Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Flüchtlinge: Merkel unter Druck
Der Zustrom wird wieder stärker. Die Kanzlerin will jetzt Libyen stabilisieren.
BERLIN Die aktuellen Entwicklungen in Griechenland erinnern an die Frühphase der Flüchtlingsdynamik von 2015. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR stieg die Zahl der neu ankommenden Asylsuchenden in Griechenland im August um 60 Prozent. Mehr als 7700 Menschen seien auf den Inseln eingetroffen, 1600 weitere auf dem Landweg. „Höhepunkt war der 29. August, als an einem Tag 646 Menschen an Bord von 13 Booten Lesbos erreichten“, berichtete Flüchtlingsexperte Chris Melzer vom UNHCR. Entsprechend überfüllt sind die Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln. Auf Samos kommen 4197 Flüchtlinge auf 700 Plätze, auf Lesbos 10.300 auf 2150.
Das zeigt, dass die Türkei gewillt ist, noch weiter zu eskalieren: Sie fordert, dass mehr Geld aus dem Eu-türkei-abkommen noch schneller fließt. Sechs Milliarden Euro hatte die EU der Türkei Anfang 2016 versprochen, im Gegenzug wollte Ankara die Küsten besser sichern, Flüchtlinge von der Flucht abhalten und auch zurücknehmen. Der Zustrom übers Meer sank rapide. Nun steigt er wieder stark an. Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, dass mehr als zwei Milliarden Euro an zugesagten Unterstützungsgeldern immer noch nicht angekommen seien.
Neben Syrien ist Libyen zu einem Krisenherd geworden. Die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Gruppen haben Hunderte von Toten gefordert. Hier hat Merkel nun die Initiative ergriffen, um in einer Libyen-konferenz eine sofortige Waffenruhe und eine Stabilisierung des Landes zu erreichen. Aus dem Kreis hoher Beamter, die eine Konferenz am Dienstag im Kanzleramt vorbereiteten, waren zuversichtliche Signale zu hören.
Derweil feilen verschiedene Bundesministerien in Berlin an den Details eines neuen Flüchtlingsübereinkommens, mit dem die Mittelmeerflüchtlinge künftig nicht mehr nach stets neuem Tauziehen zwischen den Hauptstädten, sondern nach festen Schlüsseln auf die Europäische Union verteilt werden.