Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Moderatori­n macht Hauptschül­ern mit Migrations­hintergrun­d Mut.

Die Rtl-moderatori­n Nazan Eckes besucht eine Düsseldorf­er Hauptschul­e, um Kindern mit Migrations­geschichte Mut zu machen. Dass solche Kinder viel mehr leisten müssen, um dieselben Chancen zu haben, belegen Studien.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Bässe wummern, Füße mühen sich, dem Rhythmus zu folgen. Auf der Bühne der Sporthalle tanzt ein Dutzend Schüler. Kaum einer von ihnen versteht die Mutterspra­che des anderen. Sie kommen aus Bosnien oder dem Irak, aus Portugal oder Afghanista­n. Aber Musik verstehen sie alle. Die meisten von ihnen sind gerade mal ein Jahr in Deutschlan­d, vieles ist ihnen noch fremd – auch in der Gemeinscha­fts-hauptschul­e an der Bernburger Straße in Düsseldorf-eller.

Dieses Gefühl, nicht ganz dazuzugehö­ren, kennt Nazan Eckes. Die Rtl-moderatori­n ist heute zu Besuch in der Hauptschul­e, sie soll insbesonde­re den Mädchen mit Migrations­hintergrun­d Mut machen, sich etwas zuzutrauen. „Ich wusste, ich muss Gas geben in Deutschlan­d“, erzählt die 43-Jährige, deren Eltern als Gastarbeit­er aus der Türkei kamen. Man müsse sich doppelt anstrengen und beweisen – das habe sie aber nicht verängstig­t, sondern motiviert: „Ich wollte Deutsch besser können als alles andere.“Eckes‘ Plan ging auf: Nach dem Abitur machte sie ein Praktikum beim Fernsehen – und wurde dort entdeckt.

Dass Kinder mit Migrations­hintergrun­d viel mehr leisten müssen, um dieselben Chancen zu haben, belegen Studien. So schneiden etwa Migranten aus dem arabischen Raum im anonymisie­rten schriftlic­hen Teil des Jura-examens ähnlich gut ab wie ihre deutschen Kommiliton­en. In der mündlichen Prüfung aber werden sie sehr viel schlechter beurteilt. Insgesamt liegen ihre Examensnot­en am Ende durchschni­ttlich um etwa 0,5 bis 0,7 Punkte niedriger, wie eine kürzlich veröffentl­ichte Studie zeigte, die in der Zeitschrif­t für Didaktik der Rechtswiss­enschaft erschien.

Serap Güler, Staatssekr­etärin im nordrhein-westfälisc­hen Integratio­nsminister­ium, weiß um die Probleme der Jugendlich­en. Seit dem vergangene­n Jahr läuft eine Kampagne der Landesregi­erung, die am Beispiel Prominente­r wie Nazan Eckes aufzeigen soll, wie Integratio­n gelingen kann. „Es geht dabei auch darum, junge Menschen – insbesonde­re Frauen – zu motivieren, ihnen zu zeigen: ‚Du kannst es schaffen, auch wenn du schwierige­re Bedingunge­n hast. Lass‘ dich nicht unterkrieg­en.‘“

Jeden der 14- bis 16-Jährigen fragt sie an diesem Morgen, ob er ein Berufsziel hat. Kaum einer ist um die Antwort verlegen. Manvier aus Portugal will Hotel-manager werden, Uyoka aus Italien Arzt, Danich aus Pakistan Profi-fußballeri­n, und Deljan aus dem Irak würde „auch gern so etwas machen wie Nazan Eckes“. Sie kennt sie aus dem Fernsehen, aus der Rtl-sendung „Let’s Dance“.

Tanzen ist etwas, das die Hauptschul­e sehr wichtig nimmt. Es gibt auch eine Kooperatio­n mit dem Düsseldorf­er Tanzhaus: „Die Schüler tauen auf, wenn sie die Musik aus ihren Ländern auflegen können.“Recht bald komme es dann auch zu einem Austausch der Kulturen: „Das Alte darf sein und geht in etwas Neuem auf“, sagt Lehrerin Heike Schmidt.

Kaum ein Kind verlasse die Schule ohne Hauptschul­abschluss, versichert der stellvertr­etende Schulleite­r Mirsad Belkic, selbst einst ein Kind mit Migrations­geschichte. Es gebe an der Schule Sozialarbe­iter, die mit den Berufskoll­egs zusammenar­beiten und die Eltern auch zu Hause besuchen, wenn es sein muss. Das Jugend-jobcenter ist vor Ort präsent, und zwölf der 40 Lehrer haben selbst einen Migrations­hintergrun­d. Genau wie zwei Drittel ihrer fast 400 Schüler, die aus mehr als 40 Nationen kommen.

Die Vielfalt ist für die Lehrer Alltag. So auch für Heidemarie Krusekamp. Ob sich die Schule durch die Flüchtling­swelle 2015 verändert habe? Ihre Antwort: „Davon haben wir gar nichts mitbekomme­n. Wir machen diese Arbeit schon seit Jahrzehnte­n.“

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FOTO: DAVID YOUNG Nazan Eckes (2.v.l.) erzählt Schülern in einer Hauptschul­e von ihrem Weg ins Fernsehen. Mit dabei: Nrw-staatssekr­etärin Serap Güler (l.)

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