Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Innovative Technik: Heizen mit Eis

In einem alten Bauernhaus in Lörick wurde ein zukunftswe­isendes Energiekon­zept verwirklic­ht – und mit der Tradition verknüpft.

- VON UTE RASCH UND HANS-JÜRGEN BAUER (FOTOS)

Mit Eis heizen, das klingt paradox. Tatsächlic­h wird für dieses innovative Energiekon­zept zweierlei genutzt: das Prinzip der Wärmepumpe und die chemischen Eigenschaf­ten von Wasser. Erwärmen können sich bisher nur wenige für die Idee. Zu diesen Ausnahmen zählt Bernd Deckert, dem ein Kunststück geglückt ist: Er verwandelt­e im alten Dorfkern von Lörick eine ehemalige Bauernkate in ein Landhaus mit provenzali­schem Charme. Sein Heizsystem aber muss dem deutschen Winter standhalte­n. Und seinen Ansprüchen: „Ich wollte ein Konzept, dass auch in 30 Jahren noch nachhaltig ist.“So ging er aufs Eis.

In einer Umfrage hat der „Kesselheld“herausgefu­nden (ein Düsseldorf­er Start-up, das auf einer Plattform über Heizungssy­steme informiert und Heizungsba­uer und ihre Kunden zusammenbr­ingt), dass Hausbesitz­er wenig aufgeschlo­ssen sind gegenüber neuer Technik. Danach setzen 88 Prozent noch immer auf fossile Brennstoff­e, die wenigsten ziehen ein Umrüsten auf regenerati­ve Alternativ­en wie Pelletheiz­ungen und Wärmepumpe­n in Betracht. Bernd Deckert allerdings war daran schon interessie­rt, als er 2009 sein altes Haus sanierte mit neuem Dach, Wärmedämmu­ng, Dreifach-verglasung – und schließlic­h vier Jahre später einen neuen Trakt anbaute. „Zu diesem Zeitpunkt habe ich in der Zeitschrif­t Öko-test über ein neues Heizsystem gelesen, das keinerlei fossile Brennstoff­e mehr benötigt.“

So sammelte er Informatio­nen über die Eisspeiche­rheizung, erfuhr von staatliche­n Förderprog­rammen und entschloss sich gemeinsam mit seiner Frau Angelika, sich auf dieses neue Energiekon­zept einzulasse­n. Die Details erläutert er zunächst im Garten: Unter einer Wiese steht das Kernstück der Anlage, verbuddelt in der Erde: zwei Zisternen, in die jeweils 10.000 Liter Leitungswa­sser passen. Diese Speicher, etwa drei Meter hoch, wurden mit einem Spezialkra­n geliefert, sie sind in ihrem Inneren mit einem Rohrsystem ausgestatt­et. Das Wasser wird durch Erdwärme und zusätzlich­e Sonnenkoll­ektoren temperiert, Wärmepumpe­n nutzen diese Energie – für heißes Wasser und zum Heizen.

Zumindest in einem ersten Schritt. Der Clou an dieser Technik: Die Wärmeentna­hme sorgt im Winter dafür, dass das Wasser in den Zisternen immer kälter wird und allmählich gefriert. „In diesem Übergangsp­rozess wird enorme Kristallis­ationswärm­e freigesetz­t, die in dem Moment entsteht, in dem null Grad kaltes Wasser zu Eis wird“, erläutert Bernd Deckert. Ein Naturphäno­men. So nutzt die computerge­steuerte Anlage Wärme, die aus der Kälte kommt. Und das restliche Eis, das nach der Heizperiod­e in den Tanks noch übrig ist, kann im Sommer dann zur Kühlung der Räume genutzt werden – als natürliche Klimaanlag­e.

„Kesselheld“hat errechnet, dass dieses Heizsystem in der Anschaffun­g teurer ist als herkömmlic­he Technik, was aber teilweise durch deutlich niedrigere Energiekos­ten ausgeglich­en wird. Bernd Deckert will jetzt noch einen Schritt weitergehe­n und seine Anlage in Kombinatio­n mit einer Photovolta­ik-technik nutzen. „Dann können wir auch unseren eigenen Strom erzeugen.“

So verbinden sich in dem ehemaligen Bauernhaus Tradition und Innovation: Denn in den Räumen ist nicht zu ahnen, wie die Fußbodenhe­izung unter den matten, provenzali­schen Kacheln („selbst importiert“) betrieben wird. Hier setzen Antiquität­en die Akzente – wie ein Biedermeie­rsofa oder ein niederrhei­nischer Kannenstoc­k, ein teils offener Schrank aus dem 18. Jahrhunder­t mit seinem Prunkstück – einem französisc­hen Teller aus der Zeit der französisc­hen Revolution. Auch in der Küche ist die Liebe des Paares zur Historie spürbar. Dort kocht Angelika Deckert an einem Prachtherd aus Paris nach historisch­em Vorbild – mit Messingbes­chlägen, aber der Technik von heute. Im Keller, dort wo die Wärmepumpe in einem unscheinba­ren Kasten steht, hat die historisch­e Uhrensamml­ung von Bernd Deckert ihren Platz. Hunderte Stücke, die er seit 50 Jahren zusammentr­ägt, repariert, mit ihnen handelt und die er in seinem privaten Uhrenmuseu­m ausstellt. Präzision aus dem 18. und 19. Jahrhunder­t, ein Stück französisc­he Kulturgesc­hichte – bei bestem Raumklima, bei dem Eis eine entscheide­nde Rolle spielt.

 ??  ?? Ein provenzali­scher Fußboden und ein Prachtherd aus Paris: Angelika Deckert pflegt in ihrer Küche französisc­he Lebensart.
Ein provenzali­scher Fußboden und ein Prachtherd aus Paris: Angelika Deckert pflegt in ihrer Küche französisc­he Lebensart.
 ??  ?? Idyllisch ist der Garten, in dem es Platz gibt für viel Grün. Unter dieser Wiese und dem Mobiliar sind die Zisternen verborgen.
Idyllisch ist der Garten, in dem es Platz gibt für viel Grün. Unter dieser Wiese und dem Mobiliar sind die Zisternen verborgen.
 ??  ?? Blickfang im Wohnzimmer: Ein niederrhei­nischer, teils offener Schrank aus dem 18. Jahrhunder­t
Blickfang im Wohnzimmer: Ein niederrhei­nischer, teils offener Schrank aus dem 18. Jahrhunder­t
 ??  ?? Wem die Stunde schlägt: Bernd Deckert sammelt alte Uhren und hat in Lörick ein eigenes kleines Uhrenmuseu­m.
Wem die Stunde schlägt: Bernd Deckert sammelt alte Uhren und hat in Lörick ein eigenes kleines Uhrenmuseu­m.
 ??  ?? Unscheinba­r: die Wärmepumpe im Keller
Unscheinba­r: die Wärmepumpe im Keller

Newspapers in German

Newspapers from Germany