Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Tanken und Heizen wird teurer“
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) appelliert an die Spitzen der großen Koalition, sich beim Klimaschutz zu einigen. Sie fordert verbindliche Regelungen für die Senkung von Treibhausgasen.
Frau Schulze, was erwarten Sie vom Koalitionsausschuss an diesem Donnerstagabend?
SCHULZE Ich erwarte, dass wir es als Regierung schaffen, den Knoten zu durchschlagen und ein wirksames Klimaschutzprogramm auf den Weg zu bringen. Daran werden wir gemessen.
Welches sind die größten Knackpunkte?
SCHULZE Die entscheidende Frage ist: Haben wir künftig ein Instrumentenmix, bei dem alle vom Verkehrssektor über die Landwirtschaft und den Gebäudebereich bis zur Industrie ihren Beitrag für weniger Treibhausgas-emissionen leisten.
Was muss das Paket aus Ihrer Sicht beinhalten, damit es wirksam ist?
SCHULZE Wichtig ist, dass wir Verlässlichkeit und Verbindlichkeit schaffen. Die Jugendlichen müssen sich darauf verlassen können, dass diese und künftige Bundesregierungen sich an ihre selbst gesteckten Ziele halten. Dafür muss gesetzlich festgeschrieben und kontrolliert werden, dass wir die Einsparziele Jahr für Jahr erreichen. Und wenn ein Sektor, etwa der Verkehr, die Vorgaben nicht erreichen, muss sofort nachgesteuert werden – und zwar mit zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen und nicht mit dem Ankauf von Emissionszuweisungen. Dafür müssen wir Mechanismen vereinbaren. Wir brauchen ein solches Sicherheitsnetz für den Klimaschutz. Ohne das geht es nicht mehr.
Wer soll das kontrollieren? Das Umweltministerium?
SCHULZE Nein, ich werde sicher nicht jeden Montagmorgen beim Kollegen Andreas Scheuer anklopfen und die Einsparungen im Verkehr überprüfen. Die Überprüfung der Emissionseinsparungen könnte ein neues Sachverständigengremium übernehmen. Wichtig ist dabei auch, dass wir der Bevölkerung unermüdlich erklären, warum wir das alles machen und wie man den Klimawandel eigentlich spürt.
Und was antworten Sie?
SCHULZE Den Klimawandel merkt man daran, dass in Deutschland immer seltener Schnee fällt. Dass es häufiger Überflutungen und Starkregen gibt. Dass es im Sommer mehr als 40 Grad heiß wird, Tendenz steigend. Wir haben uns entschieden, das Land nicht nur auf die Folgen vorzubereiten, etwa durch höhere Dämme. Wir müssen aktiv etwas dafür tun, dass die Erde sich nicht noch weiter in diesem Tempo erwärmt. Das ist jeden Euro wert, es geht ohne Übertreibung um unsere Existenzgrundlage.
Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Menschen nicht im Übermaß belastet werden? SCHULZE Der Bürger wird merken, dass das Tanken und Heizen teurer wird. Gleichzeitig soll er spüren, dass er deutlich entlastet wird, wenn er selbst weniger CO2 ausstößt. Man kann auf vielfältige Weise Entlastungen schaffen. Das geht zum Beispiel über den Strompreis, indem wir für Privathaushalte die Umlage für erneuerbare Energien senken. Wir müssen auch zielgenau denjenigen helfen, die besonders belastet werden – zum Beispiel die Fernpendler.
Ein Leser fragte uns, ob er seine neue Ölheizung bald wieder rausreißen müsse. Was sagen Sie ihm? SCHULZE Niemand muss seine Heizung rausreißen. Wir sollten aber den Heizungsaustausch stärker fördern. Bei Neuinstallationen werden wir andere Systeme als Ölheizungen brauchen. Ich bleibe deshalb dabei, dass wir den Einbau neuer Ölheizungen ab einem bestimmten Jahr X untersagen sollten. Schließlich darf ab 2050 gar kein Öl mehr verbrannt werden. Gleichzeitig müssen wir Anreize schaffen, damit es sich für die Menschen lohnt, auf erneuerbare Energietechnik zu setzen, etwa Wärmepumpen, die mit Ökostrom betrieben werden. Dieses System aus Verboten und Anreizen für ökologisch sinnvolle Alternativen ist der richtige Weg in allen Sektoren.
Was heißt das für die Mobilität? SCHULZE Wer sich beispielsweise einen Neuwagen kaufen möchte, sollte es künftig finanziell sehr deutlich spüren, wenn er sich ein spritfressendes SUV aussucht. Zugleich muss es sich finanziell mehr lohnen als bisher, auf ein sparsames Auto, eines mit Hybrid- oder gar vollelektrischem Antrieb zu setzen. Wie viele Tonnen CO2 müssen bis 2030 eingespart werden?
SCHULZE 2018 hat Deutschland etwa 866 Millionen Tonnen Co2-äquivalente ausgestoßen. 2016 lagen wir im weltweiten Vergleich auf Platz 11 der Pro-kopf-emissionen, hinter Ländern wie Katar, Saudi-arabien und den USA. Fast alle europäischen Länder hatten einen geringen Pro-kopf-ausstoß als wir. Bis 2030 muss unser Treibhausgas-ausstoß um 35,1 Prozent sinken, auf 562 Millionen Tonnen. Im Jahr 2050 soll Deutschland dann klimaneutral sein. Wir gehen also Schritt für Schritt in eine Volkswirtschaft, in der Kohle, Öl und Gas immer unwichtiger werden und erneuerbare Energien und Elektromobilität immer wichtiger.