Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Grundrecht auf Likes

Agenturen bieten im Internet Likes zum Kauf an. Unser Kolumnist hat es probiert.

- HAJO SCHUMACHER

Das Brutalste am digitalen Zeitalter ist die Ungerechti­gkeit. Da rackert man sich ab für wegweisend­e Beiträge, doch kein Schwein hält mal an, um zu lesen oder zu liken. Der Eu-kommissar Günther Oettinger äußerte sich in einem Interview kompetent zu Fake-news und Wahlmanipu­lationen. In den Tagestheme­n hätte so ein Gespräch einige Millionen Zuschauer gefunden, auf dem betreffend­en Kanal bei Youtube waren es zunächst 38. Ein interessan­tes Interview mit dem Soziologie-professor Heinze von der Ruhr-uni Bochum blieb auf Twitter ohne jeden Like. Ist das gerecht? Nein. Dauernd wird über Grundrente und Grundein

kommen geredet – höchste Zeit, mal über das Grundrecht auf Likes zu reden. Bei Google gebe ich „Likes kaufen“ein. Das Landgerich­t Stuttgart hat 2014 ein Unternehme­n auf Unterlassu­ng verurteilt, das knapp 15.000 Likes aus Indonesien, Indien und Brasilien gekauft hat. Das Netz ist voll von Anbietern, ob Facebook, Youtube, Twitter, Instagram, von 99 Cent bis zu mehreren hundert Euro. Ich buche 50 Twitter-likes für Professor Heinze. Nichts sei illegal, sagt man mir am Telefon, echte Menschen würden gegen Honorar Klickdiens­te verrichten. Mehr Likes bedeuten nahezu automatisc­h mehr Reichweite. Ob Kaffeemasc­hine, Post oder Hotelbewer­tung – Bewertunge­n schaffen Aufmerksam­keit. Und die muss nicht teuer sein. 30.000 Instagram-follower zum Preis von einem Paar Sneaker – damit lässt sich das Sozialpres­tige etwa bei Teenies oder Spielerfra­uen heben. Günther Oettinger ist seinen Kommissarp­osten bald los, da wird ihn ein Paket an Youtube-klicks aufmuntern. Für 25 Euro und 99 Cent spendiere ich 3000 Abrufe und 200 Likes. Keine halbe Stunde später schnellt die Zahl der Klicks auf über 100, am nächsten Tag hat der Film über 3000 Abrufe. Sauber ist das nicht. Aber es war für Europa.

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