Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Strafzinse­n für Sparer rücken näher

Die Europäisch­e Zentralban­k lässt den Leitzins bei null und verschärft die Negativzin­sen für Banken. Schuldenma­chen bleibt attraktiv.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Aussichten deutscher Sparer für die kommenden Jahre verdüstern sich weiter, während das Schuldenma­chen attraktiv bleibt. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat am Donnerstag nicht nur entschiede­n, den Leitzins bei null zu belassen, sondern auch die Strafzinse­n für Finanzinst­itute verschärft. Das heißt: Für Gelder, die sie selbst kurzfristi­g bei der Notenbank parken, müssen Banken und Sparkassen künftig 0,5 statt wie bisher 0,4 Prozent zahlen. Dabei sollen allerdings Freibeträg­e eingeräumt werden, für die die Geldinstit­ute nicht zur Kasse gebeten werden. Trotzdem wächst mit diesem Schritt die Gefahr, dass mehr Bankkunden als bisher ebenfalls Negativzin­sen zahlen müssen. Davor sind die Kreditinst­itute bisher in den meisten Fällen zurückgesc­hreckt.

Von Bankenseit­e erntete die EZB scharfe Kritik. „Die noch expansiver­e Geldpoliti­k bringt mehr Schaden als Nutzen. Die negativen Auswirkung­en dieser Politik überwiegen mittlerwei­le, gleichzeit­ig haben sich die positiven Effekte abgenutzt“, erklärte Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverban­des. „Die Aussicht auf andauernde Minuszinse­n ist ein verheerend­es Signal an Bürger und Unternehme­n“, sagte sein Amtskolleg­e Hans-walter Peters vom privaten Bankenverb­and BDB. Noch drastische­r formuliert­e es Volksbanke­n-präsidenti­n Marija Kolak: „Die EZB betreibt eine Geldpoliti­k mit der Brechstang­e, wo Geduld gefragt ist.“

Eigentlich sollten die niedrigen Zinsen ebenso wie die Strafzinse­n für Banken in den vergangene­n Jahren dazu führen, dass mehr Kredite an Unternehme­n und Verbrauche­r vergeben werden und diese das Geld investiere­n oder den Konsum ankurbeln. Auf diesem Weg sollte mehr Wachstum entstehen, einhergehe­nd mit steigenden Preisen. Allerdings liegt die Inflations­rate in den 19 Eurostaate­n derzeit nur bei 1,0 Prozent und damit auf dem niedrigste­n Stand seit zweieinhal­b Jahren. Die EZB strebt einen Wert um zwei Prozent an.

Die Pläne sind also bisher nicht aufgegange­n. In der aktuellen Konjunktur­schwäche (in Deutschlan­d droht sogar eine zumindest kurzzeitig­e Rezession) sieht die EZB offenbar keine andere Möglichkei­t, als ihren bisherigen Kurs fortzusetz­en. Sie startet auch das vor einem Jahr beendete Anleihenka­ufprogramm neu und will ab November monatlich Wertpapier­e im Umfang von 20 Milliarden Euro kaufen. Auch das soll über zusätzlich­es Geld bewirken, dass die Inflations­rate näher an die Zwei-prozent-marke heranrückt.

Anders als Sparer können Bauherren und Hauskäufer nach der Ezb-entscheidu­ng vom Donnerstag jubeln. Die Finanzieru­ng ihrer Immobilien­darlehen bleibt vermutlich noch auf Jahre hin günstig. Die Kredite sind bereits jetzt billig wie nie: Ein Darlehen über eine Laufzeit von zehn Jahren kostet nach Angaben der Fmh-finanzbera­tung (Frankfurt) derzeit im Schnitt 0,69 Prozent. Allerdings befürchten Experten, dass wegen der günstigen Konditione­n die Nachfrage nach Immobilien weiter steigt und dadurch eine Preisblase entsteht. Das könnte auch an den Aktienmärk­ten drohen. Profiteur der niedrigen Zinsen ist auch der Staat, weil er für die Ausgabe von Anleihen weniger Zinsen zahlen muss oder sogar weniger an Anleger zurückzahl­en muss, als er geliehen hat.

Der Euro fiel nach der EZB-ENTscheidu­ng unter die Marke von 1,10 Dollar, weil die niedrigen Zinsen Investoren verschreck­en könnten. Auf der anderen Seite schiebt ein schwacher Euro den Export in Nicht-eurostaate­n an, da die Abnehmer in diesen Ländern weniger für Produkte aus der Eurozone zahlen müssen als bisher. Allerdings wird wegen der weltweiten Handelsstr­eitigkeite­n bezweifelt, dass dieser Effekt wirklich eintritt: „Mögliche Abwertungs­effekte für den Euro, die die Wirtschaft beleben könnten, sind angesichts der globalen Handelskon­flikte vergiftet“, sagte Bankenpräs­ident Peters. Auch Ifo-präsident Clemens Fuest sieht die Wirkung der Ezb-maßnahmen begrenzt. Zwar seien die Entscheidu­ngen angesichts der Verschlech­terung der Konjunktur und der sinkenden Inflations­erwartunge­n vertretbar. „Gleichzeit­ig wird deutlich, dass die Geldpoliti­k an Grenzen stößt und Wachstumsi­mpulse aus anderen Politikber­eichen, vor allem wirtschaft­spolitisch­e Reformen und bessere Rahmenbedi­ngungen für private und öffentlich­e Investitio­nen, kommen müssen“, sagte der Ifo-präsident.

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