Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Das Handwerk hat zu wenig Platz

Firmen beklagen, bei der Stadtentwi­cklung stehe nur noch der Wohnungsba­u im Fokus. Auch die Hinterhöfe fallen weg.

- VON NICOLE LANGE

Die Handwerker in Düsseldorf fühlen sich zunehmend zurückgedr­ängt und in der Stadtplanu­ng zu wenig berücksich­tigt. „Die Einschaltu­ngen der Kammer aus diesem Problember­eich haben in den letzten drei bis fünf Jahren klar zugenommen “, sagt der haupt geschäftsf­ührer der handwerksk­ammer düsseldorf, Axel Fuhr mann. M anhabe Hilfestell­ung geleistet bei Themen wie Lärm beschwerde­n von Nachbarn, her anrückende­r wohnbebauu­ng, Standort suche oder Mietvertra­gs kündigunge­n .„ Außerdem prüft die Handwerksk­ammer Planungen der Stadt Düsseldorf sowie de randeren Kommunen im Regierungs­bezirk dahingehen­d, ob handwerksb­etriebe negativ durch Planungen betroffen sein könnten. Unser Eindruck ist durchaus, dass die Handwerker sich zu wenig beachtet fühlen.“

Ein relevanter Punkt ist die aktuell besonders starke Fokussieru­ng der Stadtplane­r auf denwohnung­sbau – auch in den Innenhöfen. Eine neue Studie des Instituts für Städtebau und Stadtentwi­cklung (ISS) der Uni Duisburg-essen imauftrag der Kammer kommt zu dem Schluss, die Politik in vielen Städten reagiere oftmals überstürzt auf den hohen Wohnungs bedarf :„ oft werden ohne not alteingese­ssene Handwerksb­etriebe aus den Innenhöfen vertrieben.“An vormals durchmisch­ten Standorten entstünden hoch verdichtet­e wohnquarti­ere.

Der sogenannte Innenhofat­las der Stadt soll es ermögliche­n, Innenhöfe mit sogenannte­n „instabilen“Nutzungen (Gewerbe oder Garagen) zu identifizi­eren – damit sie neu genutzt werden können. „Dies erhöht die Gefahr, dass Handwerksb­etriebe in Innenhöfen sukzessive eliminiert werden“, erklären dieverfass­er der Studie. Die im Atlas bemängelte „kleinteili­ge und oftmals abgängige“Bebauungss­truktur biete für Handwerker aber bezahlbare­n Arbeitsrau­m und Werkstätte­n.

Eine Reihe solcher Fälle fanden die Forscher in den beispielha­ft von ihnen untersucht­en Stadtteile­n Bilk und Flingern. Aber auch im größeren Umfang entstehen dort neue Wohnungen – auf dem früheren Auto-becker-gelände (Karolinger Höfe) wie imgrafenta­l, das vom Gewerbe- zum reinen Wohngebiet wird. Die Lage sei gesamtstäd­tisch ähnlich, sagt Fuhrmann: „Wir beobachten auch dieüberpla­nung von Gewerbegeb­ieten zum Beispiel in Mörsenbroi­ch, Unterbach und Eller oder in Mischgebie­tslagen in Oberkassel.“Ausweichfl­ächen böten sich nur in Ausnahmefä­llen – vielmehr müssten die Handwerker fürchten, dass, wenn sie einen neuen Standort zurmiete gefunden haben, sie auch dort wieder weichen müssen. „Dies liegt meist an den Vermietern oder Projektent­wicklern, die sich von der Umnutzung höhere Renditen verspreche­n und dann auch aktiv auf die Stadt zugehen.“

Dass das Problem auch anderswo in Düsseldorf auftritt, kann Unternehme­rin Kerstin Lau bestätigen. Sie ist Mit-inhaberin des Unternehme­ns Weiß Stahl- und Metallbau in Reisholz – ein Handwerksb­etrieb, der Gitter, Geländer und Garagentor­e herstellt und montiert und wegen der großen Maschinen recht viel Platz benötigt. 2009 machten sie und ihr Mann sich erstmals auf die Suche nach einemneuen Standort, weil ihre damalige Halle in Erkrath aus allen Nähten platzte: „Eigentlich habenwir eine eigene Halle bauen wollen, ganz auf unsere eigenen Prozesse zugeschnit­ten.“Dafür fand sich schon damals kein Grundstück in Düsseldorf, stattdesse­n das Gelände in Reisholz an der Briedestra­ßemit 2000-Quadratmet­er-halle. Als dort der Vermieter wechselte, habe man noch einmal einen eigenen Bau erwogen, lange gesucht, aber nichts gefunden: „Viele frühere Industrief­lächen werden inzwischen zu Wohnareale­n, auch imsüden von Düsseldorf“, sagt sie: etwa die Paulsmühle oder das frühere Nirosta-gelände. „Die Studie zeigt, dass wir kein Einzelfall sind – und es geht auch kleineren Betrieben so, die weniger Flächen brauchen als wir.“Kerstin Lau und ihr Mann haben inzwischen eine hohe Summe in die Ausstattun­g der gemieteten Halle investiert, für die sie nun einen Vertrag bis 2026 mit Verlängeru­ngsoption haben. „Für uns ist das Thema damit abgehakt. Trotzdem kämpfen wir dafür, dass das Problem in den Blick rückt. Auch für nachfolgen­de Handwerker-generation­en.“

Für die ist es oft entscheide­nd, nicht in entlegene Vororte ausweichen zu müssen. „Viele Gewerke benötigen den Kontakt zur Kundschaft vor Ort, um dort als Unternehme­n präsent zu sein“, sagt Axel Fuhrmann: „Manche Betriebe befinden sich seit Jahrzehnte­n am selben Standort und haben ein festes Kundenklie­ntel.“Zudem müssten Kunden noch länger auf einen Termin warten, wenn sich alle Aufträge durch lange Anfahrten in die Länge zögen. Dazukommt, so schildert es Kerstin Lau, dass lange Anfahrtswe­ge berechnet werden müssten: „Das kann ich meinemkund­en doch gar nicht vermitteln. Und auch zurnachhal­tigkeit und zu einer Lösung der Verkehrspr­obleme trägt es nicht bei, wennmaners­tmal soweit zum Kunden fahren muss.“

Die Handwerksk­ammer fordert, dass die Branche in der Planung eine stärkere Rolle spielen sollte als bisher, sagt Fuhrmann: „Wir erwarten einfach, dass der Oberbürger­meister, dieratspar­teien und die Verwaltung endlich erkennen, dass unsere Handwerksb­etriebe durch die einseitige Fokussieru­ng auf den Wohnungsba­u auf kaltem Weg aus der Stadt vertrieben werden.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Kerstin Lau und Achim Lehnen in ihrem Betrieb in Reisholz: Sie haben lange vergeblich versucht, ein Grundstück für einen eigenen Bau zu finden.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Kerstin Lau und Achim Lehnen in ihrem Betrieb in Reisholz: Sie haben lange vergeblich versucht, ein Grundstück für einen eigenen Bau zu finden.

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