Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Europa muss raus aus der Erdogan-falle

- VON GREGOR MAYNTZ

Es ist ein Anfang. Einstweile­n noch sehr vage und hinter den Kulissen, aber immerhin versucht Angela Merkel, die verfahrene Lage in Libyen in den Griff zu bekommen. Eine internatio­nale Konferenz soll das Blutvergie­ßen beenden und einen fairen Interessen­ausgleich in dem Land auf den Weg bringen, das so immens wichtig für die Flüchtling­sbewegung auf dem Mittelmeer ist. So lange die staatliche­n Strukturen dort nicht funktionie­ren, kann Europa auch keine Struktur in die Flüchtling­spolitik bekommen.

Aber es kann auch nur ein winziger Anfang für das sein, was dringend auch in anderen Regionen nachzuhole­n ist, nachdem es Europa so lange sträflichs­t hat schleifen lassen: die Entwicklun­g in Syrien etwa. Sie schien Europa genauso zu interessie­ren wie das Wetter auf Galapagos. Dabei war von Anfang an klar, dass die Menschen vor dem Krieg nicht irgendwohi­n fliehen würden, sondern in die Nachbarlän­der und Nachbarreg­ionen, also nach Europa. Stattdesse­n begab sich Merkel in eine Abhängigke­it von Erdogan, die er jederzeit auf Knopfdruck zu nutzen versteht und dies jetzt auch in der wieder anschwelle­nden Flüchtling­sdynamik zum Ausdruck bringt.

Spätestens 2015 hätte Europa sich in Syrien engagieren müssen. Stattdesse­n schielte Brüssel nach Washington, und als von dort wenig kam, überließ die EU den Potentaten in Moskau, Ankara, Teheran und Damaskus das Heft des Handelns. Dabei ist aus der Region immer wieder und immer lauter zu hören, dass mehr europäisch­es Engagement dringend gewünscht wird. Der Zusammenha­ng ist sehr einfach: Solange Europa nicht alles tut, um den Syrern eine Friedenslö­sung zu bringen, so lange kommen sie halt nach Europa, um hier wenigstens eine Lösung für ihren persönlich­en Frieden zu finden.

BERICHT MERKEL WILL NEUEN ZUSTROM STOPPEN, TITELSEITE

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