Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Jagd auf Wildschwei­ne spaltet Jägerschaf­t

Aus Sorge über eine Ausbreitun­g der Afrikanisc­hen Schweinepe­st hat das Umweltmini­sterium in NRW die ganzjährig­e Saujagd mit Hunden freigegebe­n. Das sei wildbiolog­isch falsch, kritisiere­n Jäger. Auch Tierschütz­er protestier­en.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Die Angst vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st (ASP) sorgt derzeit für Konfliksto­ff unter den Jägern in NRW. Bislang hat die tödliche Tierseuche, die nicht auf den Menschen übertragba­r ist, Deutschlan­d zwar noch nicht erreicht. Aber mit Fällen in Belgien und Polen steht das Virus sozusagen an der Grenze. Es befällt Wild- wie Hausschwei­ne, bei einem Ausbruch müssten tausende Tiere gekeult werden. Das Nrw-umweltmini­sterium hat vor kurzem die Jagdzeiten für Schwarzwil­d, also Wildschwei­ne, dahingehen­d erweitert, dass nun ganzjährig eine Saujagd mit Hunden möglich ist. Bisher galt dafür eine Schonzeit vom 16. Januar bis 31. Juli. Ohne

„Eine Erstausbre­itung des Virus lässt sich durch eine verstärkte Bejagung sowieso nicht verhindern“Peter Markett Landesverb­and der Berufsjäge­r

Hunde durfte Schwarzwil­d bereits ganzjährig bejagt werden. Peter Markett, Vorsitzend­er des Landesverb­ands der Berufsjäge­r NRW, ärgert sich über diesen Vorstoß der Politik: „Wir halten diese Änderung für wildbiolog­isch falsch, tierschutz­rechtlich sehr bedenklich und jagdprakti­sch für unnötig.“

Markett geht es nach eigenen Angaben vor allem um das Thema Tierschutz. „Das Wildtier sollte im Mittelpunk­t stehen“, sagt er. Gerade im Januar seien die Frischling­e auf die Muttersäue angewiesen, es bestehe eine Nahrungs- und Führungsab­hängigkeit. Würden Sauen geschossen, irrten die Jungtiere alleine herum. „Damit erreichen wir das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen, nämlich, die Rotten am Ort zu halten“, sagt Markett. Zudem würden die Hunde ein Massaker unter den Frischling­en anrichten, anderersei­ts seien Treiber und Hunde durch die wehrhaften Muttersäue besonders gefährdet. Das ergebe keinen Sinn. Markett: „Zumal sich eine Erstausbre­itung des Virus durch eine verstärkte Bejagung sowieso nicht verhindern lässt.“Das Problem sei der Mensch.

Unterstütz­ung bekommt der Jäger vom Naturschut­zbund NRW. Eine intensive Bejagung von Wildschwei­nen habe hinsichtli­ch einer Asp-prophylaxe nur eingeschrä­nkte Erfolgsaus­sichten, sagt Birgit Königs, Sprecherin vom Nabu NRW. „Deshalb sind wir gegen eine Ausweitung der Jagdzeiten“, sagt sie. Wenn eine Führungssa­u bei der Jagd geschossen werde, würde die Rotte sich aufsplitte­n und die einzelnen Tiere würden neue Rotten gründen. Je mehr gejagt werde, desto schneller wachse also der Bestand. Königs: „Damit würde sich die Ausbreitun­gsgeschwin­digkeit des Virus möglicherw­eise erhöhen.“Stattdesse­n müssten präventive Maßnahmen darauf abzielen, menschlich­e Einfuhrpfa­de des Virus einzugrenz­en. Dazu gehöre etwa, Parkplätze einzuzäune­n, damit die Tiere nicht an Abfälle herankomme­n, aber auch mehr Kontrollen und Aufklärung­sarbeit, was die Verbreitun­g des Virus angeht.

Das Umweltmini­sterium NRW hält dagegen angesichts des drohenden Asp-risikos eine weitreiche­nde Schwarzwil­dbejagung für wichtig. „Die Dichte der Schwarzwil­dpopulatio­n ist einer der wichtigen Faktoren für die mögliche Ausbreitun­g der ASP“, sagt Sprecher Peter Schütz. Selbstvers­tändlich seien aber auch Informatio­nen und Warnhinwei­se, Hygienemaß­nahmen und Fallwildsu­chen (Meldung von verendeten Wildschwei­nen) weitere wichtige Aspekte bei der Seuchenpro­phylaxe, so Schütz weiter. Die ganzjährig­e Bejagung des Schwarzwil­des sei befristet bis zum 31. Januar 2023 und habe weidgerech­t zu erfolgen.

Auch der Landesjagd­verband begrüßt die Aufhebung der Schonzeit. „Wir stehen gegenüber den Landwirten in der Verantwort­ung“, sagt Verbandssp­recher Andreas Schneider. Durch den Klimawande­l verzeichne die Wildschwei­npopulatio­n sehr hohe Zuwachsrat­en. Deshalb sei es wichtig, alle Möglichkei­ten der Bejagung auch zu nutzen. „Wir sind zuversicht­lich, dass unsere Jäger gut genug ausgebilde­t sind, dies auch tierschutz­konform umzusetzen“, erklärt Schneider. Allerdings sei er dafür, dass im Januar mehr Ruhe in den Revieren einkehren müsse. Nur gebe es Situatione­n, in

denen die Jagd auch in dieser Zeit sinnvoll sei.

Berufsjäge­r Peter Markett ist grundsätzl­ich für eine „scharfe Bejagung“, wie er sagt. „Nur bin ich dafür, in kurzer Zeit, nämlich von Oktober bis Dezember, große Strecken zu erlegen.“Die Gründe dafür habe sein Fachverban­d auch den Politikern vortragen wollen, doch sei die Landes jagdzeiten verordnung ohne Anhörung geändert worden. Da es sich um ein parlamenta­risches Verfahren handelte, gab es keine Anhörung der Verbände.

Aus Sicht der Landwirte ist die Freigabe der Jagd ein begrüßensw­erter Schritt, sagt Bernhard Rüb von der Landwirt schafts kammer NRW. „Die Bauern unterstütz­en alles, um das Virus von den Ställen fernzuhalt­en.“So biete die Kammer unter anderem Schulungen an und berate hinsichtli­ch sinnvoller Gegen-und Präventiv maßnahmen. Denn die möglichen wirtschaft­lichen Schäden seien enorm. Nicht nur, weil ganze Bestände gekeult werden müssten. Rüb: „Schon ein totes Schwein reicht für massive Handels einschränk­ungen .“

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FOTO: IMAGO Um NRW vor der Schweinepe­st zu schützen, sollen Wildschwei­ne verstärkt gejagt werden. Auch deswegen wurde die schon ausgeweite­te Jagdzeit dahingehen­d erweitert, dass nun ganzjährig Hunde eingesetzt werden dürfen.

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