Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Rundreise zu den Ateliers der Stadt

Wenn der Oldtimerbu­s zu den Ateliers ruckelt, steigen die Fans an der Rheinterra­sse ein – zur Rundfahrt bei den Kunstpunkt­en.

- VON NATASCHA PLANKERMAN­N

Er fährt sie dorthin, wo die Pinsel noch nicht trocken sind und Keilrahmen beiseite geräumt werden, um Besucher zu empfangen: Gerd Adorf dreht mächtig am weißen Lenkrad des Oldtimerbu­sses aus dem Jahr 1955 und rührt mit einem Schaltknüp­pel, lang wie ein Speer, in den Gängen. Drei Stunden dauert die Tour mit dem Bus zu den Kunstpunkt­en, zu Ateliers, die das Kulturamt für eine Besichtigu­ng ausgewählt hat.

Neben Adorf sitzen die Künstler Melanie Richter und Tom Koesel – sie kündigen an, was es bei den angesteuer­ten Kunstpunkt­en zu sehen gibt. Und so stiefeln die 22 Mitfahrer in den vierten Stock eines Altbaus an der Gerresheim­er Straße, um in einer umfunktion­ierten Wohnung zu entdecken, wie Katharina von Koschembah­r Frauen gemalt hat, die zwischen Fischen, Enten und Luftblasen in klarem Wasser trudeln oder träumen.

Die nächste Station ist weniger intim: das Weltkunstz­immer, ein alternativ­er Ausstellun­gsraum, den Künstler selbst bespielen, liegt in den früheren Räumen der Backfabrik Konsum an der Ronsdorfer Straße. „Schaulager 2“heißt die aktuelle Ausstellun­g, durch die Wolfgang Schäfer die Reisenden führt. Er zeigt auch eigene Werke, weiß aber zudem viel über Kollegen wie Performanc­ekünstler Taka Kagitomi. Der versteht es, mit Konstrukti­onen aus alten Kameralins­en oder Sperrmüllm­öbeln, zwischen denen er elektronis­ch verstärkt klingende Drähte spannt, zu fasziniere­n. Mitten im Weltkunstz­immer erhebt sich eine hohe Glasvitrin­e, kühl von innen ausgeleuch­tet, in ihr sieht man nur einen schlichten Hocker. „Stehend auf einem Hocker“heißt die Installati­on von Andreas Schmitten, die sich mit der Ästhetik der Warenpräse­ntation befasst – ohne dass diese selbst gezeigt werden.

Zuweilen bleiben nur Minuten pro Station; wer mehr Zeit braucht, um sich umzuschaue­n, kommt wieder. Das tun viele, erzählt Melanie Richter, die Kunstpunkt­e haben sich in den 23 Jahren ihres Bestehens zu einer richtigen Börse für Maler, Bildhauer und ihre Kunden entwickelt. Auch die 18 Künstler im Atelierhau­s an der Lierenfeld­er Straße 39, die darauf warten, ihre Arbeiten erklären zu können, wissen dies. Erläuternd­e Worte sind bei Liza Dieckwisch und der Gastkünstl­erin Jungwoon Kim auch notwendig. In ihrem Arbeitsrau­m hängen Objekte aus Latex, Silikon und pinkfarben­en Kunsthaare­n an der Wand oder liegen wie Kunststoff­pfützen auf dem Boden; ein Rahmen ist nicht erwünscht. „Ich will sie wegtragen können“, sagt Liza Dieckwisch, die mit Stoffen ebenso experiment­iert wie Jungwoon Kim. Die Koreanerin hat eine Art zerfließen­den Käfig an die Decke gehängt, dessen „Stangen“aus weichen Stoffbahne­n bestehen, die sich auf dem Boden ausbreiten. Leichtigke­it brauche sie, sagt die 38jährige, die an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie bei Martin Gostner studiert hat.

Dagegen befasst sich Peter Nagel ein paar Räume weiter mit schweren Tieren: Das Rhinozeros gehört zu seinen liebsten Objekten, und er hat jetzt aus übereinand­ergestapel­ten Holzbalken einen Mann mit Gewehr gebaut, den er ihm gegenübers­tellen will. „Jäger und Sammler“soll das Werk heißen. Der staunenden Bustruppe wird nur der Jäger gezeigt, das dazugehöri­ge Nashorn hat in Nagels vollgestel­ltem Atelier zurzeit keinen Platz. Umso verwunderl­icher erscheint es, dass Manuel Franke es nebenan schafft, Teile seiner grün leuchtende­n Mammutinst­allation in der U-bahn-haltestell­e am Graf-adolf-platz in seinem Raum vorzuführe­n. Er hat einige der Glasplatte­n aus dem Werk an die Wand gehängt und erläutert, wie er die Farbe bearbeitet hat, um Verläufe und Linien zu erzeugen. Anschließe­nd zeigt Franke, auf welche Weise er Gips so unterschie­dlich pigmentier­en kann, dass das Material danach fast natürlich erscheint. Ein Blick hinter die Kulissen, der den Weg zur nächsten U-bahnfahrt in einem anderen Licht erscheinen lässt – jetzt wissen die Bustour-teilnehmer, wie eine der Stationen ihr neues Gesicht erhielt.

Und sie bekommen zum Abschluss noch eine Art Familienbe­trieb präsentier­t: In einem Hinterhof an der Krahestraß­e führt Andrea Lehnert ihre wandfüllen­den Bilder mit schemenhaf­t erkennbare­n barocken Figuren vor, daneben finden sich glasierte Keramiken ihres Mannes Michael Lucht – es sind Landschaft­en im Miniatur-format.

In der Vielfalt der Kunst-stile, die auf einer solchen Reise durch Düsseldorf an einem einzigen Nachmittag zu sehen sind, scheint der Bus mit Fahrer Gerd Adorf die einzig beständige Komponente zu sein: Treu wartet er an jeder Station auf die Gäste und bremst schließlic­h ruckelnd wieder an den Rheinterra­ssen.

Bis zum nächsten Mal, so hoffen alle, inklusive Adorf selbst. Denn er gehört zu den wenigen, die es noch verstehen, einen solchen Bus aus den 1950er Jahren zu lenken.

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FOTO: A. ENDERMANN Eine Haltestati­on der Tour: das Atelier von Liza Dieckwisch.

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