Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Heinrich Heine in der Wortwolke
Das Heine-institut rückt die Bilker Straße als „ Straße der Romantik und Revolution“erfrischend jugendlich in den Blickpunkt.
Ein Avatar namens Heine bewegt sich gemessenen Schritts durch die Altstadt. Von der Bilker Straße wandelt er zu seinem Geburtshaus an der Bolkerstraße, weiter zum Jan-wellem-denkmal auf dem Marktplatz, durch den Hofgarten und schließlich zum Strom mit Blick auf den Rheinturm. Wo auch immer der Dichter aufkreuzt, hat er einen passenden Originalsatz aus seiner Gesamtausgabe auf den Lippen – etwa im Hofgarten, „wo ich oft auf dem Rasen lag und andächtig zuhörte, wenn mir Monsieur Le Grand von den Kriegstaten des großen Kaisers erzählte“. In der Tonhalle tritt er gar als Sänger hervor „Im wunderschönen Monat Mai“, als wäre er Fischer-dieskau.
Der graue Avatar ist eine Erfindung von Studentinnen und Studenten der Hochschule Düsseldorf und eine virtuelle Attraktion in der Ausstellung „Ideen! Zur Straße der Romantik und Revolution“. Das Heinrich-heine-institut hat sie zusammengestellt, 63 Personen und Institutionen haben sich daran beteiligt, von der Schülerin über den Anwohner bis zur Expertin. Ein Raum präsentiert neben dem Avatar Originales von Heine und dem Ehepaar Clara und Robert Schumann, das kurze Zeit im Haus schräg gegenüber wohnte. Der zweite Saal enthält alte und junge Dokumente zur Bilker Straße, an der sich nicht nur das Heine-institut und das Palais Wittgenstein befinden, sondern auch Galerien und andere kulturelle Adressen.
An den Wänden und auf einem Multimedia-tisch kann man lesen, was Zeitgenossen über die Bilker Straße an Lob, aber auch Tadel zu Protokoll gegeben haben. Die Destillewirtin Chris Walter zum Beispiel: „Früher wohnten Arbeiter und ärmere Leute hier, und dadurch, dass das Palais Wittgenstein eröffnet wurde, mit dem Marionettentheater und dem Literaturbüro, hat sich das Ganze eher in eine Kulturstraße verwandelt. Die ganze Straße verändert sich, sie wird ein bisschen schick, für meine Begriffe zu schön.“Da reiht sich der Liedermacher Dieter Süverkrüp, auch er Anwohner der Straße, umstandslos ein: „Als wir hier einzogen, war die Gegend sehr viel plebejischer, beinahe proletarischer und auch durchaus natürlicher, menschlicher, nicht so offiziell. Es gab auch diese ganzen vielen Geschäftsfifis noch nicht, die mittags immer in Schwarzweiß kommen und hier Suppe essen.“An alte und jüngere Zeiten erinnern rings an den Wänden schwarz-weiße Fotografien seit 1900, welche die Fassaden der Straße wiedergeben und, wenn man sie hochklappt, auch deren Geschichte.
In der Mitte des Raums, auf dem Multimedia-tisch, können die Besucher selbst tätig werden und eingeben, was ihnen zu den Begriffen Romantik und Revolution einfällt, jenen beiden Polen, zwischen denen der Liebeslyriker und Bewunderer Napoleons hin- und hergerissen war. Auf einer wandfüllenden Tafel im Saal nebenan ist der Anfang bereits gemacht. In einer Wortwolke, Ergebnis einer Umfrage, sind Assoziationen vereint – Romantik in der Farbe der blauen Blume, Revolution in aufständischem Rot. Besonders oft genannte Worte sind durch ihre Größe hervorgehoben: Sonnenuntergang, Eichendorff und Loreley in der ersten Rubrik, Mut, Französische Revolution und Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in der zweiten. In einem Ideen-häuschen kann man sich zudem durch
Auszüge von Heine-texten inspirieren lassen.
Inmitten der elektronischen Vermittler läuft man Gefahr, das Kostbarste zu übersehen: jene Stücke aus der hauseigenen Sammlung von Hinterlassenschaften Heines und der Schumanns, die unscheinbar in Vitrinen liegen. Die weltweit einzige erhaltene Handschrift von Heines „Loreley“ist darin zu enthalten und ein handschriftlicher Originalauszug von „Deutschland. Ein Wintermärchen“.
Sabine Brenner-wilczek, Direktorin des Heine-instituts und mit Gaby Köster zugleich Kuratorin von „Ideen!“, will mit der frischen Präsentation zwischen analog und digital nicht nur ein jugendliches Publikum begeistern, sondern auch möglichst viele Besucher treppauf in die Schausammlung locken. Dort erlebt man von der Haarlocke bis zur Totenmaske, vom frühen Gedicht bis zur Matratzengruft den ganzen Heine. Zugleich erhofft sich das Institut von seinem Publikum neue Impulse, wenn es sie grübeln lässt: Was bedeuten Romantik und Revolution für uns heute?