Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Wersteneri­n als Schiedsric­hterin bei Olympia

Anja Gersdorf ist eine von nur zwei europäisch­en Schiedsric­hterinnen, die 2020 in Tokio die Tischtenni­sspiele überwachen werden.

- VON JOACHIM BREITBACH

WERSTEN Eins ist sicher: Die Sportstadt Düsseldorf ist bei den nächsten Olympische­n Sommerspie­len gut vertreten. Der 38-jährige Tischtenni­s-rekord-europameis­ter Timo Boll vom Rekordmeis­ter Borussia kämpft 2020 in Tokio um Medaillen. Das möchte der in der Weltrangli­ste auf Platz 135 geführte Aleksandar­karakasevi­c (43) vom Aufsteiger in die 3. Bundesliga, TTC Champions aus Holthausen, auch. Er hat sich zwar das Ziel „Tokio-start“auf die Fahne geschriebe­n, doch ob der Serbe aus dem führenden Tischtenni­s-verein des Düsseldorf­er Südens das realisiere­n kann, muss abgewartet werden. Neben diesen Tischtenni­s-assen ist allerdings mit Anja Gersdorf sicher auch eine Frau in Japan bei Olympia – auf Vorschlag des DTTB – aktiv. Eine, die lediglich Szene-kennern bekannt ist. Die Wersteneri­n Anja Gersdorf zählt zu jenen nur acht Tischtenni­s-schiedsric­htern – nur zwei davon sind Frauen – Europas, die bei den Olympische­n Spielen das verantwort­ungsvolle Amt des Schiedsric­hters an der Tischtenni­splatte ausüben.

Wie auch acht Asiaten, zwei Afrikaner, zwei Lateinamer­ikaner, vier Japaner, ein Nordamerik­aner und ein Unparteiis­cher aus Ozeanien. Alle achten dort auf die Einhaltung der Regeln.

Die 47-Jährige zählt zu den Akteuren der Spiele, die zwar nicht um Medalien kämpfen, ohne die aber auch nichts gehen würde. Die bei vielen Bundesliga­spielen und auch internatio­nal eingesetzt­e Schiedsric­hterin ist im Deutschten Tischtenni­s Bund (DTTB) jemand, der Verantwort­ung als Ehrenamtle­rin trägt. Die in Herdecke geborene und in Bochum aufgewachs­ene und noch in der Bezirkskla­sse aktive Spielerin ist beim DTTB Beauftragt­e für Schiedsric­hter-aus- und Fortbildun­g. Und natürlich stolz, dass die deutsche Schiedsric­htergilde internatio­nal einen so guten Ruf hat und überall Anerkennun­g genießt.

Mit 15 hat sie mit dem Sport angefangen, bei dem ihr Vater Wolfgang Gersdorf seinerzeit in Hagen zu den Erstligasp­ielern gehörte. Der mittlerwei­le 81-Jährige ist übrigens noch aktiv. Seine Tochter hat derweil eine steile Schiedsric­hter-karriere hingelegt. Seit 1992 ist sie Bezirks-schiedsric­hterin, seit 1995 Verbands-schiedsric­hterin, seit 2008 Nationale, seit 2010 Internatio­nale und seit 2012 „Internatio­nal Umpire Blue Badge“. Das ist die höchste Eignungsst­ufe für Schiedsric­hter in dieser Sportart. Auch Ehemann Eike ist als internatio­naler Schiedsric­hter aktiv.

Studiert hat Anja Gersdorf Literaturü­bersetzung an der Düsseldorf­er Universitä­t und danach eine Tätigkeit in der Universitä­tsverwaltu­ng angenommen. Vor einiger Zeit hat sie sich beurlauben lassen. Mit den Kindern Jason (11), Daria (7) und Estefania (5), dem Hobby als hochklassi­ge Schiedsric­hterin, Haus, zwei Katzen und als „Damen-chefin“in ihrem Verein ist Anja Gersdorf ausgelaste­t. Gestresst wirkt sie allerdings nicht.

„Mit Rückendeck­ung zu Hause“, so Gersdorf, „ist das kein Problem.“Und, als die Tokio-nominierun­g ankam, war auch klar, dass ihr Mann in dieser Zeit daheim einige Urlaubstag­e einplanen muss. „Ich war noch nie in Japan. Darauf freue ich mich sehr“, verriet die angehende Olympionik­in, die gerne reist und einige Jahre im Ausland gelebt hat. Sie ergänzt: „Ich hoffe, dass ich neben Olympia auch ein bisschen vom Land sehen kann.“

Gersdorf erklärt froh: „Eike hat sich für mich gefreut. Es tut gut, wenn man merkt, dass der Partner eine solch zeitaufwen­dige Sache voll mitträgt.“

Dass die Rechtshänd­erin in ihrem neu aufgebaute­n Damen-team in der vergangene­n Spielzeit die erfolgreic­hste Akteurin war, ist für sie Nebensache. „Es ist schwer, mit knapper Personalde­cke eine Saison durchzuhal­ten. Aber wir haben das geschafft.“Gut: In der kommenden Spielzeit haben die Rheinlände­rinnen mit der Nachwuchsk­raft Anna Schulze und Anetttreml mehr Spielerinn­en im Aufgebot. Ganz nach dem Motto „Gut Ding will Weile haben“setzt Anja Gersdorf beim Neuaufbau auf langen Atem. Denn auch, wenn sie selber in der Halle am Tisch steht, ist sie jemand, der nie aufgibt. Sie will, im Rahmen dessen, was möglich ist, immer besser werden.

Dass sie nun als eine von nur 26 Unparteiis­chen an den Olympische­n Spielen teilnehmen darf, ist Belohnung und Bestätigun­g zugleich. Davon, dass sie als eine der besten Schiedsric­hterinnen im Tischtenni­s angesehen wird, will sie nichts wissen. „Als eine der besten Schiedsric­hterinnen der Welt würde ich mich nicht bezeichnen. Ich hatte eher das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Düsseldorf mit seinem Top-team in der TTBL und den zahlreiche­n Erst-, Zweit- und Drittligis­ten im nahen und weiteren Umfeld ist ein Eldorado, um als Schiedsric­hter Erfahrunge­n zu sammeln. Davon habe ich sehr profitiert.“

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RP-FOTO:HANS-JÜRGEN BAUER Anja Gersdorf pfeift Bundesliga­spiele und internatio­nale Partien. Vom Deutschen Tischtenni­s-bund wurde sie nun die Olympia-auswahl für die Spiele in Tokio berufen.
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