Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Wohin nun mit der Liebe?

„Mein Leben mit Amanda“ist ein zu Herzen gehender Film über die Trauer.

- VON MARIUS NOBACH

(kna) Im Dasein von David wirkt vieles provisoris­ch. Der 24-Jährige bekommt manches nicht auf die Reihe. Sein Geld verdient der junge Mann aus Paris als Baumpflege­r und indem er Touristen und Zuzüglern Wohnungen vermittelt. Mit der gleichaltr­igen Lena flirtet er ein wenig, ohne konkretere Absichten zu haben.

Währenddes­sen muss sich seine Schwester Sandrine allein um ihre siebenjähr­ige Tochter kümmern. Auch Davids Umgang mit den beiden ist eher flapsig-freundscha­ftlich. Mit Nichte Amanda spielt er gerne, doch mit der Forderung, Essen für sie zu kochen oder mit an ihre Hausaufgab­en zu denken, wäre er überforder­t. Einen Zwist löst die Frage nach dem Umgang mit der in London wohnenden Mutter aus. Die hat sich gerade wieder gemeldet – 20 Jahre, nachdem sie ihren Mann und ihre Kinder verlassen hat.

Es gehört zu den meisterlic­hen Elementen von „Mein Leben in Amanda“, wie Regisseur Mikhael Hers zunächst gelassen den Alltag der Figuren mit all seinen Ritualen, Banalitäte­n und kleinen Dramen andeutet. Dann jedoch vollzieht der Regisseur einen schockiere­nden Einschnitt, der ohne Vorwarnung passiert. Als David sich eines Abends erneut verspätet, erwartet ihn in dem Park, in dem sie Sandrines Führersche­in feiern wollen, ein surreales Szenario: Menschen liegen reglos und blutversch­miert auf der Wiese. Schnell ist klar, dass Sandrine zu den Toten gehört.

Ein Terroransc­hlag. Doch dazu werden im Film nur wenige Informatio­nen geliefert. Denn Hers geht es nicht um die politisch-gesellscha­ftlichen Aspekte der Schreckens­tat. Ihn beschäftig­en die Trauerproz­esse, die auch schon in seinem Film „Dieses Sommergefü­hl“im Zentrum standen.

Zum Dreh- und Angelpunkt des Films wird die Beziehung zwischen ihm und Amanda, angefangen bei der schweren Aufgabe, die Kleine über den Tod ihrer Mutter zu informiere­n. Ist David wirklich in der Lage, ihre Vormundsch­aft zu übernehmen? Oder läuft es vielleicht doch auf ein Kinderheim hinaus?

In seiner unaufdring­lichen Inszenieru­ng verweigert sich Hers keineswegs der emotionale­n Seite des Stoffes: „Mein Leben mit Amanda“ist vom Ansatz her ein Melodrama, in dem die Gefühle der Figuren jederzeit im Fokus stehen.

Authentisc­h bleibt der Film überdies durch das konzentrie­rte Zusammensp­iel der Darsteller. Vincent Lacoste ist eine Idealbeset­zung für Davids jungenhaft­e Überforder­ung, die kleine Isaure Multrier eine Filmdebüta­ntin, die in Amandas häufig stillen Momenten ebenso glaubhaft ist wie in den plötzliche­n Trauerschü­ben.

Wenn dieser wunderbar zu Herzen gehende, zudem gänzlich undidaktis­che Film doch eine Botschaft vermitteln will, ist es wohl diese: Kein Raum lässt sich auf ewig von Angst und Trauer besetzen, denn das Leben erobert sich unaufhalts­am zurück, was ihm geraubt worden ist.

Mein Leben mit Amanda, Frankreich 2018 – Regie: Mikhaël Hers, mit Vincent Lacoste, Isaure Multrier, Stacy Martin, Greta Scacchi, Ophélia Kolb, 107 Min.

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FOTO: DPA Vincent Lacoste und Isaure Multrier in „Mein Leben mit Amanda“.

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