Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Julia und Nicolas wollen den Atlantik überqueren

Mit dem Dreimast-toppsegels­choner „Thor Heyerdahl“geht es für die zwei Schüler nach Panama und Kuba. Sie tauschen das Klassenzim­mer gegen ein halbes Jahr an Bord.

- VON SIMONA MEIER

Noch sind Julia Hoffmann (15) und Nicolas Ebenhöh (14) vom Freien Christlich­en Gymnasium in Reisholz ganz normale Schüler der Klasse zehn. Das wird sich Mitte Oktober ändern, dann starten sie ihr großes Abenteuer. Ein halbes Jahr gehören sie zum Team der „Thor Heyerdahl“. Auf dem Dreimast-toppsegels­choner überqueren sie mit insgesamt 34 Jugendlich­en und einer 16-köpfigen Besatzung den Atlantik, machen Station in Panama und Kuba. „Wir sind in Panama im Dschungel und machen in Kuba eine Radtour durchs Land“, sagt Nicolas Ebenhöh. Ihr Schiff legt am 19. Oktober in Kiel ab. „Zurück kommen wir voraussich­tlich am 25. April 2020“, sagen die Schüler.

„Klassenzim­mer unter Segeln“nennt sich das Projekt, an dem auch der Deutsch- und Geographie-lehrer Kai Regener vom Freien Christlich­en Gymnasium bereits zweimal teilnahm. Seine Empfehlung an die zwei Schüler, die es jetzt ins Team schafften: „Täglich eine halbe Stunde in Ruhe aufs Meer schauen.“Der Lehrer inspiriert­e die Jugendlich­en mit seinen Erlebnisse­n. „Insbesonde­re die Aussicht auf das Kennenlern­en neuer Kulturen und das praktische Lernen an Bord und in den einzelnen Ländern haben uns fasziniert“, meint Julia Hoffmann.

Wind, Wellen, Sturm und fremde Kulturen, zusammen auf einem Traditions­segler erleben, für das große Abenteuer mussten beide ein Auswahlver­fahren durchlaufe­n: Bewerbung, gute Noten, ein Motivation­sschreiben und ein Praxistest zählten dazu. Nicht jeder ist geeignet für einen halbjährig­en Segeltörn mit wenig Platz, Unterricht an Bord und seemännisc­her Ausbildung.

Die beiden Schüler sind noch nie gesegelt: „Es ist auch kein Ausschluss­kriterium“, sagt Nicolas Ebenhöh. An Bord der Thor Heyerdahl lernen die Mädchen und Jungen den Bordalltag und die Bordroutin­en kennen. Wachdienst­e zählen dazu, Saubermach­en und Kochen, Segel setzen und bergen, das Navigieren. „Man braucht halt alle Hände auf dem Schiff, um Manöver zu fahren, das ist Teamarbeit und fasziniert mich“, sagt Julia Hoffmann. Sie ist Einzelkind und freut sich auf die Herausford­erung in der Gruppe. „Eigentlich bin ich es nicht gewohnt, mit vielen Leuten auf engem Raum zusammen zu sein“, sagt sie. Der Schulunter­richt findet an 25 Stunden pro Woche statt, verteilt auf drei Tage in zwei Gruppen. An Bord schreiben die Schüler außerdem Klassenarb­eiten. Schon im Vorfeld haben sie Referate für die Reise vorbereite­t, die sie dann unterwegs halten. Dass man immer zusammen ist, finden Nicolas und Julia unproblema­tisch.

Ihren ersten Einsatz hatten sie bei einem Probetörn: „Die Gruppe bei diesem Törn war toll und ich glaube, man wächst da richtig zusammen in den sechs Monaten“, sagt Nicolas. In Kuttergrup­pen segelten sie an verschiede­ne Orte. „Wir haben selbst gekocht, uns bei Nachtwache­n abgewechse­lt und zwischendu­rch gezeltet“, sagt er. Ein wichtiger Teil zur Entscheidu­ng war dieser Törn für Julia. „Ich habe auch für mich selbst geguckt, ob ich das kann und mit den Basics auskomme“, sagt sie.

An Bord gibt es kein Internet, für die Schüler, die sonst an ihrem Gymnasium mit Laptops arbeiten, dürfte das eine Umstellung werden. Vor Seekrankhe­it fürchten sich beide nicht. „Der erste Sturm wird mit Sicherheit eine Herausford­erung, der ich aber zuversicht­lich entgegenbl­icke“, stellt Julia fest. „Ich glaube, man wächst da auch zusammen, in so einem Sturm, wenn man viel arbeiten muss, länger wachbleibe­n muss, vielleicht die kaputten Segel nähen muss“, mutmaßt Nicolas.

Raus aus dem Schulallta­g, rein ins große Abenteuer, in wenigen Wochen sind die Sachen gepackt. „Auf dem Schiff wird man selbststän­dig, das haben uns alle berichtet“, sagen beide. Nicolas nimmt ein kleines Fotoalbum und ein paar Spekulatiu­s mit: „Ohne die kann ich Weihnachte­n nicht überleben“, sagt er. Julia packt ihre Geige ein: „Wir haben vor, gemeinsam zu musizieren. Viele nehmen ihr Instrument mit“, meint sie.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Gehen im Oktober auf große Reise: Nicolas Ebenhöh packt auf jeden Fall Spekulatiu­s ein und Julia Hoffmann ihre Geige.

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