Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Jedem fünften Rentner droht Altersarmu­t

Eine Studie zeigt, dass in den nächsten 20 Jahren deutlich mehr Neurentner auf staatliche Hilfe angewiesen sein werden.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Im Konjunktur­aufschwung der vergangene­n Jahre sind die Bezüge der 21 Millionen Rentner jeweils deutlich erhöht worden, gleichzeit­ig jedoch hat das Altersarmu­tsrisiko zugenommen. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) im Auftrag der Bertelsman­n-stiftung. Demnach könnte der Anteil der von Altersarmu­t bedrohten Rentner von derzeit 16,8 auf 21,6 Prozent im Jahr 2039 steigen. Als armutsbedr­oht gelten in der Studie Menschen, die monatlich weniger als 905 Euro netto einnehmen. 2020 allerdings können sich die aktuellen Rentner erneut auf eine stattliche Erhöhung ihrer Bezüge um voraussich­tlich fünf Prozent freuen.

Wie kommt das Institut zu seinen Ergebnisse­n? Basis der Studie sind Simulation­srechnunge­n der Alterseink­ommen 2015 bis 2050. Grundlage dieser Rechnungen sind repräsenta­tive Daten privater Haushalte, über die das DIW verfügen kann, weil im Rahmen seines so genannten sozio-oekonomisc­hen Panels (SOEP) etwa 30.000 Personen in 12.000 deutschen Haushalten regelmäßig und fortlaufen­d nach ihren Einkommen befragt werden. Berechnet hat das DIW den gesamten Einkommens­mix im Alter, bestehend aus gesetzlich­er, betrieblic­her und privater Altersvors­orge.

Was sind die wesentlich­en Ergebnisse der Studie? Derzeit ist das Problem der Altersarmu­t noch begrenzt – jedenfalls, wenn man es nur an der Zahl derer bemisst, die die Grundsiche­rung im Alter beziehen. Das sind derzeit erst 3,2 Prozent aller Menschen im Rentenalte­r. Allerdings liegt die Dunkelziff­er der Berechtigt­en deutlich höher. Schätzunge­n gehen laut DIW davon aus, dass zwei Drittel derer, die eigentlich bedürftig wären, die Grundsiche­rung nicht beantragen. Selbst wenn die Konjunktur stabil bleibt, die Arbeitslos­igkeit nicht zunimmt und die Regierung alle bereits beschlosse­nen Rentenverb­esserungen beibehält, wird laut DIW in 20 Jahren jeder fünfte ältere Mensch von Altersarmu­t bedroht sein.

Was sind die Gründe für wachsende Altersarmu­t? Das Institut nennt vor allem zunehmend gebrochene Erwerbsbio­grafien. Wegen vorübergeh­ender oder längerer Arbeitslos­igkeit haben Betroffene zu wenig in die Rentenkass­e eingezahlt. „Vom Anstieg der Altersarmu­t sind Geringqual­ifizierte, Alleinsteh­ende, Personen mit längerer Arbeitslos­igkeit und Menschen mit Migrations­hintergrun­d überdurchs­chnittlich stark betroffen“, schreiben die Studienaut­oren. Ein starker Anstieg des Armutsrisi­kos sei in Ostdeutsch­land zu erwarten, weil dort besonders viele Erwerbsbio­grafien nach der Wende unterbroch­en wurden. Wie wirkt sich das auf die Grundsiche­rung im Alter aus? Durch das wachsende Armutsrisi­ko steigt laut der Studie auch der Anteil derer, die von der Grundsiche­rung im Alter abhängig sein werden. Bei der Berechnung geht das DIW davon aus, dass 100 Prozent der Berechtigt­en sie auch beziehen. Dies entspricht nicht der Realität, war für die Berechnung­en als Annahme aber notwendig. Lag die Grundsiche­rungsquote laut Diw-annahme bisher bei etwa neun Prozent, steigt sie bis 2024 stark an und liegt bis Ende der 2030er Jahre bei etwa zwölf Prozent aller Rentner. „Überdurchs­chnittlich stark steigt der Bedarf an Grundsiche­rungsleist­ungen in den ersten Jahren bei jüngeren Alterskoho­rten, so das Institut. Nehme man an, dass Arbeitsver­hältnisse künftig weniger standardis­iert und stabil seien, klettere der Anteil derer, die 2039 von der Grundsiche­rung abhängig seien, sogar auf 13,4 Prozent. Ist die Grundrente ein wirksames Instrument gegen Altersarmu­t? Nach den Ergebnisse­n des DIW taugt die geplante Grundrente der Koalition nur bedingt, um Altersarmu­t und Anstieg der Grundsiche­rungsempfä­nger zu begrenzen. Zwar ließe sich der Anteil der armutsgefä­hrdeten Rentner durch die Grundrente auf 18,4 statt 21,6 Prozent im Jahr 2039 begrenzen, wenn sich die SPD damit durchsetze­n würde, keine Bedürftigk­eitsprüfun­g einzuführe­n. Allerdings wäre die Grundrente dann auch „nicht hinreichen­d zielgenau“, weil viele Bezieher in Haushalten lebten, deren Einkünfte über dem Grundsiche­rungsnivea­u lägen. Würde man die Grundrente aber mit Bedürftigk­eitsprüfun­g einführen, wie es die Union fordert, würde der Anteil der armutsgefä­hrdeten Rentner 2039 wiederum bei 21,2 Prozent liegen, so das DIW. Viele Betroffene würden zudem nicht das Kriterium erfüllen, 35 Jahre in die Rentenkass­e eingezahlt zu haben.

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FOTO: DPA Mehr im Portemonna­ie.

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