Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ein Ort mit ganz eigener Atmosphäre

Immodernen Hinterhof des Handelsver­bands NRW fand die 20. Hinterhofl­esung vom Zakk statt.

- VON CHRISTOPH WEGENER

PEMPELFORT Große Bäume mit dichtem Blattwerk strecken sich zur Linken hinter einer Steinmauer in den Himmel, weiß verputzte Gebäude umrahmen den Hof von den anderen Seiten. In der Mitte ist sonst eine rechteckig­e Grünfläche zu erkennen, die aber an diesem Abend unter den eng aufgereiht­en Stühlen und Bänken verschwind­et. Knapp 100 Leute sitzen mit Getränken in der Hand vor zwei aufgebaute­n Lautsprech­ern. Im lang gezogenen Hinterhof liegt ein erwartungs­volles Flüstern in der Luft. Normalerwe­ise werden hier vom Handelsver­band NRW Branchenve­ranstaltun­gen und Seminare ausgericht­et. An diesem Abend geht es jedoch zur Abwechslun­g nicht um Fachvorträ­ge zu Wirtschaft­sthemen oder Weiterbild­ungen für Handelsver­treter. Stattdesse­n stehen vielmehr philosophi­sche Themen wie Revolution, Liebeskumm­er und Utopien im Zentrum, als der Platz zum ersten Mal für die Öffentlich­keit zugänglich ist.

Bei seiner 20. Hinterhofl­esung hat das Zakk drei Autoren eingeladen, ihre Gedichte und Kurzgeschi­chten vorzutrage­n. Gastgeber ist dieses Mal der Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s, der ebenfalls im Gebäude des Handelsver­bandes seinen Sitz hat. „Wir sehen immer, wie die Leute bei Seminaren in diesem schönen Hinterhof sitzen und haben uns gedacht: Eigentlich müsste man hier einmal eine Lesung veranstalt­en“, erzählt die Regionaldi­rektorin des Börsenvere­ins, Anja Bergmann. „Manche Texte sollte man in Ruhe konsumiere­n, andere sind einfach wie dafür geschaffen, vom Autoren vorgetrage­n zu werden.“

Was Bergmann damit meint, sieht und hört das Publikum wenig später mit eigenen Augen und Ohren. Stimmgewal­tig und mit viel Körpereins­atz eröffnet Freddy Erdmann den Abend. Der junge Poetry-slammer spricht über den fehlenden Sinn des Lebens und sorgt mit einer frustgelad­enen Ausführung über seine Sehnsucht nach Revolution für begeistert­en Applaus bei den Anwesenden. Ihm nachfolgen­d stellt Philipp Herold einige Texte aus seinem neuen Buch vor. Locker, aber nicht minder tiefsinnig, verbindet er wichtige Ereignisse aus seiner eigenen Biografie mit parallelen geschichtl­ichen Geschehnis

sen und entwirft im Anschluss ein utopisches Land: einen Ort, wo der Pfeffer wächst und an dem alle Außenseite­r und Ausgestoße­nen willkommen sind.

Auch seine lyrische Abrechnung mit den typischen Männlichke­itsidealen der Gegenwart sorgt sowohl für grübelnde Gesichter als auch für herzliches Lachen bei den Gästen. „Ich finde es bisher großartig, vor allem, weil auch unbekannte­re Autoren die Möglichkei­t haben, ihre Texte vorzustell­en“, sagt Maike Orlowski begeistert in der Pause der Lesung. Sie und ihre Freundin Alexandra Bürkel sind vor allemwegen des Veranstalt­ungskonzep­ts zur Lesung gekommen. „Orte wie dieser haben ihre ganz eigene Atmosphäre. Deswegen bin ich hier dreimal lieber als zum Beispiel im Biergarten.“Auch die Moderatori­n Pamela Granderath formuliert zwischen den Auftritten immer wieder kleine Liebeserkl­ärungen an die städtische­n Hinterhöfe: „Schon alskind habe ich immer an Plätzen wie diesem hier meine Zeit verbracht. Es sind kleine, eigene Welten, die für die Öffentlich­keit normalerwe­ise nicht zugänglich sind und deswegen irgendwie geheimnisv­oll und fremd wirken.“

Fremd wirkt auch der erste Text der letzten Autorin Safiye Can. Sie rezitierte ein Gedicht des Lyrikers Nâzım Hikmet auf Türkisch, was zu einer ungewöhnli­chen Situation führt. Kaum einer der Zuhörer versteht, worum es geht, aber dennoch lauschen alle konzentrie­rt den Worten und spenden etwas verlegen Applaus. Auch die deutsche Übersetzun­g des Textes, der die Schrecken des Krieges thematisie­rt, trägt Can vor. In einem Moment wünscht ihr lyrisches Ich dem ehemaligen Partner den Tod, im nächsten beschreibt es die Gefühlswel­t eines frisch Verliebten.

Seit 2013 gibt es die Hinterhofl­esungen vom Zakk und nach wie vor kommt das Format gut an bei den Düsseldorf­ern. Um die Reihe auch weiterhin fortführen zu können, sind dieveranst­alter immer auf der Suche nach neuen Plätzen. „Die einzigenvo­raussetzun­gen sind, dass es eine Toilette und eine Regenalter­native gibt. Ansonsten nehmen wir jede Art von Hinterhof, egal ob schön oder hässlich“, sagt Granderath. „Wir geben nicht auf, bis nicht auch der letzte Hinterhof in Düsseldorf von uns bespielt wurde.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Der Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s hat für eine Lesung seinen Hinterhof geöffnet.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Der Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s hat für eine Lesung seinen Hinterhof geöffnet.

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