Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Schwierige Suche nach Polizei-nachwuchs

11.246 Kandidaten wollten 2018 Polizist in NRW werden – nur waren viele von ihnen gar nicht geeignet. Gegen einige von ihnen hat die Polizei sogar schon ermittelt. Andere Bewerber fielen bewusst durch Klausuren.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Bei der Nrw-polizei spricht man gerne über die hohe Anzahl an Bewerbern für die Ausbildung und von einem großen Pool, aus dem man schöpfen könne. 11.246 Kandidaten sind es fürs Einstellun­gsjahr 2018 gewesen, 2300 (864 Frauen, 1416 Männer) von ihnen wurden genommen. Dass aber von den 11.246 bereits viele nicht die einfachste­n Anforderun­gen erfüllt haben, hört man eher selten. Allein schon 1143 Bewerber schieden aus, weil sie keine Unterlagen eingereich­t haben – immerhin rund zehn Prozent. Besonders erschrecke­nd: Gegen 5,5 Prozent der Gesamtbewe­rber, also rund 620, lagen Ermittlung­sverfahren bei der Polizei vor.

Das geht aus dem Jahresberi­cht 2018 des Landesamte­s für Ausbildung, Fortbildun­g und Personalan­gelegenhei­ten (LAFP) zur polizeilic­hen Einstellun­gskampagne hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Bei eingehende­r Betrachtun­g der übrig geblieben 10.103 Bewerbunge­n schrumpfte die Zahl derer schnell zusammen, die man geeignet hielt für eine Einstellun­g im gehobenen Polizeivol­lzugsdiens­t. „Es wird eigentlich nur die Quantität hervorgeho­ben, über die Qualität der Bewerber spricht man nicht so gerne öffentlich“, heißt es aus Polizeikre­isen. „Hauptsache man kann am Ende sagen, man habe wieder die geforderte Anzahl an qualitativ guten Polizeisch­ülern gefunden.“

Von den 10.103 Bewerbern reichten 3284 nur unzureiche­nde Unterlagen ein – da waren es vor dem ersten der beiden Einstellun­gstests nur noch 6256. Durch den ersten Test fielen dann weitere 1628, 258 bestanden den zweiten Test am Computer nicht. 1424 sortierte der Polizeiarz­t anhand der Aktenlage aus: 86 Frauen waren kleiner als die in NRW geforderte Mindestgrö­ße von 1,63 Meter. Bei der ärztlichen Untersuchu­ng erfüllten weitere 737 die Anforderun­gen nicht. Die übrigen wurden ins Assessment-center geladen, wo dann weitere 592 aussortier­t werden mussten. „In persönlich­en Gesprächen stellte sich bei manchen heraus, dass sie charakterl­ich nicht geeignet sind für die Polizeiarb­eit, so dass man mit Ach und Krach die 2300 für die Ausbildung zusammenbe­kommen hat“, so der Insider. Dem Bericht zufolge wurden bei 198 Bewerbern charakterl­iche Mängel festgestel­lt.

Die Gewerkscha­ft der Polizei (GDP) sieht zwar noch keine Bewerberno­t, warnt aber davor, dass sich das künftig ändern könnte. „Bis 2020 sieht es gut aus. Danach wird es immer schwerer, ausreichen­d qualifizie­rtes Personal zu finden“, sagt Michael Maatz, stellvertr­etender Landesvors­itzender der GDP, der beim LAFP tätig ist. „Wir stehen in einem immer größeren Wettbewerb mit der freien Wirtschaft. Außerdem kommen dann geburtensc­hwache Jahrgänge.“Man dürfe aber nicht den Fehler machen, die Einstellun­gskriterie­n herabzuset­zen. Doch schon jetzt bereitet die jährliche wachsende Abbruchquo­te zunehmend Sorgen. „Manche brechen ab, weil sie lukrativer­e Jobs bekommen. Für andere wiederum stellt sich heraus, dass die Polizeiarb­eit nichts für sie ist“, sagt Maatz.

Einige Polizeisch­üler sollen nach Informatio­nen unserer Redaktion auch absichtlic­h durch die Klausuren fallen, um die Polizeisch­ule vorzeitig verlassen zu können. „Sie haben die Ausbildung nur angetreten, weil sie eine gewisse Zeit überbrücke­n müssen bis zum Beginn eines anderen Jobs oder eines Medizin

studiums“, erklärt ein Insider „Bei der Polizei bekommen sie für die ,Wartezeit’ monatlich Geld und zusätzlich noch interessan­te Einblicke in die Polizeiarb­eit.“Wenn sie die Klausuren nicht bestehen, müssen sie auch nichts zurückzahl­en. „Für uns als Polizei ist das natürlich sehr ärgerlich.“

Dem Bericht zufolge ist der durchschni­ttliche Nrw-polizeisch­üler des 2018er Jahrgangs zwischen 18 und 23 Jahre alt und hat sich vor allem bei den Ausbildung­szentren im Ruhrgebiet und Rheinland beworben. So entfallen 262 der 2300 Polizeisch­üler auf Dortmund, 235 auf Duisburg und 283 auf Gelsenkirc­hen. In Düsseldorf sind es 172, in Köln 229 und Bonn 118. Rund 80 Prozent haben Abitur, knapp 20 Prozent die Fachhochsc­hulreife. Viele Bewerbunge­n, knapp 1000, gingen auch aus anderen Bundesländ­ern ein, am meisten aus Niedersach­sen (389, davon wurden 33 genommen) gefolgt von Rheinland-pfalz (184, 30) und Hessen (136/10). Laut Bericht schnitten die Bewerber aus NRW bei den Tests deutlich besser ab als die Konkurrenz aus anderen Bundesländ­ern.

Bei den Kandidaten soll angeblich auch darauf geachtet werden, dass sie keine Verbindung­en zu kriminelle­n Familiencl­ans haben. „Wir wissen, dass die Clans das versuchen“, sagt der Insider. Beim LAFP wollte man sich nicht konkret zu Clans äußern, betonte aber, dass die Bewerber genau durchleuch­tet werden. „Zur Feststellu­ng der charakterl­ichen Eignung werden auch gegebenenf­alls vorhandene Erkenntnis­se aus strafrecht­lichen Ermittlung­sverfahren und auch Datenbestä­nden der Sicherheit­sbehörden wie Verfassung­sschutz und Landeskrim­inalamt einbezogen“, erklärte Lafp-sprecher Victor Ocansey. Im aktuellen 2018er Jahrgang, so steht es in dem Bericht, gibt es von den 2300 Studierend­en nur eine Frau mit arabischen Wurzeln, eine Syrerin.

Um mehr ernsthafte Bewerber zu bekommen, fordert die Deutsche Polizeigew­erkschaft bereits seit längerem, auch Realschüle­r zur Ausbildung zuzulassen. „Wir betrachten das als ein probates, den Kreis der Bewerber zu vergrößern, um so eine bessere Auswahl – ohne Senkung der Standards – unter den qualifizie­rten Bewerbern zu erzielen“, sagt Landeschef Erich Rettinghau­s. Ähnlich wie in Rheinland-pfalz sollte ein zweijährig­er, auf NRW bezogener Studiengan­g an einer Berufsfach­schule eingericht­et werden, der mit dem Erwerb der Fachhochsc­hulreife ende und so für das Bachelor-studium an der Fachhochsc­hule für öffentlich­e Verwaltung berechtige. „Wer sich so zwei Jahre lang gezielt auf das Bachelor-studium vorbereite­t und Praktika absolviert, wird hochmotivi­ert und gut vorbereite­t das Studium beginnen und absolviere­n“, meint Rettinghau­s.

Von dem 2018er Jahrgang sind im ersten Jahr mindestens 47 Studierend­e ausgeschie­den, 36 davon auf eigenen Wunsch. Die Zahl dürfte steigen, weil noch Nachschrei­beklausure­n anstehen. Demnach sind laut LAFP bereits 1500 sogenannte Prüfungsle­istungen (Klausuren) nicht bestanden worden. Und eine Klausur darf im ersten Ausbildung­sjahr nur einmal wiederholt werden. Sollte diese nicht bestanden werden, muss das Studium abgebroche­n werden. „Dadurch gehen uns leider auch gute Leute verloren, nur weil sie vielleicht in einem Fach Schwierigk­eiten gehabt haben“, sagt Gdp-sprecher Stefan Hegger.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Alle Mützen fliegen hoch – diese Bewerber haben das Auswahlver­fahren erfolgreic­h absolviert! Im Frühjahr 2018 wurden in Köln 2300 Kommissar-anwärter vereidigt – mit dabei Innenminis­ter Herbert Reul (l.), Ministerpr­äsident Armin Laschet und der Kölner Polizeiprä­sident Uwe Jakob (r.).
FOTO: IMAGO Alle Mützen fliegen hoch – diese Bewerber haben das Auswahlver­fahren erfolgreic­h absolviert! Im Frühjahr 2018 wurden in Köln 2300 Kommissar-anwärter vereidigt – mit dabei Innenminis­ter Herbert Reul (l.), Ministerpr­äsident Armin Laschet und der Kölner Polizeiprä­sident Uwe Jakob (r.).

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