Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Strafzinsen für Sparer rücken näher
Die Europäische Zentralbank lässt den Leitzins bei null und verschärft die Negativzinsen für Banken. Schuldenmachen bleibt attraktiv.
DÜSSELDORF Die Aussichten deutscher Sparer für die kommenden Jahre verdüstern sich weiter, während das Schuldenmachen attraktiv bleibt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag nicht nur entschieden, den Leitzins bei null zu belassen, sondern auch die Strafzinsen für Finanzinstitute verschärft. Das heißt: Für Gelder, die sie selbst kurzfristig bei der Notenbank parken, müssen Banken und Sparkassen künftig 0,5 statt wie bisher 0,4 Prozent zahlen. Dabei sollen allerdings Freibeträge eingeräumt werden, für die die Geldinstitute nicht zur Kasse gebeten werden. Trotzdem wächst mit diesem Schritt die Gefahr, dass mehr Bankkunden als bisher ebenfalls Negativzinsen zahlen müssen. Davor sind die Kreditinstitute bisher in den meisten Fällen zurückgeschreckt.
Von Bankenseite erntete die EZB scharfe Kritik. „Die noch expansivere Geldpolitik bringt mehr Schaden als Nutzen. Die negativen Auswirkungen dieser Politik überwiegen mittlerweile, gleichzeitig haben sich die positiven Effekte abgenutzt“, erklärte Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. „Die Aussicht auf andauernde Minuszinsen ist ein verheerendes Signal an Bürger und Unternehmen“, sagte sein Amtskollege Hans-walter Peters vom privaten Bankenverband BDB. Noch drastischer formulierte es Volksbanken-präsidentin Marija Kolak: „Die EZB betreibt eine Geldpolitik mit der Brechstange, wo Geduld gefragt ist.“
Eigentlich sollten die niedrigen Zinsen ebenso wie die Strafzinsen für Banken in den vergangenen Jahren dazu führen, dass mehr Kredite an Unternehmen und Verbraucher vergeben werden und diese das Geld investieren oder den Konsum ankurbeln. Auf diesem Weg sollte mehr Wachstum entstehen, einhergehend mit steigenden Preisen. Allerdings liegt die Inflationsrate in den 19 Eurostaaten derzeit nur bei 1,0 Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand seit zweieinhalb Jahren. Die EZB strebt einen Wert um zwei Prozent an.
Die Pläne sind also bisher nicht aufgegangen. In der aktuellen Konjunkturschwäche (in Deutschland droht sogar eine zumindest kurzzeitige Rezession) sieht die EZB offenbar keine andere Möglichkeit, als ihren bisherigen Kurs fortzusetzen. Sie startet auch das vor einem Jahr beendete Anleihenkaufprogramm neu und will ab November monatlich Wertpapiere im Umfang von 20 Milliarden Euro kaufen. Auch das soll über zusätzliches Geld bewirken, dass die Inflationsrate näher an die Zwei-prozent-marke heranrückt.
Anders als Sparer können Bauherren und Hauskäufer nach der Ezb-entscheidung vom Donnerstag jubeln. Die Finanzierung ihrer Immobiliendarlehen bleibt vermutlich noch auf Jahre hin günstig. Die Kredite sind bereits jetzt billig wie nie: Ein Darlehen über eine Laufzeit von zehn Jahren kostet nach Angaben der Fmh-finanzberatung (Frankfurt) derzeit im Schnitt 0,69 Prozent. Allerdings befürchten Experten, dass wegen der günstigen Konditionen die Nachfrage nach Immobilien weiter steigt und dadurch eine Preisblase entsteht. Das könnte auch an den Aktienmärkten drohen. Profiteur der niedrigen Zinsen ist auch der Staat, weil er für die Ausgabe von Anleihen weniger Zinsen zahlen muss oder sogar weniger an Anleger zurückzahlen muss, als er geliehen hat.
Der Euro fiel nach der EZB-ENTscheidung unter die Marke von 1,10 Dollar, weil die niedrigen Zinsen Investoren verschrecken könnten. Auf der anderen Seite schiebt ein schwacher Euro den Export in Nicht-eurostaaten an, da die Abnehmer in diesen Ländern weniger für Produkte aus der Eurozone zahlen müssen als bisher. Allerdings wird wegen der weltweiten Handelsstreitigkeiten bezweifelt, dass dieser Effekt wirklich eintritt: „Mögliche Abwertungseffekte für den Euro, die die Wirtschaft beleben könnten, sind angesichts der globalen Handelskonflikte vergiftet“, sagte Bankenpräsident Peters. Auch Ifo-präsident Clemens Fuest sieht die Wirkung der Ezb-maßnahmen begrenzt. Zwar seien die Entscheidungen angesichts der Verschlechterung der Konjunktur und der sinkenden Inflationserwartungen vertretbar. „Gleichzeitig wird deutlich, dass die Geldpolitik an Grenzen stößt und Wachstumsimpulse aus anderen Politikbereichen, vor allem wirtschaftspolitische Reformen und bessere Rahmenbedingungen für private und öffentliche Investitionen, kommen müssen“, sagte der Ifo-präsident.
Leitartikel