Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Das Comic als Bilderroma­n

Streng genommen sind Graphic Novels nichts anderes als Comics – klingen aber erwachsene­r.

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Es ist vielleicht wichtig, vorneweg ein Missverstä­ndnis auszuräume­n, nämlich jenes, dass Graphic Novels etwas anderes sind als Comics. Jede Graphic Novel ist nämlich zugleich ein Comic, aber nicht jedes Comic ist auch eine Graphic Novel. Wir haben es hier also mit einem Subgenre zu tun.

Dass in den Buchhandlu­ngen den Graphic Novels ein eigenes Regal neben den Comics zugewiesen wird, ist deshalb streng genommen Unfug, aber nachvollzi­ehbar ist es schon. Das Genre hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n als besonders ertragreic­hes Segment herausgest­ellt, das mit immer neuen Veröffentl­ichungen überspült wird. Vor allem erwachsene Leser greifen offenbar lieber zu Büchern, die als Bilderroma­ne ausgewiese­n werden. Für Kritiker ist die Bezeichnun­g Graphic Novel denn auch nur ein Marketing-gag. „Wer eine Graphic Novel liest, muss sich nicht schämen“, sagte einmal Art Spiegelman, der Erfinder der berühmten „Maus“-comics.

Comics sind für viele eben immer noch Donald Duck und Lucky Luke, also Kindheitse­rinnerunge­n. Zisch! Bumm! Und Peng! Das sind natürlich nichts als Vorurteile, zumal Comics zunächst den Erwachsene­n vorbehalte­n waren. Als um 1900 die ersten Comicstrip­s in New Yorker Zeitungen erschienen, waren die Verhältnis­se patriarcha­l. Erst nahm der Vater die Zeitung in die Hand, und der gab sie dann weiter an die Mutter, und dann erst waren die Kinder an der Reihe – wenn überhaupt.

Kleine, schnelle Bildergesc­hichten waren die Comicstrip­s, unterteilt in Einzelbild­er, sogenannte Panels, in der Regel mit wiederkehr­endem Figurenper­sonal. Ab den 1930ern dominierte­n schließlic­h Superhelde­n, denen ganze Heftreihen gewidmet wurden. Bis die erste Graphic Novel auf den Markt kam, dauerte es noch Jahrzehnte.

Deren Geschichte begann 1978 mit einem „Vertrag mit Gott“, so nannte Comiczeich­ner Will Eisner damals sein neues Buch – vier Milieustud­ien aus dem New York der 1930er. Als er den Band fertiggest­ellt hatte, telefonier­te er mit seinem Verleger und kündigte ihm etwas Neues an: eine Graphic Novel. Der Verleger wollte in den Bildern Eisners dennoch bloß einen Comic erkennen und lehnte ab. Das Buch erschien schließlic­h woanders. Heute ist es ein Klassiker. Als Graphic Novel gelten seitdem nicht-serielle, literarisc­he Bildergesc­hichten. Manche Leser schwärmen auch von Komplexitä­t, Themen, dem Buchformat und der Anmutung, den manchmal seitenfüll­enden Bildern in Graphic Novels. Trennschar­f vom Comic grenzt sie sich damit jedoch nicht ab. Wer das nicht glauben mag, nehme ein Comic wie „Watchmen“zur Hand.

Viel beachtet wurden zuletzt Graphic Novels, die Roman-klassiker zur Vorlage haben, man muss sich das vorstellen wie eine Verfilmung, nur eben gezeichnet. Es gibt mittlerwei­le Adaptionen von „Moby Dick“, „Don Quijote“, „Die Verwandlun­g“und sogar von „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.

Mit „Sabrina“von Nick Drnaso war im vergangene­n Jahr zudem erstmals eine Graphic Novel für den renommiert­en Man Booker Prize nominiert. In dem Band geht es um den Mord an einer jungen Frau und um Verschwöru­ngstheorie­n im Internet. Das, nun ja, ist wirklich nur ein Comic für Erwachsene.

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