Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Zu viele Krankenhäu­ser in NRW

Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann legt das zentrale Gutachten für seine Krankenhau­sreform vor. In fast allen Gebieten Nordrhein-westfalens gibt es Überangebo­te. Das bedeutet aber nicht automatisc­h eine gute Qualität.

- VON PHILIPP JACOBS, THOMAS REISENER UND EVA QUADBECK

DÜSSELDORF Der von Nrw-gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) angeschobe­ne Umbau der Nrw-krankenhau­slandschaf­t wird wohl umfassende­r ausfallen als bislang gedacht. Das zentrale Gutachten, das der Reform zugrunde liegen soll, hat für fast sämtliche stationäre­n Angebotsfe­lder in NRW deutliche oder sehr deutliche Anzeichen für eine Überversor­gung ausgemacht – und das in nahezu allen Gebieten des Landes.

Die Frage, wie viele der rund 340 Krankenhäu­ser in NRW diesem Befund zum Opfer fallen sollen, ließ Laumann am Donnerstag bei der Vorstellun­g des Gutachtens offen. Die Konkretisi­erung sei einer neuen Krankenhau­splanung vorbehalte­n, die ihre Arbeit unter der Regie des Nrw-gesundheit­sministeri­ums im kommenden Jahr abschließe­n soll. Mit der Umsetzung der neuen Krankenhau­slandschaf­t will Laumann noch vor der nächsten Landtagswa­hl im Jahr 2022 beginnen. Der Nrw-gesundheit­sminister will das in weiten Teilen defizitäre Angebot ausdünnen, zugleich aber über eine bessere Zusammenar­beit von neuen Klinikverb­ünden die Versorgung­squalität erhöhen. Am Ende des Prozesses soll trotzdem jeder Patient im Notfall binnen 30 Minuten ein Krankenhau­s per Auto erreichen können.

Schlüssel für die Verbesseru­ng der Qualität soll eine neue Planungsgr­undlage sein, die sich bislang an regionalen Bevölkerun­gsdichten und dem örtlichen Gesundheit­sniveau orientiert. Stattdesse­n soll in NRW als erstem Bundesland künftig das sogenannte Züricher Modell gelten. Dieses rückt die medizinisc­h erbrachte Leistung in den Mittelpunk­t. Das Gutachten schlägt nun vor, in NRW 70 „Leistungsg­ruppen“einzuführe­n. Solche wären zum Beispiel Unfallchir­urgie, Endoprothe­tik oder Eingriffe am Herzen. Krankenhäu­ser, die auf diesen Gebieten zu wenig Erfahrung haben, sollen entspreche­nde Behandlung­en künftig nicht mehr anbieten dürfen.

Beispiel Knie-prothesen: 2017 gab es in NRW laut Gutachten mehr als 30.000 solcher Operatione­n an 233 Krankenhäu­sern. Über die Hälfte der Eingriffe erfolgte in Häusern, die weniger als 100 solcher Fälle im Jahr haben. „Das sind im Schnitt nicht einmal zwei Operatione­n pro Woche“, sagte Laumann und deutete an, dass die vergleichs­weise geringe Erfahrung der Operateure auch ein Gesundheit­srisiko für die Patienten bedeuten kann.

Von den rund 64.000 jährlich zu behandelnd­en Schlaganfä­llen werden etwa 11.000 in Krankenhäu­sern behandelt, die keine spezielle Ausstattun­g dafür haben. Und 66 Nrw-krankenhäu­ser führten 2017 komplizier­te Eingriffe an der Bauchspeic­heldrüse durch, obwohl sie die jetzt schon gesetzlich vorgeschri­ebene Mindestfal­lzahl für derlei Operatione­n nicht vorweisen konnten.

Der Mangel an Erfahrung hängt oft mit einem ähnlichen Parallelan­gebot vieler benachbart­er Häuser zusammen. Gutachter Jens Peukert von der Beratungsg­esellschaf­t Lohfert und Lohfert nannte als Beispiel den Großraum Köln, der mit kardiologi­schen Angeboten „extrem überversor­gt“sei. Ebenfalls in Köln, aber auch im Ruhrgebiet und in Düsseldorf gibt es wiederum ein unvernünft­ig großes Angebot an orthopädis­chen Behandlung­en und ebenso an Geburtshil­fen. Allerdings identifizi­erten die Gutachter auch unterverso­rgte Regionen. So gibt es in großen Teilen des Landes zu wenig stationäre Angebote für Alters- und Schmerzmed­izin. Auch die Angebote für psychische und psychiatri­sche Behandlung­en sind landesweit zu dünn.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sieht die Pläne zur Krankenhau­sreform in NRW als Vorbild auch für andere Bundesländ­er. „Das ist eine Blaupause für kluge Krankenhau­splanung“, sagte Spahn. Patienten bräuchten für den Notfall eine Klinik in der Nähe. Für gute Qualität bei planbaren Eingriffen seien die allermeist­en Menschen aber auch bereit, etwas weiter zu fahren.

Die Krankenhau­sgesellsch­aft NRW sieht Chancen und Risiken in der geplanten Reform und will sich „offen und konstrukti­v“an der weiteren Gestaltung beteiligen, sagte Präsident Jochen Brink. Nicht Schließung­en seien das Ziel, sondern die Verbesseru­ng der Patientenv­ersorgung. „Wir fordern aber auch die Übernahme von politische­r Verantwort­ung ein, wenn es zur Schließung von Abteilunge­n oder Standorten kommt.“

Matthias Moormann, Vorstand der AOK Rheinland/hamburg, ist aufgeschlo­ssen: „Wir haben in den Ballungsze­ntren im Rheinland ein deutliches Überangebo­t an Krankenhäu­sern mit erhebliche­n Mehrfachst­rukturen. Eine wohnortnah­e Versorgung wäre sicher auch mit weniger Häusern möglich.“

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FOTO: DPA In Ballungsge­bieten, insbesonde­re in der Rhein-ruhr-schiene, gibt es dem Nrw-gutachten zufolge eine Überversor­gung.

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