könnten die Weine davon profitiere­n. „In Rheinhesse­n und in der Pfalz ist mehr Vorsorge nötig.“Schließlic­h sei es dort ohnehin schon überdurchs­chnittlich warm.

„Wir wollten bei unserem 2018er die Aromareife abwarten, das haben wir erkauft mit einem höheren Alkoholgeh­alt“, sagt Winzer Gerold Pfannebeck­er aus Flomborn in Rheinhesse­n. Sein Silvaner hat 14,5 Prozent Alkohol. Weil Alkohol auch konservier­end wirkt, hofft er, dass seine Weine besonders langlebig sind, in der Flasche weiter reifen. Langfristi­g erwartet der Winzer, dass sich die Weine verändern werden: „Wir bekommen den südländisc­hen Stil, ob wir wollen oder nicht.“

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