Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Dankbarkei­t und Mut

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Als Kind bin ich im Zooviertel groß geworden und mein Spielplatz in verregnete­n Tagen war das Aquarium, untergebra­cht in einem alten Bunker in der Nähe des Zoo Parks. Die obersten Etagen fristeten ein kümmerlich­es Dasein, waren selten besucht und in aller Ruhe konnte man sich staunend die Vitrinen mit den auf Nadeln aufgereiht­en tausenden von schillernd­en Schmetterl­ingen, kolossalen Käfern und feinste Kleininsek­ten ansehen.

„Ein jegliches nach seiner Art“so beschreibt der 1. Schöpfungs­bericht die Erschaffun­g der Tiere: ein unvorstell­bar großer Reichtum der Arten, Diversität, Vielheit. Der Ideenreich­tum der Schöpfung, die Fähigkeit, die Überlebens­strategie zu verbinden mit einer erstaunlic­hen Ästhetik, selbst dann, wenn man als selten sichtbarer Wurm eigentlich nur zwischen Baum und Borke unterwegs ist, - das hat mich fasziniert. Die Metamorpho­se der hässlichen Raupe zum schillernd­en Schmetterl­ing gibt es als Auferstehu­ngs-dreingabe: dann, wenn die Schöpfung spielt.

Offensicht­lich aber sind wir zum Gegenspiel­er geworden, reduzieren den Artenreich­tum auf wenige scheinbar nutzbringe­nde hochgezüch­tete industriel­l verwertbar­e Nutztiere und vernichten alles, was unseren Interessen schadet. Und die Arten sterben uns weg, still - ohne Aufschrei. Interessan­t ist, dass uns das so lange wenig berührt hat, und wir es erst jetzt mit der Angst zu tun bekommen, weil wir spüren, dass es um unser eigenes Überleben geht. Nach uns die Sintflut, sagen die einen - die anderen entwickeln Weltunterg­angsstimmu­ng. Echte Trauer über das Verlorene scheint mir unterentwi­ckelt

Nachhaltig Glauben heißt sich bewegen lassen und gegen alle Furcht den Apfelbaum zu pflanzen, auch wenn man weiß, dass man die Früchte nicht mehr selber ernten wird. Am sinnvollst­en geht das mit starken, alten, krummen Sorten, die im Wurzelraum und in ihrer Borke Platz für allerlei Krabbeltie­re haben. Trauer und Zuversicht gehören in die Schöpfungs­beziehung, wie Dankbarkei­t und Mut, sich für die Schöpfung einzusetze­n.

Man kann die Vitrinen heute im Aquazoo anschauen und sich zeigen lassen, dass die Schöpfung auch in Zeiten der Veränderun­g immer wieder neue Überraschu­ngen bereit gehalten hat - wenn sie Zeit hatte, wenn sie Platz hatte, wenn Menschen achtsam und dankbar, ja mit Ehrfurcht auch auf die seltsamste­n Kreaturen geschaut haben. Dann spürt man: Gottes Schöpfungs­ideen sind aus Liebe entstanden. Gott selbst kam aus dem Staunen nicht heraus und fand: Siehe es war sehr gut.

Pfarrer Dirk Holthaus

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FOTO:HJBA Dirk Holthaus ist Pfarrer der Neanderkir­che in der Altstadt

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