Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Einmal Peking und zurück
Linus und Leonie waren auf der anderen Seite des Globus. Bei einem chinesischen Mittagessen berichten sie von ihren Erfahrungen.
Als Linus Schröttke (20) das Restaurant Chuan Wei Chuan an der Bahnstraße betritt, wird er mit großem Hallo begrüßt. Am runden Tisch sitzen bereits Jiali Hu (48), die chinesische Direktorin des Konfuzius-instituts, und Chinesisch-lehrer Hao Li (28). Auch Leonie Weyhoven (19) ist schon da. Mit ihr und Hao Li war Linus Schröttke zwei Wochen in China.
Leonie Weyhoven War ich die einzige, die zwei Tage lang Jetlag hatte?
Linus Nee, hatte ich auch. Ich bin abends um acht ins Bett gegangen und war um vier Uhr wieder wach.
Leonie Gibt es hier in der Speisekarte irgendwo Gemüse?
Jiali Hu Ja, hier hinten. Hier, dieses Gericht ist sehr typisch für die Szechuan-küche: scharfer Tofu.
Linus Was war das erste vegetarische Gericht, was du in Deutschland gegessen hast?
Leonie Ich war beim Geburtstag einer Verwandten und habe mich dort vollgefuttert. Schau mal, das hier haben wir auch in China gegessen. Rührei mit Tomate! Eigentlich sehr deutsch.
Linus Ah, es gibt Jiaozi. Davon bin ich ein großer Fan. Die sind wie Maultaschen.
Als Vegetarierin hat man es nicht so leicht in China, oder?
Leonie Ich hatte es mir einfacher vorgestellt. Am Anfang wusste der Koch im Wohnheim nichts davon, dass ich kein Fleisch esse – also musste ich erst mal beim Reis bleiben. Aber nach zwei Tagen waren wir dann sehr gut mit ihm befreundet, und er hat mehrere vegetarische Gerichte gekocht. Und ich habe direkt gelernt zu fragen (auf Chinesisch): „Ohne Fleisch?“
Jiali Hu, ist Vegetarismus in China nicht so weit verbreitet?
Jiali Hu Nicht wie in Deutschland. In China isst man meistens gemischt. Immer zuerst ein bisschen Fleisch und dann Gemüse. So, wie wir es hier bestellt haben.
Leonie, Linus, warum habt ihr den Intensivkurs in Peking mitgemacht? Leonie Ich mache meinen Bundesfreiwilligendienst im Konfuzius-institut in Düsseldorf. Der deutsche Direktor meinte, der Kurs sei sicher eine gute Erfahrung für mich. Im Oktober beginnt mein Sinologie-studium, deshalb war das eine tolle Möglichkeit, mehr über das Land zu erfahren.
Linus Ich habe 2014/15 schon mal ein Jahr in China gelebt. Seitdem habe ich aber gar nichts mehr mit China zu tun gehabt und die Sprache total vergessen. Im Mai habe ich das erste Mal wieder Chinesisch-unterricht genommen. Da habe ich dann vom Sommercamp gehört und mich beworben.
Wie sah die Reise aus?
Linus Wir waren 16 Teilnehmer, sind nach Peking geflogen, hatten dort mit einer Lehrerin Chinesisch-unterricht und haben viele Kultur-exkursionen gemacht. Und wir haben viel vom chinesischen Alltag mitbekommen. Wir waren zum Beispiel viel im Supermarkt. Wahrscheinlich öfter als im Bett!
Hao Li, Sie haben Ihre Schüler begleitet.
Hao Li Ja, es war sehr spannend zu sehen, wie sie sich in China verhalten.
Jiali Hu, was waren die Rahmenbedingungen der Reise?
Jiali Hu Die Teilnehmer mussten mindestens drei Monate bei uns den Chinesisch-unterricht besucht haben. Die Kosten für Flug und Visum mussten sie selbst tragen – alle anderen Kosten hat das Konfuzius-institut übernommen.
Warum veranstaltet das Institut so eine Reise?
Hu Unsere Aufgabe ist es, die chinesische Kultur zu vermitteln. Wir möchten, dass mehr Deutsche China kennenlernen. Viele Kursteilnehmer kennen das Land nur aus Büchern.
Wie gut konntest du denn schon Chinesisch vor der Reise, Leonie? Leonie Ich habe im September angefangen zu lernen – im Mai habe ich die Hsk-2-prüfung bestanden. Man kann sich vorstellen, sagen, wie alt man ist, nach etwas im Supermarkt fragen – solche Sachen.
Was ist das Schwierigste an der Sprache?
Leonie Die Unterscheidung der Töne. Die Silbe „ma“kann je nach Tonhöhe vier verschiedene Dinge bedeuten. Die Zeichen finde ich dagegen einfacher, die haben meistens eine Verbindung miteinander. Linus Ich finde die Schriftzeichen am schwierigsten. Die Töne hat man nach vier bis sechs Wochen drauf, finde ich. Aber die Schriftzeichen muss man hunderttausend Mal schreiben, jedes ist wie ein kleines Kunstwerk. Das kostet so viel Ausdauer.
Der Moment, in dem man das erste Mal den Boden eines Landes betritt, in dem man noch nie war, ist etwas Besonderes, oder?
Leonie Wir sind über Peking geflogen und haben direkt den berühmten Smog gesehen. Als wir aus dem Flugzeug kamen, war es sehr warm und feucht. Ich habe mich einfach nur gefreut und war neugierig. Und das erste, was mir aufgefallen ist: Ich konnte nichts lesen. Man fühlt sich wie ein Kleinkind.
Jiali Hu Sollen wir essen? In China wird alles geteilt. Hier ist Lamm, das hier ist dünn geschnittene Schweinehachse. Hier sind die Jiaozi, dann gibt es noch Gurkensalat, Auberginen und eine Eierspeise. Guten Appetit!
Linus Das Essen in China haben wir auch sehr genossen. Ich habe alles fotografiert!
Hao Li Und ihr habt mit Frau Wang gegessen. Das ist unglaublich!
Wer ist Frau Wang?
Leonie Eine höhergestellte Person! Die Hausmeisterin im Wohnheim. Linus Wir haben sie gefragt, wo man am besten Hotpot essen kann. Daraufhin hat sie sofort gesagt: Ich zeige euch den besten Ort in ganz Peking. Sie hat richtig Remmidemmi gemacht, damit wir einen guten Tisch bekommen.
Es sind ja gerade die kleinen Dinge des Alltags, die spannend sind, wenn man in ein fremdes Land reist. Linus Man verschenkt zum Beispiel nichts, was die Zahl vier enthält. Ich hatte kleine Gummibärchentüten dabei – durfte aber keine vier auf einmal verschenken, weil das chinesische Wort für vier dem Wort für Tod ähnelt. Leonie Und wenn ein Mann romantisch ist, verschenkt er neun Rosen, weil die neun eine Glückszahl ist. Jiali Hu Ja. Die Neun hat zwei Bedeutungen. Erstens steht sie für Ewigkeit. Und zweitens ist sie die größte einstellige Zahl.
China ist ja politisch nicht unumstritten. Aktuell machen die Proteste der Hongkonger Bevölkerung viel Schlagzeilen. Beschäftigt euch das auch?
Linus Ich muss ehrlich sagen, ich habe mich in letzter Zeit weniger damit beschäftigt. Ich verfolge das aber in den Nachrichten. In China haben wir viel Zeit Online gelesen – übrigens deshalb, weil so Seiten wie tagesschau.de geblockt waren. Auch Whatsapp, Facebook und Co. sind eingeschränkt. Und in der Gesellschaft merkt man, dass über manche Sachen nicht geredet wird. Wenn man Chinesen fragt, wie sie die politischen Fragen sehen, ist das Gespräch meistens ziemlich schnell zu Ende.
Was glaubt ihr – welche chinesischen Entwicklungen wird es bald auch in Deutschland geben?
Leonie Wenn man dort am Bahnhof ist, geht man erst ans Gleis, wenn der Zug angekündigt wird. Darüber haben wir ja auch viel in Deutschland diskutiert. Fast überall sind die Gleise abgeschirmt mit Glaswänden. Das finde ich eigentlich eine gute Idee.
Linus Die Wechat-app ist unglaublich wichtig. Nicht nur für das kontaktlose Bezahlen – über die App kann man auch Pakete bestellen, Essen, Taxis. Man kann Flüge buchen, Restaurants suchen. Das ist mir aufgefallen.
Du warst ja schon mal in China, Linus. Was hat dich überrascht, Leonie? Leonie Drei Dinge. Erstens: In öffentlichen Toiletten gibt es kein Klopapier – wenn man das vergisst, hat man echt ein Problem. (Alle lachen.) Zweitens: Als Ausländer ist man in China immer noch etwas Besonderes. Das hatte ich in der Hauptstadt nicht erwartet. Und drittens: Wir wurden ständig gefilmt. Irgendwann haben wir uns einen Spaß draus gemacht, zurückzufilmen.
Hao Li, wie war die Zeit denn für Sie?
Hao Li Ehrlich gesagt: sehr, sehr stressig. (Er lacht.) Ich war für die Sicherheit der Schüler verantwortlich. Das war mir sehr wichtig. Mein Deutsch ist noch nicht so gut, aber ich musste trotzdem der Dolmetscher sein.
Leonie Vielen Dank, Herr Li!
Linus Herr Li ist erst seit acht Monaten in Deutschland.
Wie ist das Dessert?
Linus Anders, aber es ist okay!
Leonie Ein bisschen süß.
Jiali Hu Das sind Klebreisbällchen!
Leonie Sehr interessant war ja in China das Eis, was in Fett gebraten war.
Hao Li Ja, in Qufu!
Leonie Ich weiß nicht, wie die das hinbekommen haben.
Linus Es war wie paniert. Es war Wassereis und es war noch gefroren, als es kam. Und einige von uns haben zum ersten Mal Zikaden gegessen.
Frau Hu, Herr Li, ist es für Sie als Chinesen komisch, dass jemand Zikaden als Speise merkwürdig findet?
Jiali Hu Eigentlich nicht.
Hao Li China ist riesig. Die Menschen aus unterschiedlichen Regionen haben sehr unterschiedliche Gewohnheiten. Ich kann das essen, aber jemand anders kann das vielleicht nicht akzeptieren.
Wie geht es jetzt mit eurer Chinesisch-karriere weiter, Leonie und Linus?
Leonie Ich werde weiter Vokabeln lernen und dann geht mein Studium los. Ich würde gerne in die Kulturforschung gehen.
Linus Ich will weiter Chinesisch lernen. Ich habe diese Sprache wirklich vermisst. Ich hoffe, dass ich später etwas mit China zu tun habe.
Dann sage ich: Xièxiè.